6579/J XXVII. GP
Eingelangt am 10.05.2021
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Anfrage
der Abgeordneten Mag. Gerald Hauser
und weitere Abgeordnete
an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
Der Skandal um hunderttausende vermutlich nicht valide und falsche COVID-19-Testergbenisse zieht immer weitere Kreise. Der Standard titelt „Tiroler PCR-Testskandal wirft immer neue Fragen auf“, die Kleine Zeitung „Skandal in Tirol - Betrugsverdacht: Hunderttausende PCR-Tests zweifelhaft“, das Online-Medium Exxpress „Wegen "Fake-News" bei Corona-Tests waren 750.000 Tiroler eingesperrt“, und jetzt stürzen sich auch noch ausländische Medien wie die FAZ auf diesen Skandal („Raumschifftrucks und andere Merkwürdigkeiten“).
Der Schaden für Tirol und für Österreich ist immens. Die seit November von der AGES, der EU und der WHO veröffentlichten Infektionszahlen aus Tirol und damit aus Österreich sind vermutlich falsch. Das führt jetzt schon zu einem massiven Vertrauensverlust in die Österreichischen Behörden sowie die Regierungen in Innsbruck und Wien.
Der Skandal wird aber auch zunehmend zu einem riesigen Imageproblem für den Tiroler und österreichischen Tourismus und damit zu einem wohl existentiellen Problem für die heimische Wirtschaft werden. Wer soll noch nach Österreich auf Urlaub fahren, wenn er davon ausgehen muss, dass die hier gemeldeten Infektionszahlen falsch sind?
Verantwortlich für die Durchführung der PCR-Tests in Tirol sind einerseits die Tiroler Landesregierung als direkter Auftraggeber, andererseits natürlich das Gesundheitsministerium als oberste Behörde, Gesetzgeber und Aufsichtsbehörde (§ 68 Medizinproduktegesetz).
Die renommierte Virologin Universitätsprofessor Dr. Dorothee van Laer von der Medizinischen Universität Innsbruck bestätigte mittlerweile im ORF, dass sie wochenlang erfolglos versucht habe, herauszufinden, wer bei der Firma HG Pharma befundet. Sie zweifelt daher ebenfalls an der Qualität der Arbeit, die bei dem Unternehmen geleistet wird, und hat die Zusammenarbeit deshalb nach kurzer Zeit eingestellt.
In Österreich sind Qualitätsstandards freiwillig. Die Situation verschlechterte sich laut Aussagen von Universitätsprofessor Dr. Dorothee van Laer durch eine Verordnung des Gesundheitsministeriums im Vorjahr zusätzlich. Das Epidemiegesetz wurde um den § 28c erweitert, wodurch von da an nicht nur fachärztlich geführte humanmedizinische Einrichtungen Testungen – egal ob PCR oder Antigen – durchführen dürfen, sondern auch "naturwissenschaftliche Einrichtungen". Dennoch gilt, dass ein Labormediziner die PCR-Tests befunden muss. Und genau das bleibt im Fall der HG Pharma weiter unklar.
Mit anderen Worten: wir haben in Österreich prinzipiell ein riesiges Problem mit der Qualität und der Kontrolle von COVID-19-Test-Laboren. Unter file:///C:/Users/hannes/AppData/Local/Temp/210224_laborliste.pdf listet das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz alle fachärztlich geführten humanmedizinischen Labore, die SARS-CoV-2 testen, auf. Auf dieser Liste ist auf Seite 3 auch die Firma HG Pharma in Wien aufgeführt.
