6576/J XXVII. GP

Eingelangt am 07.05.2021
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Anfrage

  

 

der Abgeordneten Georg Bürstmayr, Ewa Ernst-Dziedzic Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Inneres 

 

 

betreffend Polizeieinsatz bei der “Mayday” Demo am 1. Mai im Sigmund Freud-Park/Votivpark in Wien 

 

BEGRÜNDUNG

 

Während der „Mayday“ Demo am 1. Mai 2021 in Wien, bei deren Abschlusskundgebung im Sigmund-Freud/ Votiv Park zahlreiche Familien und Kinder anwesend waren, kam es im zu einem Polizeieinsatz gegenüber Demonstrant*innen, der von vielen Anwesenden als völlig überzogene und möglicherweise willkürliche Amtshandlung wahrgenommen wurde. Diese wurde durch Medienberichterstattung und zahlreiche Augenzeug*innenberichte dokumentiert. 

Während der Wiener Polizeipräsident Mag. Gerhard Pürstl vor wenigen Wochen seine zurückhaltende Einsatzstrategie bei Demonstrationen von Covid-19-Leugner*innen und Verharmloser*innen in einem ORF Interview mit dem Argument der Teilnahme von Familien und Kindern erklärte und davon sprach, eine derartige Demo nicht gewalttätig räumen zu wollen, selbst wenn dort Steine geworfen und Polizeiabsperrungen durchbrochen werden, war ein zurückhaltendes Vorgehen und die Verwendung der deeskalaierenden, polizeilichen 3D Strategie bei der „Mayday“ Demonstration nicht wahrnehmbar. Besonders negativ aufgefallen sind dabei Kärntner Polizeieinheiten. In sozialen Netzwerken sind zahlreiche Videoaufnahmen zu sehen, die von massiver polizeilicher Gewaltanwendung gegenüber Teilnehmer*innen zeugen. Mit solchen Videos sind auch die personengefährdende Verwendung von Pfefferspray, der Einsatz von Schlagstöcken, Beschimpfungen, Festnahmen und zahlreiche Identitätsfeststellungen dokumentiert. Es ist davon auszugehen, dass sich solche Videoaufzeichnungen auch im Besitz der LPD Wien befinden, da die Polizei während des gesamten Einsatzes filmte und die Bevölkerung dazu aufrief, Filmmaterial zu senden.

Die Tageszeitung „Die Presse“ berichtet etwa über eine Schilderung der Vorfälle auf twitter:

Ich war heute im Votivpark. Hab gemütlich die Sonne genossen. Mit Abstand und Maske, neben mir junge Leute, Familien, Schwangere, Kinder. Bis plötzlich die Wiese von der Polizei gestürmt wurde. Mit Kampfmontur, Pfefferspray, Hundebellen im Hintergrund.“

Soweit bisher bekannt ist und von der LPD Wien öffentlich erklärt wurde, war Auslöser der polizeilichen Gewaltanwendung der Einsatz von zwei Zivilpolizisten am Rande der Kundgebung bei der Votivkirche. Deren Auftreten wurde von Teilnehmer*innen als Agitation empfunden, da zunächst die Vermutung im Raum stand, dass es sich um Personen aus dem rechtsextremen Spektrum handelte. Die beiden sollen umstehende Personen zunächst provoziert und damit die ohnehin schon aufgeheizte Stimmung befördert und schließlich Umstehende mit Pfefferspray attackiert haben. (siehe https://twitter.com/PresseWien/status/1388924368441516036). Kurz darauf kam es zu Kesselung, Festnahmen, Pfefferspray und Schlagstockeinsatz. Auf Videos ist weiters ersichtlich, dass es seitens der Einsatzkräfte auch gegenüber außenstehenden Personen, darunter Journalist*innen, zu Pfeffersprayeinsätzen kam sowie zu Versuchen, Kameras zu entreißen, um die Dokumentation der Amtshandlungen zu verhindern.

