6321/J XXVII. GP
Eingelangt am 16.04.2021
Dieser Text ist elektronisch
textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Rainer Wimmer, Genossinnen und Genossen
an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort
betreffend Untätigkeit der Bundesregierung bei der Erhaltung des MAN-Werks in Steyr mit 2.300 Arbeitsplätzen
Bei MAN in Steyr sind aktuell 2.356 MitarbeiterInnen beschäftigt zum Jahreswechsel 2019/2020 wurde vom MAN-Vorstand ein bis 2030 gültiger Standort- und Beschäftigungssicherungsvertrag unterzeichnet.
Mit 30. September 2020 kündigte der MAN-Vorstand diesen Vertrag einseitig auf und kündigte in weiterer Folge an, das Werk in Steyr schließen zu wollen. Abseits davon, dass die Wirksamkeit dieser Aufkündigung in juristischer Hinsicht äußerst fragwürdig ist und vor Gericht zu klären sein wird, ist diese Vorgehensweise ein massiver Vertrauensbruch gegenüber den fleißigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Seit vergangenen Herbst kämpfen Betriebsrat und Gewerkschaft um den Erhalt des Produktionsstandortes Steyr und der mehr als 2.300 direkt von der Schließung bedrohten Arbeitsplätze. Studien zufolge hängen an diesem Werk in Summe sogar rund 8.400 Arbeitsplätze mit einer jährlichen Wirtschaftsleistung von knapp einer Milliarde Euro.
Am 15. Oktober 2020 fanden eine Betriebsversammlung und eine anschließende Protestkundgebung am Stadtplatz von Steyr statt, an der rund 4.000 Menschen teilnahmen - seitdem verfügt die Belegschaft auch über einen aufrechten Streikbeschluss. Zudem erhoben ArbeiterInnen- und Angestelltenbetriebsrat beim Wirtschaftsministerium einen „Einspruch gegen die Wirtschaftsführung“ gemäß dem Arbeitsverfassungsgesetz, da die Schließung eines profitablen Werks aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht nachvollziehbar ist. In Folge wurde zum ersten Mal seit dem Fall Semperit Anfang der 2000er eine staatliche Wirtschaftskommission einberufen.
Parallel dazu bekundeten Investoren und Investorengruppen Interesse am „zur Disposition“ stehenden Werk in Steyr. MAN entschied sich jedoch frühzeitig und entgegen dem Drängen der Betriebsräte dafür, nur mit einem einzigen Investor - Siegfried Wolf - Übernahmeverhandlungen zu führen. Ebenso frühzeitig entschied sich die Belegschaftsvertretung dazu, ein allfälliges Verhandlungsergebnis einer Urabstimmung durch die Beschäftigten zu unterziehen.
Auch wenn Siegfried Wolf ein grundsätzlich schlüssiges Konzept vorgelegt hat, so waren die Bedingungen für die Beschäftigten schlecht: Massenkündigungen, drastische Lohnkürzungen von 15% netto, arbeitsrechtliche Verschlechterungen und der Verzicht der ArbeitnehmerInnen auf diverse bestehende Ansprüche.
im Vorfeld der Urabstimmung am 7. April 2021 wurde auf die Beschäftigten großer Druck aufgebaut: Entweder Übernahme des Werks durch Siegfried Wolf unter den obig angeführten Bedingungen oder Schließung des Werks.
Die Belegschaft hat das Angebot von Investor Siegfried Wolf klar zurückgewiesen: Bei einer hohen Wahlbeteiligung von 94% sprachen sich 63,9% der ArbeitnehmerInnen dagegen aus. Das ist nicht nur ein starkes Signal betrieblicher Demokratie, sondern zeigt auch ganz deutlich: ArbeitnehmerInnen lassen sich nicht alles gefallen!
Mit dieser Abstimmung beginnt ein neues Kapitel: Jetzt muss jetzt mit aller Kraft an einer gemeinsamen Lösung gearbeitet werden - der Ball liegt erneut bei MAN. Betriebsrat und Gewerkschaften fordern die Rückkehr der Konzernverantwortlichen an den Verhandlungstisch und die faire Prüfung aller vorliegenden Konzepte - inklusive jener, die einen starken Fokus auf grüne Technologien legen.
Die Bundesregierung hat im Kampf um den Erhalt der Arbeitsplätze im MAN-Werk Steyr bisher bedauerlicherweise durch Abwesenheit geglänzt. Im Oktober 2020 kündigte Bundesministerin Margarete Schramböck noch vage die Bildung eines „Österreich-Konsortiums“[1] an. Seit dieser unkonkreten Ankündigung war jedoch nichts mehr davon zu hören. Die nächste Wortmeldung kam dann ein halbes Jahr später, als das Ergebnis der Urabstimmung als „bedauerlich“[2] bezeichnet wurde.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE
1. Welche Schritte haben Sie als für den Wirtschaftsstandort zuständige Bundesministerin bisher gesetzt, um sich für den Erhalt des MAN-Werks in Steyr einzusetzen?
Auf eine ähnlich formulierte Frage haben Sie in Ihrer Anfragebeantwortung 4305/AB nur auf die (auf Antrag der Belegschaftsvertretung einzuberufende) Staatliche Wirtschaftskommission verwiesen, worauf die Frage jedoch nicht abzielte. Wir ersuchen um Beantwortung im Hinblick auf die Aktivitäten und Kontaktaufnahmen, die Sie als zuständige Bundesministerin aus eigener Initiative gesetzt haben.
