6439/J XXVII. GP

Eingelangt am 22.04.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Christian Drobits und Genossinnen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Kontrollen von Mißbrauch im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr

Österreich ist in vielen Bereichen wie zB im Bereich der Gesundheit auf ausländische ArbeitnehmerInnen angewiesen und als Arbeitsort auch für PendlerInnen aus den Nachbarstaaten sehr attraktiv. Die Zahl ausländischer Pendler ist seit 2008 stark gestiegen – von knapp 40.000 im Jahr 2008 auf über 115.000 Menschen. Medienberichten zufolge arbeiteten laut einer Auswertung des Wifo im Juli 2020 insgesamt 115.913 Menschen mit einem ausländischen Wohnsitz in Österreich. Die meisten PendlerInnen arbeiten in Niederösterreich, gefolgt von der Steiermark, dem Burgenland, Oberösterreich und Wien. Medienberichten zufolge sind die meisten Beschäftigten mit ausländischem Wohnsitz in der Industrie tätig, extrem viele arbeiten als Leiharbeiter. Aber der Bau oder die Gastronomie sind Sektoren, in denen viele ausländische ArbeitnehmerInnen tätig sind.

Die Kehrseite der Attraktivität Österreichs als Arbeitsort zeigt sich dort, wo faire Wettbewerbsbedingungen durch ausländische Entsendefirmen unterlaufen werden: viele Betriebe gerade im grenznahen Raum klagen seit Jahren über ungleiche Wettbewerbsbedingungen und Mißbrauch im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr. Schwerpunktkontrollen der Finanzpolizei bringen regelmäßig eine Vielzahl von Beanstandungen und Gesetzesübertretungen zutage – von gefälschten Papieren bis hin zum Verdacht auf Schwarzarbeit sowie auf Verstöße gegen das Lohn-und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz.

Die Zahl der Entsendungen ausländischer Arbeitnehmer ist in den vergangenen Jahren massiv gestiegen: waren es 2011 noch rund 70.000 ArbeitnehmerInnen, die nach Österreich entsandt wurden, stieg die Zahl 2019 bereits auf 238.850 Personen. Bei weitem nicht alle werden ordnungsgemäß entlohnt, und auch bei der Abführung von Lohn- und Sozialabgaben gibt es immer wieder Probleme.

Durch Lohn- und Sozialdumping entsteht erheblicher Schaden für den Staat, die Sozialversicherungen, aber auch für die heimischen Betriebe in Grenzregionen, die mit illegalen Dumpingpreisen nicht mithalten können. Mißbrauch im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr sowie Lohn- und Sozialdumping führen aber in weiterer Folge auch dazu, daß die Einkommensschere in Grenzregionen wie zB. dem Südburgenland immer weiter aufgeht.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen nachstehende

 

Anfrage:

1.    Arbeitgeber mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat oder EWR-Staat oder der Schweiz haben die Beschäftigung von nach Österreich entsandten Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmer, gleich welcher Nationalität, gemäß § 19 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) zu melden. Wie viele Entsendungen wurden der Zentralen Koordinationsstelle (ZKO) des Bundesministeriums für Finanzen für die Kontrolle illegaler Beschäftigung gemeldet werden. Wie viele Entsendungen wurden von 2011-2020 bei der ZKO gemeldet? (bitte gegliedert nach Jahr, nach Branchen und nach Bundesländern angeben)

2.    Wie hoch schätzt Ihr Ressort die Dunkelziffer – dh nicht gemeldete Entsendungen - ein? Gibt es Schätzungen auf Grund der durchgeführten Kontrollen?

3.    Wie viele Mehrfachmeldungen (eine Meldung erfolgt für mehrere Einsätze wie zB gemäß § 19 Abs 5 LSD-BG) sind darin enthalten?

4.    Wie viele Betriebe wurden von der Finanzpolizei 2020 kontrolliert (bitte nach Branchen und Bundesland gegliedert angeben) und wie viele Übertretungen wurden dabei festgestellt (bitte nach Bundesländern und nach Tatbeständen aufgliedern)?

5.    Wie viele Strafverfahren gab es 2020 (bitte nach Bundesländern und Branchen gegliedert anführen) und wie viele davon sind bereits erledigt?

