6537/J XXVII. GP
Eingelangt am 04.05.2021
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
des Abgeordneten Andreas Hanger
Kolleginnen und Kollegen
an die Frau Bundesminister für Justiz
betreffend die Übermittlung von SMS-Nachrichten an den Ibiza-Untersuchungsausschuss am 3. bzw. 5. März 2021
Seitens des Bundesministeriums für Justiz wurden am 3. März 2021 SMS-Nachrichten dem Ibiza-Untersuchungsausschuss übermittelt. Das Bundesministerium für Justiz stufte diese SMS-Nachrichten als „geheim“ ein. Mit Schreiben vom 5. März 2021 wurde die Klassifizierung dieser Nachrichten seitens des Bundesministeriums für Justiz auf die Stufe 1 „eingeschränkt“ herabgesetzt.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen in diesem Zusammenhang an die Frau Bundesminister für Justiz folgende
Anfrage
1. Aufgrund welcher Umstände wurden die am 3. März an den Ibiza-Untersuchungsausschuss übermittelten SMS-Nachrichten seitens des Bundesministeriums für Justiz in Stufe 3 „geheim“ eingestuft, zumal nicht davon ausgegangen werden kann, dass ohne jeglichen Grund die zweithöchste Klassifizierungsstufe gewählt wurde, auch wenn diese Begründung dem Untersuchungsausschuss nicht bekannt gegeben wurde?
2. Im Schreiben des Bundesministeriums für Justiz vom 5. März wird ausgeführt, dass auf Grund eines bedauerlichen Versehens, das die Neuerungen des Erkenntnisses des VfGH vom 2.12.2020, UA 3/2020, für die Vorlagepraxis der staatsanwaltschaftlichen Behörden an den Untersuchungsausschuss nicht vollinhaltlich nachvollziehen würde, bei der Vorlage dieser Unterlagen die gemäß § 27 Abs. 6 VO-UA erforderliche Bekanntgabe der Gründe der Klassifizierung unterblieben sei.
a. Welche „Neuerungen“ betreffend die Begründungspflicht der Klassifikation von einem Untersuchungsausschuss vorzulegenden Akten und Unterlagen im Erkenntnis des VfGH vom 2.12.2020, UA 3/2020, sind gemeint?
b. Welche Organisationen innerhalb des Bundesministeriums für Justiz (z.B. Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, zuständige Abteilung, zuständige Sektion, Kabinett der Frau Bundesminister oder Kabinett des sie damals vertretenden Vizekanzlers) haben Vorschläge betreffend Klassifizierungsstufen gemacht? Wie waren diese begründet? Von welchen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern wurden diese erstellt?
c. Wurde die Frau Bundesminister für Justiz, der sie damals vertretende Vizekanzler oder Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter der jeweiligen Ministerkabinette über Klassifizierung, Inhalte oder Termin der in Rede stehenden Vorlage von Akten und Unterlagen informiert? Wenn ja, welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
d. Wurden Inhalte der Vorlage, Termin oder Klassifizierung der in Rede stehenden Vorlage von Akten und Unterlagen zwischen dem Kabinett der Frau Bundesminister für Justiz bzw. dem Kabinett des sie damals vertretenden Vizekanzlers und der zuständigen Abteilung, Sektion oder der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft besprochen? Wenn ja, zwischen welchen Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern?
e. Wurden konkrete Wünsche betreffend Inhalt, Termin oder Klassifizierung der in Rede stehenden Vorlage von Akten und Unterlagen seitens des Kabinetts der Frau Bundesminister für Justiz oder seitens des Kabinetts des sie damals vertretenden Vizekanzlers gegenüber der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, der zuständigen Abteilung oder Sektion geäußert? Wenn ja, welche Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern waren an dieser Kommunikation beteiligt?
f. Gab es Weisungen hinsichtlich der Klassifizierung, dem Inhalt oder dem Termin der in Rede stehenden Vorlage von Akten und Unterlagen? Wenn ja, von wem? Wenn ja, warum wurden entsprechende Informationen dem Untersuchungsausschuss nicht vorgelegt?
3. Zu der unter RZ 119 angeführten Nachricht in der Aktenvorlage vom 5. März:
Es finden sich in den bezughabenden SMS-Nachrichten (RZ 115 ff) keine Hinweise auf eine „mutmaßliche politische Absprache über das Gewähren ungebührlicher Vorteile im Bereich der Vollziehung des Bundes“ (Beilage zu 4/KOMM 27. GP). Darüber hinaus ist keines der im Untersuchungsgegenstand unter lit. a bis g angeführten Themenbereiche in diesen SMS-Nachrichten Inhalt der Kommunikation.
a. Warum wird seitens des Bundesministeriums für Justiz als Maßstab zur Vorlage von Akten und Unterlagen die Wortfolge „politische Willensbildung“ herangezogen, zumal sich diese Wortfolge weder im Untersuchungsgegenstand noch in der Begründung wiederfindet?
b. Warum wurde die gegenständliche Nachricht (RZ 119) der Klassifizierungsstufe 1 „eingeschränkt“ und nicht einer höheren Klassifizierungsstufe zugeordnet, um die Privatsphäre der Betroffenen zu schützen, obwohl es sich bloß um eine scherzhafte Anmerkung handelt, die ausschließlich der Privatsphäre zuzurechnen ist, und der Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand mehr als fraglich ist (vgl. Frage 3.a.)?
c. Wird vor diesem Hintergrund die Begründung der Vorlage der SMS-Nachricht (RZ 119) aufrechterhalten? Wenn ja, warum?
