6541/J XXVII. GP
Eingelangt am 05.05.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Michael Bernhard, Dr. Johannes Magreiter, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Klimaschutz‚ Umwelt‚ Energie‚ Mobilität‚ Innovation und Technologie
betreffend Lärmbelastung in
Österreich und Diskrepanzen zu WHO Grenzwerten
Die Belastung durch Umgebungslärm ist eine oft unterschätzte und im politischen Diskurs vernachlässigte, aber erhebliche Beeinträchtigung von Gesundheit und Lebensqualität. Ständige Lärmbelastung kann zu anhaltendem Stress sowie Erkrankungen der Psyche und des Herz-Kreislaufsystems führen. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO sind in Europa ein Drittel der Bevölkerung gesundheitsschädigendem Straßenlärm und jede/r Fünfte gesundheitsgefährdender Lärmbelastung während der Nachtstunden ausgesetzt. Ein für das BMK von der Medizinischen Universität Wien erstellter Bericht (Hutter, Moshammer, WHO Environmental Noise Guidelines 2018 - Relevanz für Österreich, Wien 2020) fasst dies folgendermaßen zusammen: "Laut WHO ist Verkehrslärm eine der wichtigsten umweltbedingten Gefahren für menschliche Gesundheit bzw. für das Wohlbefinden der Bevölkerung in der europäischen Region. Dies zeigt sich auch in den Berechnungen der Europäischen Umweltagentur: Basierend auf der Anzahl von Betroffenen wurden (Erhebungen im Rahmen der strategischen Umgebungslärmkartierung 2017) rund 460 vorzeitige Todesfälle pro Jahr für Österreich berechnet, die auf Verkehrslärm zurückgeführt werden können." Auch Fluglärm kann in Einflugschneisen demnach zu erheblichen Belastungen führen: "Das höhere Belästigungs- und Schlafstörungspotential des Flugverkehrs (bei gleichen Dauerschallpegeln wie Straßen- oder Schienenverkehr) ist schon lange bekannt und wird durch die neuen Daten der WHO bestätigt." Abgesehen von der massiven Beeinträchtigung der Lebensqualität, führen die gesundheitlichen Langzeitfolgen von kontinuierlicher Lärmbelastung zu einem volkswirtschaftlichen Schaden in Milliardenhöhe.
Der Bericht merkt auch in Bezugnahme auf das Umweltbundesamt an, dass die österreichischen Grenzwerte weit höher angesetzt sind, als von der WHO angeführt. Sie nehmen so erhebliche Gesundheitsbelastungen in Kauf. Die Autoren kommen zum Schluss, dass die derzeitige Gesetzeslage "mit der gegenwärtigen humanmedizinischen wissenschaftlichen Evidenz nicht zu vereinbaren" sei. So liegen die im §8 (2) der Bundes-Umgebungslärmschutzverordnung festgelegten österreichischen Schwellenwerte beim Straßenlärm um 7 Dezibel, beim Schienenverkehr um 16 Dezibel und beim Flugverkehr sogar um 20 Dezibel höher als von der WHO als gesundheitsgefährdend eingestuft. Diese (hohen) österreichischen Schwellenwerte werden auch bei Lärmkartierungen herangezogen und führen so möglicherweise zu einer massiven Unterschätzung der gesundheitlichen Auswirkungen.
Erfreulicherweise beinhaltet das Regierungsprogramm einige Maßnahmen, welche zur Lärmreduktion beitragen sollen. Unter anderem ist eine Lärmschutzoffensive geplant. Allerdings sind hier seit Regierungsantritt Anfang 2020 keinerlei konkreten Maßnahmen gesetzt oder Gesetzesentwürfe vorgelegt worden.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
1. Welche Kontrollen werden durchgeführt, um die in Österreich gültigen Lärmschutzschwellenwerte beim Straßenverkehr einzuhalten?
a. Welche Verantwortung haben hier Bund, Länder und Gemeinden?
b. Wer führt die Kontrollen durch?
c. Welche konkreten Vorgaben gibt es bzgl. Messstellen, Messgeräte, Messzeiten etc.?
d. Wann werden sie durchgeführt?
e. Welche Schritte werden bei Überschreitungen gesetzt?
2. Welche Kontrollen werden durchgeführt, um die in Österreich gültigen Lärmschutzschwellenwerte beim Schienenverkehr einzuhalten?
a. Welche Verantwortung haben hier Bund, Länder und Gemeinden?
b. Wer führt die Kontrollen durch?
c. Welche konkreten Vorgaben gibt es bzgl. Messstellen, Messgeräte, Messzeiten etc.?
d. Wann werden sie durchgeführt?
e. Welche Schritte werden bei Überschreitungen gesetzt?
3. Welche Kontrollen werden durchgeführt, um die in Österreich gültigen Lärmschutzschwellenwerte beim Flugverkehr einzuhalten?
a. Welche Verantwortung haben hier Bund, Länder und Gemeinden?
b. Wer führt die Kontrollen durch?
c. Welche konkreten Vorgaben gibt es bzgl. Messstellen, Messgeräte, Messzeiten etc.?
d. Wann werden sie durchgeführt?
e. Geschehen diese Kontrollen im Falle des Flughafen Wien auf freiwilliger Basis?
f. Welche Schritte werden bei Überschreitungen gesetzt?