6.    Die Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Vollstreckung von Verwaltungsstrafen sind noch immer unzureichend, wodurch nur ein Bruchteil der verhängten Strafen vollstreckt werden kann. Wie viel der verhängten Strafen konnten 2020 eingetrieben werden (bitte nach Bundesländern gegliedert, absolut und in % anführen)? Mit welchen Staaten gibt es Probleme und mit welchen Staaten funktioniert die grenzüberschreitende Vollstreckung problemlos? Wie hoch ist das durchschnittliche Zahlungsziel bei der Einbringung verhängter Straffen im Inland im vergleich zum Ausland (EU und Drittstaaten)?

7.    Wie viele Beanstandungen gab es bei mobilen Kontrollen der Finanzpolizei im Jahr 2020 (bitte nach Bundesländern und Tatbeständen aufgliedern)?

8.    Auch die Vorlage gefälschter Papiere – von der Anmeldung zur Sozialversicherung über die ZKO-Meldung bis zu den Lohnunterlagen – dürfte ein zunehmendes Problem sein. Wie viele Fälle von gefälschten Unterlagen waren bei Kontrollen durch die Finanzpolizei 2020 zu verzeichnen? Inwieweit ist es möglich zu überprüfen, ob eine korrekte Anmeldung zur Sozialversicherung im Heimatland vorliegt? Wenn ja: ist diese Überprüfung auch praxistauglich oder nur mit unverhältnismäßigen Aufwand möglich?

9.    Sie haben im Rahmen eines Pressegesprächs am 20.2.2020 mit der ehemaligen Arbeitsministerin Aschbacher drei Schwerpunkte im Prüf- und Kontrollplan, der die Art und Anzahl der Überprüfungen gegen Lohn- und Sozialdumping regelt, für die Kontrollen der Finanzpolizei im ersten Halbjahr 2020 angekündigt: Fokus auf Großunternehmen, mehr Einsatztage in Grenzgebieten (Niederösterreich, Burgenland, Steiermark, Kärnten) und ein Kontingent für anlass-, branchen- und saisonbezogene Schwerpunktkontrollen. Welche Großunternehmen standen bei den Überprüfungen 2020 im Fokus?  Wird der Fokus 2021 weitergeführt?

10. Wie viele Einsatztage hat die Finanzpolizei in Grenzgebieten (aller Bundesländer außer Wien) 2019 und 2020 geprüft (bitte nach Jahren und Bundesländern gegliedert anführen)? Ist für 2021 eine Erweiterung der Einsatztage geplant?

11. Wurde -wie angekündigt -  das Kontingent an Finanzpolizisten für anlass-, branchen- und saisonbezogene Schwerpunktkontrollen  2020 umgesetzt und wenn ja, wie, wo und in welcher Form (bitte nach Bundesländern gegliedert anführen)? Wie viele Personen sind aktuell als Finanzpolizisten tätig? Um wie viele Vollzeitäquivalente handelt es sich dabei? Wie viele davon sind durchschnittlich mit der Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping beschäftigt? Wie hoch ist der Anteil der Kontrollen des Glücksspielgesetzes an der Arbeit der Finanzpolizei (bitte nach Bundesländern und Bezirken gegliedert anführen)?

12. Ist eine Aufstockung der Finanzpolizei geplant? Wenn ja: in welchem Zeitraum und um wie viele Planstellen?

13. Viele Betriebe in Grenzregionen klagen über unfaire Wettbewerbsverhältnisse durch Mißbrauch im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr durch ausländische Firmen. Vor allem der Verdrängungswettbewerb für die österreichischen ArbeitnehmerInnen ist in Grenzregionen ein massives Problem. Liegen Ihrem Ressort Daten vor, wie viele Arbeitsplätze durch Mißbrauch im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr in Österreich verloren gehen und wie viel Steuergeld an der Finanz vorbei erwirtschaftet wird?

14. Das IHS hat im Auftrag der ehemaligen Bundesministerin Aschbacher eine Evaluierung des Sozialbetrugsbekämpfungsgesetzes: Sozialbertrug durch Scheinfirmen im Bauwesen durchgeführt; die Veröffentlichung war laut 3539/AB für das erste Halbjahr 2021 geplant. Sind Ihrem Ressort die Resultate der Evaluierung bereits bekannt?