4. Zu den unter RZ 252 bis 254 angeführten Nachrichten in der Aktenvorlage vom 5. März:
Es finden sich in den bezughabenden SMS-Nachrichten (RZ 240 ff) keine Hinweise auf eine „mutmaßliche politische Absprache über das Gewähren ungebührlicher Vorteile im Bereich der Vollziehung des Bundes“ (Beilage zu 4/KOMM 27. GP). Darüber hinaus ist keiner der im Untersuchungsgegenstand unter lit. a bis g angeführten Themenbereiche in diesen SMS-Nachrichten Inhalt der Kommunikation.
a. Warum wurden seitens des Bundesministeriums für Justiz diese SMS-Nachrichten (RZ 240 ff) vorgelegt, obwohl kein inhaltlicher Zusammenhang zwischen diesen Nachrichten und den Nachrichten zwei Wochen davor (RZ 239) besteht, wobei aber gerade dieser Zusammenhang vom Bundesministerium für Justiz als Begründung angeführt wird?
Dabei ist darauf hinzuweisen, dass es völlig lebensfremd ist anzunehmen, dass eine bestimmte SMS-Kommunikation zwei Wochen später fortgesetzt wird, wenn sich die betroffenen Personen (zumindest) am Vorabend persönlich gesehen haben, wie sich aus den vorgelegten SMS ergibt.
b. Warum fehlt in den Ausführungen des Bundesministeriums für Justiz zu den SMS-Nachrichten RZ 248 bis 254 die Begründung dafür, dass ein Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand nicht ausgeschlossen werden könne?
Dabei ist darauf hinzuweisen, dass –
wie das Bundesministerium selbst
ausführt – nur „Schmäh geführt“ wird, dieser
Chat-Verlauf der Privatsphäre der betroffenen zuzuordnen und dessen
Inhalte vom Untersuchungsgegenstand nicht erfasst sind?
c. Warum wurde seitens des Bundesministeriums für Justiz die SMS-Nachrichten RZ 248 bis 254 vorgelegt, obwohl kein inhaltlicher Zusammenhang zwischen diesen Nachrichten und den Nachrichten 245 bis 247 besteht, wobei aber gerade dieser Zusammenhang vom Bundesministerium für Justiz als Begründung angeführt wird?
d. Warum wurde die Nachricht RZ 252 in der Klassifizierungsstufe 1 „eingeschränkt“ vorgelegt und nicht einer höheren Klassifizierungsstufe zugeordnet, um die Privatsphäre der Betroffenen zu schützen, obwohl es sich bloß um eine scherzhafte Anmerkung handelt, die ausschließlich der Privatsphäre zuzurechnen ist, und der Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand mehr als fraglich ist (vgl. Frage 4. a. bis c.)?
e. Wird vor diesem Hintergrund die Begründung der Vorlage der SMS-Nachricht (RZ 239) aufrechterhalten? Wenn ja, warum?
5. Hat das Bundesministerium für Justiz seine Pflicht zur Amtsverschwiegenheit verletzt, indem es Akten und Unterlagen dem Ibiza-Untersuchungsausschuss übermittelt hat, die nicht vom Untersuchungsgegenstand erfasst sind, deren Geheimhaltung aber im überwiegenden Interesse eines Dritten geboten gewesen wäre? Wenn ja, was wären die Folgen? Wenn nein, warum nicht?
6. Trägt das Bundesministerium für Justiz dem Aspekt des Schutzes personenbezogener Daten bzw. des Schutzes der Privatsphäre ausreichend Rechnung, wenn es unterlassen hat, Informationen, die ausschließlich der Privatsphäre zuzurechnen sind, einer entsprechend hohen Klassifizierungsstufe zuzuordnen, um die Weitergabe personenbezogene Daten bzw. ausschließlich der Privatsphäre zuzurechnender Informationen an Unbefugte hintanzuhalten? Wenn nicht, was wären die Folgen? Wenn ja, warum?
7. Wurde der Maßstab „abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand“, an dem die Vorlage von Akten und Unterlagen zu messen ist, nicht völlig überspannt, wo doch davon auszugehen ist, dass der Verfassungsgesetzgeber Art. 53 Abs. 3 B-VG hinsichtlich der Vorlage von Akten und Unterlagen die Notwendigkeit eines Zusammenhangs mit dem Untersuchungsgegenstand nicht normiert hätte, wenn er diese Verfassungsbestimmung so, wie vom Bundesministerium für Justiz offensichtlich interpretiert, verstanden haben hätte wollen? Wenn ja, was wären die Folgen? Wenn nein, warum nicht?
8. In welchem arbeitsrechtlichen Verhältnis zum Bundesministerium für Justiz stehen bzw. welchen Ausbildungsstand haben jene Personen, die tatsächlich (physisch) diese SMS-Nachrichten auf ihren Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand geprüft haben?
9. Was ist im Bundesministerium für Justiz geplant, um die Qualität der Aktenlieferung an einen Untersuchungsausschuss samt deren Begründung zu verbessern, zumal derzeit der Eindruck vorherrscht, dass geradezu krampfhaft eine Begründung dafür gesucht wurde, dem Untersuchungsausschuss bestimmte SMS-Nachrichten vorlegen zu können, wobei die sachorientierte Aufklärung dabei offensichtlich nicht im Vordergrund stand.