4. Welche Kontrollen werden durchgeführt, um die in Österreich gültigen Lärmschutzschwellenwerte bei Industrielärm einzuhalten?
a. Welche Verantwortung haben hier Bund, Länder und Gemeinden?
b. Wer führt die Kontrollen durch?
c. Welche konkreten Vorgaben gibt es bzgl. Messstellen, Messgeräte, Messzeiten etc.?
d. Wann werden sie durchgeführt?
e. Welche Schritte werden bei Überschreitungen gesetzt?
5. Wie viele Personen sind aktuell gemäß Daten der aktuellen Lärmkartierung von Lärmbelastung jenseits dem im §8 (2) der Bundes-Umgebungslärmschutzverordnung festgelegten österreichischen Schwellenwert aufgrund von Straßenverkehr betroffen?
6. Wie viele Personen sind aktuell gemäß Daten der aktuellen Lärmkartierung von Lärmbelastung jenseits dem im §8 (2) der Bundes-Umgebungslärmschutzverordnung festgelegten österreichischen Schwellenwert aufgrund von Schienenverkehr betroffen?
7. Wie viele Personen sind aktuell gemäß Daten der aktuellen Lärmkartierung von Lärmbelastung jenseits dem im §8 (2) der Bundes-Umgebungslärmschutzverordnung festgelegten österreichischen Schwellenwert aufgrund von Flugverkehr betroffen?
8. Wie viele Personen sind aktuell gemäß Daten der aktuellen Lärmkartierung von Lärmbelastung jenseits dem im §8 (2) der Bundes-Umgebungslärmschutzverordnung festgelegten österreichischen Schwellenwert aufgrund von Industrieprozessen betroffen?
9. Welche Rolle spielt Lärmbelastung derzeit bei der UVP?
10. Welche Rolle wird Lärmbelastung bei dem von der Bundesregierung geplanten Klimacheck spielen?
11. Welche Maßnahmen wurden auf Bundesebene seit Antritt der Bundesregierung im Jänner 2020 bzgl. Reduktion der Lärmbelastung bisher gesetzt?
12. Im Regierungsprogramm wird das Vorhaben einer "Lärmschutzoffensive" angekündigt.
a. Wie ist hier der derzeitige Umsetzungsstand?
b. Wann ist mit einer Fertigstellung zu rechnen?
c. Inwiefern wurden hier Stakeholder eingebunden?
d. Inwiefern wurden hier Länder eingebunden?
13. Im Regierungsprogramm wird das Vorhaben einer "Umsetzung fluglärmreduzierender An- und Abflugverfahren zum frühestmöglichen Zeitpunkt durch die Austro-Control" angekündigt.
a. Wie ist hier der derzeitige Umsetzungsstand?
b. Wann ist mit einer Fertigstellung zu rechnen?
c. Inwiefern wurden hier Stakeholder eingebunden?
d. Inwiefern wurden hier Länder eingebunden?
14. Im Regierungsprogramm wird das Vorhaben eines "Bedarfsgerechten Ausbau des Lärmschutzes unter Miteinbeziehung verschiedener Kriterien" angekündigt.
a. Wie ist hier der derzeitige Umsetzungsstand?
b. Wann ist mit einer Fertigstellung zu rechnen?
c. Inwiefern wurden hier Stakeholder eingebunden?
d. Inwiefern wurden hier Länder eingebunden?
15. Weshalb sind die Schwellenwerte gemäß §8 (2) der Bundes-Umgebungslärmschutzverordnung beim Straßenverkehr 7DB höher angesetzt als die Empfehlungen der WHO (gemäß WHO Guidelines 2018)?
a. Welche wissenschaftliche Grundlage gibt es hierfür?
b. Plant das BMK hier eine Anpassung?
16. Weshalb sind die Schwellenwerte gemäß §8 (2) der Bundes-Umgebungslärmschutzverordnung beim Schienenverkehr 16DB höher angesetzt als die Empfehlungen der WHO (gemäß WHO Guidelines 2018)?
a. Welche wissenschaftliche Grundlage gibt es hierfür?
b. Plant das BMK hier eine Anpassung?
17. Weshalb sind die Schwellenwerte gemäß §8 (2) der Bundes-Umgebungslärmschutzverordnung beim Flugverkehr 20DB höher angesetzt als die Empfehlungen der WHO (gemäß WHO Guidelines 2018)?
a. Welche wissenschaftliche Grundlage gibt es hierfür?
b. Plant das BMK hier eine Anpassung?
18. Ist eine Anpassung der Schwellenwerte gemäß §8 (2) der Bundes-Umgebungslärmschutzverordnung an die WHO Environmental Noise Guidelines 2018 seitens der Bundesregierung bzw. des BMK derzeit angestrebt?
a. Wenn ja, bis wann?
b. Wenn nein, warum nicht?
19. Welche Auswirkungen hätte eine entsprechende Anpassung an WHO Empfehlungen aus Sicht des BMK?
20. Sind vom BMK derzeit Lärmstudien für bestimmte besonders von Lärm betroffene Regionen oder Gebiete in Auftrag gegeben bzw. besteht seitens des BMK die Bereitschaft, die für solche Lärmstudien erforderlichen Daten zur Verfügung zu stellen (insbesondere jene von ÖBB und ASFINAG)?
a. Wenn nein, warum nicht?
b. Wenn ja, für welche Gebiete?