2. Sie werden am 1.10.2020 vom Kurier wie folgt indirekt zitiert: „Sie habe in den vergangenen Tagen viele Telefonate und Gespräche mit dem MAN- und VW- Management - sowohl mit MAN-Vorstandschef Andreas Tostmann als auch mit dem zuständigen VW-Vorstand Gunnar Kilian - geführt, so Schramböck. Für den Standort in Steyr eine österreichische Lösung zu finden, wäre die beste Möglichkeit, findet die Ministerin. “1
a. Welchen Inhalt hatten die Gespräche, die Sie (oder ein Mitglied Ihres Kabinetts in Ihrem Auftrag) mit VertreterInnen von MAN geführt haben?
b. Welches Ergebnis konnte durch die von Ihnen oder in Ihrem Auftrag geführten Gespräche mit MAN konkret erzielt werden?
c. Welchen Inhalt hatten die Gespräche, die Sie (oder ein Mitglied Ihres Kabinetts in Ihrem Auftrag) mit VertreterInnen von VW geführt haben?
d. Welches Ergebnis konnte durch die von Ihnen oder in Ihrem Auftrag geführten Gespräche mit VW konkret erzielt werden?
e. Wie sah die Konzeption der von Ihnen angestrebten „österreichischen Lösung“ aus und wie ist der aktuelle Stand der Umsetzung?
3. Sie werden vom Kurier weiters wie folgt indirekt zitiert: „Es gebe Interessenten, berichtete Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck der APA, Gespräche würden laufen. “1
a. Im obigen Zitat wird in Bezug auf angebliche „Interessenten“ der Plural verwendet. Wie viele am MAN-Werk Steyr interessierte InvestorInnen sind Ihnen bis dato bekannt?
b. Welchen Inhalt hatten die Gespräche, die Sie (oder ein Mitglied Ihres Kabinetts in Ihrem Auftrag) mit an der Übernahme des MAN-Werks Steyr interessierten InvestorInnen geführt haben?
c. Welche Ergebnisse konnten durch die von Ihnen oder in Ihrem Auftrag geführten Gespräche konkret erzielt werden?
4. Hatten Sie (oder ein Mitglied Ihres Kabinetts in Ihrem Auftrag) Kontakt (Gespräch/Telefonat/Schriftverkehr) mit der Belegschaftsvertretung von MAN?
a. Wenn ja, welchen Inhalt hatten diese Kontaktaufnahme(n)?
b. Wenn ja, welches Ergebnis wurde dadurch konkret erzielt?
c. Wenn nein, wieso nicht?
5. Hatten Sie (oder ein Mitglied Ihres Kabinetts in Ihrem Auftrag) Kontakt (Gespräch/Telefonat/Schriftverkehr) mit Investor Siegfried Wolf?
a. Wenn ja, welchen Inhalt hatten diese Kontaktaufnahme(n)?
b. Wenn ja, welches Ergebnis wurde dadurch konkret erzielt?
c. Wenn nein, wieso nicht?
6. Die Beschäftigten des MAN-Werks haben sich in einer Urabstimmung mit rund 64% gegen das von Investor Siegfried Woif vorgelegte Übernahmeangebot ausgesprochen, das den Abbau von hunderten Arbeitsplätzen und schlechtere Bedingungen (z.B. Einkommenseinbußen von 15% netto) für die verbleibenden MitarbeiterInnen vorgesehen hätte. Warum bezeichnen Sie diese Entscheidung der betroffenen ArbeitnehmerInnen als „bedauerlich“?
7. Haben Sie jemals in Erwägung gezogen, den mehr als 2.300 von einer Werksschließung bedrohten ArbeitnehmerInnen den Rücken zu stärken und MAN bzw. VW öffentlich aufzufordern, den abgeschlossenen Standort- und Beschäftigungssicherungsvertrag auch einzuhalten?
8. Die MAN Truck & Bus Austria GmbH hat in jüngster Vergangenheit von mehreren staatlichen Förderungen profitiert. So wurde etwa die Entwicklung von Elektro-LKW durch die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH (FFG) mit 2 Millionen Euro gefördert.
In Ihrer Anfragebeantwortung 4305/AB führen Sie aus, dass die abgegebene Standortgarantie ein Faktor für die Gewährung dieser Förderungen war. Weiters schreiben Sie: "Darauf aufbauend führt die FFG derzeit klärende Gespräche mit dem Unternehmen, hält sich aber weiterhin die Möglichkeit der Rückforderung offen."
a. Welches Ergebnis hatten diese „klärenden Gespräche“ mit MAN?
b. Gibt es bereits eine Entscheidung seitens der FFG, die Förderungen zurückzufordern?
c. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass im Falle einer Betriebsschließung eine Rückforderung dieser Förderungen erfolgt?
9. Welche konkreten Schritte planen Sie in den nächsten Wochen, um den drohenden Verlust von über 2.300 Arbeitsplätzen am MAN-Produktionsstandort abzuwenden und zukunftsweisende Konzepte voranzutreiben?
[1] https://kurier.at/wirtschaft/man-werk-in-steyr-uebernimmt-ein-oesterreich-konsortium/401049958
[2] https://www.nachrichten.at/nachrichten/liveticker/liveticker-man-abstimmung;art165616.3380520