6574/J XXVII. GP

Eingelangt am 07.05.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Landwirtschaft‚ Regionen und Tourismus

betreffend Bekenntnis zur Reduktion des Einsatzes chemischer Pflanzenschutzmittel: Tatendrang oder leere Versprechen?

 

Seit Jahren belegen Studien das gravierende Ausmaß des Artensterbens in Österreich, Europa und auf der ganzen Welt. Österreich hat in den letzten drei Jahrzehnten fast drei Viertel seiner Wildtierpopulation verloren. Zahlreiche, einst in Österreich heimische Arten sind bereits verloren gegangen oder stehen kurz davor hier auszusterben, mit irreversiblen Folgen für Österreichs Natur und Umwelt. Besonders drastisch ist sowohl weltweit als auch in Österreich der Rückgang der Insektenpopulationen. Insekten bilden nicht nur eine Grundlage aller Ökosysteme und Nahrungsketten, sondern spielen auch in der Landwirtschaft als Bestäuber, Nützlinge oder bei der Erhaltung von Nährstoffkreisläufen eine entscheidende Rolle. Eine weitere Reduktion von Insektenpopulationen, hätte daher laut Expert_innen nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für die Ernährungssicherheit direkte negative Konsequenzen. 

Es herrscht eindeutiger wissenschaftlicher Konsens, dass dieser drastische Rückgang der Insektenpopulationen (und damit einhergehend der Vogelpopulationen) neben dem Rückgang von Naturflächen vor allem in Zusammenhang mit der extensiven Nutzung chemischer Pflanzenschutzmittel steht. Gleichzeitig häufen sich wissenschaftliche Untersuchungen, dass vor allem in Europa unnötig viel chemischer Pflanzenschutz eingesetzt wird. Weder Nahrungsmittelqualität noch Ertragsmenge würden unter einer deutlichen Reduktion der Mengen bei entsprechender Implementierung der Prinzipien des integrierten Pflanzenschutzes signifikant leiden. Diese Position wird auch von der Welternährungsorganisation FAO geteilt.

NEOS setzen sich seit mehreren Jahren für eine Reduktion des Einsatzes von chemischen Pflanzenschutzmitteln ein. Eine Vorreiterrolle kann dabei die Republik selbst spielen, in dem sie sich verpflichtet, den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln bei allen öffentlichen Institutionen, den Anstalten öffentlichen Rechts sowie Unternehmen und Gesellschaften mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes zu reduzieren. NEOS haben daher einen entsprechenden Antrag im Juli 2019 im Nationalrat eingebracht ("Bekenntnis zur Reduktion des Einsatzes chemischer Pflanzenschutzmittel zum Schutz der Biodiversität u. des Wassers bei allen öffentl. Institutionen, den Anstalten öffentlichen Rechts sowie Unternehmen u. Gesellschaften mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes (948/A(E))). Der Antrag wurde einstimmig angenommen. 

Ein weiterer wesentlicher Faktor in der Reduktion des Einsatzes von chemischen Pflanzenschutzmitteln wird die Erforschung, Weiterentwicklung und Kommerzialisierung von Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz bzw. deren Anwendung im Kontext der österreichischen Landwirtschaft sein. Um die Innovation in diesem Bereich voranzutreiben, haben NEOS im Juli 2019 ebenfalls einen entsprechenden Antrag im Nationalrat eingebracht ("Förderung der Forschung und Innovation zur Reduktion des Einsatzes chemischer Pflanzenschutzmittel zum Schutz der Biodiversität und des Wassers (949/A(E))). Der Antrag wurde einstimmig angenommen.