Zu einem späteren Zeitpunkt kam es bei der nicht untersagten Kundgebung im Sigmund Freund-Park, auf der die meisten Teilnehmer*innen Abstand hielten und Masken trugen, bei so gut wie allen Personen zu Anhaltungen und Identitätsfeststellungen seitens der Polizei. Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende 

 

ANFRAGE

 

1.    Welche Einsatzstrategien wurden im Vorfeld der angemeldeten Demonstrationen und Kundgebungen am 1. Mai 2021 aufgrund der vorliegenden Gefährdungslagen vorbereitet? 

a.    Wie viele Polizeibeamt*innen waren aus welchen Bundesländern zum Dienst in Wien beigezogen worden?

2.    Inwiefern haben sich die Einsatzstrategien während des Tagesablaufes geändert, da während der Mittagszeit bereits absehbar war, dass es sich um geringere Teilnehmer*innenzahlen handelte als zunächst erwartet? 

3.    Aus welchen einsatztaktischen Gründen waren am Nachmittag mehrere Hundertschaften am Sigmund-Freud Park / Votiv Park bereitgestellt worden? Bitte eine Aufschlüsselung nach Anzahl der Beamt*innen und Herkunftsbundesländern.

4.    Aus welchen einsatztaktischen Gründen wurde die Hundestaffel im Votivpark/Sigmund-Freud Park eingesetzt? 

a.    Wie lange dürfen Hunde im Einsatz sein? 

b.    War dieselbe Hundestaffel im Einsatz, die zuvor bei den Demonstrationen der Covid-19 Leugner*innen im Einsatz war?

5.    Wie viele Zivilpolizist*innen waren während der gesamten MayDay Demonstration und Kundgebung im Einsatz und was waren die Gründe dafür? 

6.    Wie viele Beamt*innen des LVT und BVT waren bei der Mayday-Demonstration und der anschließenden Kundgebung im Einsatz? 

7.    Was war der Grund für die Auflösung der genehmigten Kundgebung im Votivpark/Sigmund Freud-Park?

8.    Waren zum Zeitpunkt der Räumung Kinder im Sigmund-Freud Park anwesend?

9.    Welche Überlegungen wurden im Zuge der Prüfung der Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme angestellt und wurde dabei die Anwesenheit von Kindern berücksichtigt?

10.  Anscheinend war auch das Anbringen eines Transparents auf der Votivkirche Anlass für polizeiliche Aktivitäten, auch wenn ein solcher Vorgang aus sicherheitspolizeilicher Sicht eher unspektakulär erscheint. Wieso wurde im Sinne der Deeskalation nicht davon abgesehen, gegen die Personen vorzugehen, die das Transparent auf der Votivkirche aufgehängt haben?

a.    Angeblich ging die Polizei von 100 Personen aus,  die angeblich das Gerüst erklimmen wollten. Ist das zutreffend und welche Informationen lagen dieser Annahme zugrunde?

11.  Die Eskalation des polizeilichen Einsatzes fand unter anderem aufgrund des Agierens zweier Zivilpolizisten statt.

a.    Wieso wurden dieselben Zivilbeamten sowohl auf der Demonstration gegen die Covid-19 Maßnahmen als auch im Bereich der Mayday Kundgebung im Votivpark eingesetzt? 

b.    Welche Aufgabe hatten diese Zivilbeamten?

c.     Wussten die Polizeieinheiten vor Ort, dass es sich hier um Zivilpolizisten handelt? 

                                  i.    Wenn nein, wieso nicht? 

                                 ii.    Wenn nein, wurde einer der beiden Beamten in Zivil von den uniformierten  Kolleg*innen zu irgend einem Zeitpunkt gewaltsam fixiert bzw. hätte festgenommen werden sollen?

                                iii.    Wenn ja, wieso wurden sie nicht unauffällig abgezogen? 

d.    Wurde die Einsatzzentrale in der LPD Wien vom Agieren der zwei Zivilpolizisten in Kenntnis gesetzt? 

