6426/J XXVII. GP

Eingelangt am 22.04.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten

betreffend Gibt es einen neue, von der EU abweichende Nahostpolitik?

 

Traditionell besteht die österreichische Nahostpolitik in der Unterstützung einer verhandelten Zwei-Staaten-Lösung. Nach Angaben des Außenministeriums wirkt Österreich auch in diesem Sinn an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU mit. Diese Zwei-Staaten-Lösung basiert bekanntlich auf dem Verständnis, dass ein Staat Palästina neben dem Staat Israel bestehen soll – mit den notwendigen Vorkehrungen zur Garantie von Israels Sicherheit. Eine so ausgestaltete Nahostpolitik impliziert also auch, dass jedwede Aktion, die sich gegen die Erreichung einer Zwei-Staaten-Lösung richtet, zu verurteilen ist. 

Vor diesem Hintergrund rief das Abstimmungsverhalten Österreichs bei der letzten Sitzung des Menschenrechtsrates in Bezug auf die Resolution A/HRC/46/L.31 (Human rights situation in the Occupied Palestinian Territory, including East Jerusalem, and the obligation to ensure accountability and justice) Verwunderung hervor. Österreich hat, gemeinsam mit Brasilien, Bulgarien, Kamerun, Malawi und Togo gegen diese Resolution gestimmt, was im Gegensatz zu vergangenem Abstimmungsverhalten steht. So hat Österreich 2014 z.B. noch für Resolutionen gestimmt, die sich mit der Situation der Palästinenser_innen beschäftigt haben, und 2012 war Österreich für die Anerkennung Palästinas als Beobachterstaat in der UNO-Vollversammlung.

Im Mai letzten Jahres hat Österreich außerdem, zusammen mit Ungarn, eine gemeinsame Stellungnahme der EU-Außenminister zu Israels Annexionsplänen verhindert. Auch auf bilateraler Ebene gibt es Hinweise für eine Abkehr von der bisherigen Nahostpolitik. Bei den beiden Besuchen des Bundeskanzlers Kurz in Israel besuchte dieser nicht, wie davor üblich, auch die palästinensische Führung in Ramallah, um die Wichtigkeit des Friedensprozesses zu betonen. Bei der Inauguration der nach Jerusalem verlegten US-Botschaft war der österreichische Botschafter anwesend, als einziger Westeuropäer. 

Es liegt somit die Annahme nahe, dass sich die österreichische Nahostpolitik weg von der auf Völkerrecht basierenden Position der Vereinten Nationen und der Europäischen Union, und hin zu einer an die Netanjahu-Politik angelehnte, verändert hat. 

Offiziell hat sich an der Situation im israelisch-palästinensischen Konflikt jedoch nichts geändert und auch die rechtliche Position zur Frage der Palästinensergebiete ist laut BMEIA unverändert: Außenminister Schallenberg sagte zwar in einem Interview mit der Presse am 29.5.2020, dass es eine "Änderung in der österreichischen Linie" gebe, die "eindeutig die Handschrift des Bundeskanzlers" trage. Gleichzeitig betonte er jedoch, dass die "rote Linie Österreichs" das Völkerrecht sei. Österreich bleibt somit der Meinung, dass auf das 1967 durch Israel besetzte Westjordanland die 4. Genfer Konvention anwendbar ist. Das heißt, dass Israel als Besetzer dieses Gebiets bestimmte völkerrechtliche Regeln einhalten muss.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    Was ist die derzeitige Haltung Österreichs in Bezug auf die Zwei-Staaten-Lösung?

a.    Ist Israel als Besetzer des Westjordanlandes für die Einhaltung internationaler Menschenrechtsnormen verantwortlich?

                                  i.    Wenn nein, wer ist verantwortlich, und nach welcher rechtlichen Doktrin?

b.    Ist Israel im Westjordanland für die Bereitstellung sozialer Leistungen und der Grundbedürfnisse der Menschen verantwortlich?

                                  i.    Wenn nein, wer ist verantwortlich, und nach welcher rechtlichen Doktrin

c.    Stellen Abrisse palästinensischer Bauten in Area C und Ostjerusalem sowie der Bau neuer Siedlungen einen Bruch internationale Rechts dar?

d.    Stellen diese Abrisse ein Hindernis zur Erreichung der Zwei-Staaten-Lösung dar? 

2.    Die österreichische Bundesregierung sowie das BMEIA spricht sich regelmäßig für eine gemeinsame Position der EU in außenpolitischen Fragen aus. Mit welcher Begründung hat Österreich als einer von nur zwei EU Staaten gegen die Linie der Europäischen Union gestimmt?

3.    Welche Beweggründe gab es konkret für die Ablehnung der oben genannten Resolution im Menschenrechtsrat?

4.    Inwiefern deckt sich die österreichische Nahostpolitik nicht mit jener der EU?

5.    Gab es Änderungen in Österreichs Position in Hinblick auf die international anerkannte Zwei-Staaten-Lösung seit Bundeskanzler Kurz die Regierung führt?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Wenn ja, wie werden diese begründet?

c.    Nachdem es sich bei der Zwei-Staaten-Lösung um eine lange bestehende internationale Norm handelt, sollten Änderungen in der österreichischen Position nicht mit dem Parlament beraten und kommuniziert werden?