Knapp zwei Jahre nachdem die Anträge im Nationalrat eingebracht wurden und sich im Regierungsprogramm der Volkspartei und der Grünen umfassende Versprechen zur Reduktion des chemischen Pflanzenschutzes und zur Förderung der Forschung in dem Bereich finden, stellt sich die Frage zum Umsetzungsstand der angenommenen Entschließung. 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Laut angenommener Entschließung 948/A(E) und Seite 145 im Regierungsprogramm soll auf Pflanzenschutzmittel bei öffentlichen Flächen weitestgehend verzichtet werden. 

a.    Welche Mengen an Pflanzenschutzmitteln wurden in den vergangenen fünf Jahren an öffentlichen Flächen ausgebracht? (Bitte um Auflistung von Wirkstoffmengen nach Wirkstoffgruppen in Tonnen)

b.    Wie definiert das BMLRT den, laut Regierungsprogramm angestrebten, "weitestgehenden Verzicht auf Pflanzenschutzmittel bei öffentlichen Flächen"?  

c.    Welche Reduktion von Pflanzenschutzmitteln auf öffentlichen Flächen strebt das BMLRT an? (Bitte um Angaben in Tonnen und/oder Prozent)

d.    Welche Maßnahmen hat das BMLRT seit Annahme der Entschließung 948/A(E)) am 26.09.2019 im Nationalrat ergriffen, um eine Reduktion des Einsatzes chemischer Pflanzenschutzmittel bei allen öffentlichen Institutionen, den Anstalten öffentlichen Rechts sowie Unternehmen und Gesellschaften mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes zu erwirken?

2.    Laut angenommener Entschließung 949/A(E) und Seite 155 im Regierungsprogramm soll der nationale Aktionsplan Pflanzenschutz unter anderem das Forschungsbudget für alternative Pflanzenschutzmaßnahmen aufstocken und Pestizidreduktionsziele weiterentwickeln.  

a.    Wie hoch ist das im nationalen Aktionsplan Pflanzenschutz 2017-2021 festgelegte Forschungsbudget für alternative Pflanzenschutzmaßnahmen?

b.    Wie hoch soll das im nationalen Aktionsplan Pflanzenschutz 2022-2026 festgelegte Forschungsbudget für alternative Pflanzenschutzmaßnahmen sein?

c.    Welche Forschungsprojekte im Bereich alternative Pflanzenschutzmaßnahmen sind im Aktionsplan Pflanzenschutz 2022-2026 geplant?

d.    Welche Maßnahmen hat das BMLRT seit Annahme der Entschließung 949/A(E)) am 26.09.2019 im Nationalrat ausgearbeitet, um die Forschung im Bereich integrierter Pflanzenschutz und Alternativen zum chemischen Pflanzenschutz zu fördern?

e.    Welche Maßnahmen hat das BMLRT seit Annahme der Entschließung 949/A(E)) am 26.09.2019 im Nationalrat ausgearbeitet, um die Entwicklung und Kommerzialisierung entsprechender Innovationen zu forcieren?

3.    Laut Anfragenbeantwortung 4645/AB vom 15.02.2021 wird die Weiterentwicklung des integrierten Pflanzenschutzes das zentrale Thema im Nationalen Aktionsplan Pflanzenschutz 2022-2026 darstellen. 

a.    Hat das Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren zum Nationalen Aktionsplan Pflanzenschutz 2022-2026, das gemäß der Bestimmung in der Richtlinie 2009/128/EG von den Bundesländern durchgeführt wird, bereits begonnen? 

                                  i.    Wenn nein, wann wird dieses beginnen?

                                ii.    Wie lange wird das Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren andauern?

                               iii.    Welche Kreise der Öffentlichkeit wie zum Beispiel Nichtregierungsorganisationen, Umweltorganisationen, etc. sollen im angesprochenen Verfahren gemäß Richtlinie 2003/35/EG ein Beteiligungsrecht haben? 

b.    Welche Ziele werden in Hinblick auf die Weiterentwicklung des integrierten Pflanzenschutzes bzw. alternativer Methoden oder Verfahren im Nationalen Aktionsplan 2022-2026 gesteckt?

c.    Die EU Kommission plant laut Farm 2 Fork Strategie im ersten Quartal 2022 eine revidierte Richtlinie betreffend die nachhaltige Verwendung von Pestiziden (2009/128/EG) vorzulegen. Liegen dem BMLRT bereits Informationen vor, welche Bestimmungen in einer überarbeiteten Richtlinie 2009/128/EG Niederschlag finden werden?