                                  i.    Wenn ja: zu welchem Zeitpunkt?

e.    Auf welche Erkenntnisse stützt sich die Erklärung der LPD Wien, die Zivilpolizisten seien als solche von Kundgebungsteilnehmer*innen enttarnt und angegriffen worden? 

f.      Hat sich jener Beamte in Zivil, der Pfefferspray gegen die Demonstrant*innen eingesetzt hat, davor als Polizeibeamter zu erkennen gegeben?

                                  i.    Falls nein: entspricht eine solche Vorgehensweise dem WaffengebrauchsG und den dazu bestehenden Richtlinien?

                                 ii.    Hat der Beamte vor Einsatz des Pfeffersprays von gelinderen Mitteln Gebrauch gemacht?

g.    Auf Aufnahmen ist zu sehen, dass der Zivilpolizist für Außenstehende ohne einen ersichtlichen Grund Gebrauch von seinem Pfefferspray gemacht hat. Auf Basis welcher Erkenntnisse wurde über den LPD-Wien-Twitteraccount behauptet, der Pfefferspray-Einsatz des Zivilpolizisten habe nicht zur Eskalation der Situation bedeutend beigetragen?

h.    Wurde ein Disziplinarverfahren gegen den Zivilbeamten eingeleitet, der Pfefferspray eingesetzt hat?

12.  Wieso wurde im Sinne der Deeskalation nicht davon abgesehen, Demonstrant*innen über den gesamten Park hinterherzulaufen?

13.  Wer hatte die Einsatzführung über die Kärntner Einheiten? 

a.    Werden Einheiten, die aus den Bundesländern für Großdemonstrationen nach Wien berufen werden, speziell geschult?

14.  Es gibt Berichte, wonach Personen, die sich von der Polizei entfernten, von Exekutivbeamten als „Feiglinge“ und ähnliches beschimpft wurden. 

a.    Sind Ihnen diese Vorwürfe bekannt und wurde diesbezüglich eine Untersuchung eingeleitet?

b.    Sind solche Beschimpfungen im Einsatzbericht zu vermerken und ist das in diesem Fall geschehen?

c.     Entspricht die Beschimpfung von Demonstrationsteilnehmer*innen durch Exekutivbeamt*innen einem richtlinienkonformen Vorgehen?

15.  Wieso wurden Personen während den Amtshandlungen mit Kabelbindern gefesselt?

16.  Während der Auflösung der Kundgebung im Votivpark / Sigmund Freud Park kam es zu einem ungewöhnlich massiven Einsatz von Pfefferspray. 

a.    Wieso wurde seitens der Polizei Pfefferspray eingesetzt, obwohl Leute weggelaufen sind?

b.    Haben Polizist*innen Pfefferspray nach eigenem Ermessen eingesetzt, oder gab es für alle Verwendungen einen Einsatzbefehl?

                                  i.    wenn ja: kam dieser von Einsatzleiter*innen vor Ort oder aus der Leitzentrale der LPD Wien?

                                 ii.    wenn nein: welche Konsequenzen zieht der Einsatz nach sich? 

c.     Sind Disziplinar- oder Ermittlungsverfahren gegen jene Beamt*innen eröffnet worden, die Pfefferspray gegen Unbeteiligte eingesetzt oder Unbeteiligte gestoßen haben sollen?

d.    Aus welchem Grund wurde in den Lautsprecherwägen Pfefferspray eingesetzt?

e.    Wie viele Polizist*innen und Beamt*innen in Zivil wurden mit Pfefferspray verletzt?

f.      Wie viele Liter Pfefferspray wurden während des Einsatzes verwendet?

17.  Auf umfangreichem Bildmaterial ist zu sehen, dass Personen, welche den polizeilichen Einsatz und die einzelnen Amtshandlungen dokumentierten, behindert wurden, obwohl aufgrund der Entfernung der betroffenen Personen nicht davon auszugehen war, dass sie mögliche Amtshandlungen verhindern würden und könnten. 

a.    Wieso wurde eine Fotografin an den Füßen von einem Auto gerissen, wie auf einer Videoaufnahme zu sehen ist? 

b.    Aus welchem Grund wurde die selbige festgenommen anstatt eine Identitätsfeststellung vor Ort durchgeführt?

                                  i.    Wieso wurde die Person, die diese Szenen gefilmt hat, festgenommen? 

                                 ii.    Wieso war jene Person 3 Tage in Haft und was wird ihr vorgeworfen?

c.     Wieso wurde ein klar erkennbarer Foto-Journalist in einen Busch gestoßen? 

d.    Aus welchem Grund wurde Pfefferspray gegen einen Journalisten, von dem keine Behinderung von Amtshandlungen anzunehmen war, frontal eingesetzt?

e.    Kam es rund um den Einsatz im Sigmund Freud Park/ Votivpark zu Identitätsfeststellungen und Anzeigen von Journalist*innen?

                                  i.    Wenn ja: aus welchen Gründen?

18.  Medien- und Augenzeugenberichten zufolge wurde Sanitäter*innen der Zugang zu Verletzten verwehrt. Ist dies zutreffend?

a.    Wenn ja, aus welchen Gründen? 

b.    Wie viele Polizeisanitäter*innen waren im Bereich des Sigmund-Freud-Parks im Einsatz?

c.     Wie viele Demonstrant*innen wurden durch Polizei-Sanitäter*innen versorgt?

d.    Wurde durch die Polizei der Rettungsdienst alarmiert? 

                                  i.    Wenn ja: Wann wurde durch die Polizei der Rettungsdienst alarmiert

                                 ii.    wenn nein: wieso nicht? 

19.  Wurden verletzte Demonstrant*innen im oder rund um Krankenhäuser aufgesucht und durchsucht?

a.    Wenn ja: wieso? 

20.  Zu wie vielen Identitätsfeststellungen kam es am 1.Mai im Sigmund Freud Park / Votivpark und aus welchen Gründen? 

21.  Wie viele Personen wurden auf der Kundgebung im Votivpark festgenommen? 

a.    Was wurde ihnen vorgeworfen? 

b.    Wie viele der verhafteten Personen wurden erkennungsdienstlich behandelt und auf welcher rechtlichen Grundlage geschah dies?

c.     Wie viele Inhaftierte benötigten ärztliche Behandlung?

22.  Wie viele Personen wurden am 1. Mai 2021 auf der Kundgebung gegen die Covid-19 Maßnahmen verhaftet? 

a.    Aus welchen Gründen? 

b.    Wie viele der verhafteten Personen wurden erkennungsdienstlich behandelt worden und auf welcher rechtlichen Grundlage geschah dies?

23.  Zu einem späteren Zeitpunkt kam es im Votivpark zusätzlich zu Kontrollen und Anzeigen nach der Covid-19 Verordnung. 

a.    Gab es im Vorhinein Durchsagen der Polizei, mit dem Hinweis, dass die entsprechenden Vorschriften eingehalten werden müssen?

24.  Werden Sie angesichts der zahlreichen Vorwürfe unangemessenen polizeilichen Handelns bei der Mayday Demonstration eine externe Evaluierung seitens des Menschenrechtsbeirates anregen? 

25.  Welche internen Evaluierungen bzw. Untersuchungen der Vorfälle werden durchgeführt? Welche Konsequenzen für künftige Demonstrationen werden aus diesen abgeleitet?

26.  Wurden aufgrund der Vorfälle Disziplinarverfahren eingeleitet bzw. Anzeigen gegen Exekutivbeamt*innen an die zuständige Staatsanwaltschaft übermittelt?

a.    Falls ja in welcher Zahl und wegen welcher Sachverhalte?

27.  Was geschieht mit dem durch die LPD Wien entstanden und von Bürger*innen zugesandten Filmmaterial?

a.    Wird dieses Material für erkennungsdienstliche Zwecke ebenfalls verwendet?