Was diese Liste des Ministeriums aber extrem befremdlich macht, ist der kleingedruckte Disclaimer auf Seite 1. Dort steht wörtlich:
„Disclaimer: Diese Liste des BMSGPK über Angaben zu testenden Labors wurde als Serviceleistung erstellt, sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stellt auch keine Empfehlung seitens des BMSGPK für die aufgelisteten Labors dar. Das alleinige Kriterium für die Aufnahme in die Liste war eine Selbstmeldung der Labore, Aussagen über die Qualität und Validität der Testergebnisse, die in den Labors durchgeführt werden, sind damit nicht verknüpft. Die Liste wurde auf Basis der EMS Datenbank, der Ärzteliste der Ärztekammer und der Liste der Österreichischen Gesellschaft für Laboratoriumsmedizin und klinische Chemie erstellt. Diese Liste ist nicht permanent. Es befinden sich gegenwärtig noch eingelangte Labormeldungen in Bearbeitung. Die Liste wird laufend aktualisiert. Zuletzt aktualisiert am 24.2.2021.“
Im Klartext: das Gesundheitsministerium führt auf seiner Homepage eine offizielle Liste aller „fachärztlich geführten humanmedizinischen Labore, die SARS-CoV-2 testen“. Diese Labore müssen vom Gesundheitsministerium regelmäßig per Gesetz überprüft und überwacht werden, aber gleichzeitig schreibt das Gesundheitsministerium, dass es „keine Aussagen über Qualität und Validität der Testergebnisse“ trifft! Genau diese aussagen muss es aber per Gesetz machen!
Es ist daher davon auszugehen, dass die Aussage von Universitätsprofessor Dr. Dorothee van Laer voll zutrifft, nämlich dass es in Österreich große Mängel, was die Qualitätsprüfung von Laboren betrifft, gibt. Somit besteht wohl die Gefahr, dass die Firma HG Pharma kein Einzelfall bleiben wird und dass auch andere COVID-19-Testlabore falsche Ergebnisse lieferten und weiter liefern.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz folgende
1. Wann und wie oft wurde die Firma HG Pharma gem. § 68 Ziffer 2 MPG überwacht und geprüft?
2. Welches Organ des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen, des BMSGPK (Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) bzw. durch von diesen beauftragte Sachverständige führte diese Überprüfungen durch?
a. Wurde die Firma HG Pharma überhaupt von einem Organ des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen, des BMSGPK oder durch von diesen beauftragte Sachverständige überprüft?
b. Wie und wann wurde die Qualität der Testergebnisse der Firma HG Pharma (§ 68 MPG Ziffer 4) von einem Organ des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen, des BMSGPK oder durch von diesen beauftragte Sachverständige überprüft?
3. Gem. § 68 Ziffer 5 MPG kann die Überwachung von Einrichtungen des Gesundheitswesens unter Bedachtnahme auf das jeweilige Gefährdungspotential systematisch, stichprobenweise oder im Anlassfall erfolgen, wie erfolgte die Überwachung der Firma HG Pharma?
4. Gem. § 68 Ziffer 5 MPG muss bei einem Verstoß gegen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder auf seiner Grundlage erlassener Verordnungen der Firma HG Pharma die Behebung von Mängeln innerhalb einer angemessenen Frist aufgetragen werden, erfolgte so eine Beauftragung seitens des BMSGPK?
5. Ist bei der Überwachung der Firma HG Pharma jemals ein Verstoß gegen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder auf seiner Grundlage erlassener Verordnungen festgestellt worden?
6. Waren das Leben und die Gesundheit der Tirolerinnen und Tiroler seit November 2020 gefährdet, weil von der Firma HG Pharma falsch negativ Getestete nicht in Quarantäne geschickt wurden und somit die Gesundheit und das Leben aller Kontaktpersonen gefährdeten?
7. Wurden vom BMSGPK hinsichtlich der Tests der Firma HG Pharma bereits Maßnahmen zum Schutz des Lebens und der Gesundheit dieser Personen (bezugnehmend auf die Frage 6) getroffen?
8. Haben Organe des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen, des BMSGPK und die gemäß Abs. 2 beauftragten Sachverständigen bereits alle erforderlichen Unterlagen und Auskünfte von der Firma HG Pharma eingeholt, die den Schutz der Tiroler Bevölkerung hinsichtlich falscher Testergebnisse betreffen?
9. Über welche Zertifizierungen und Akkreditierungsnummern, die Rückschlüsse auf die Qualität der geleisteten Arbeit zulassen, verfügt die Firma HG Pharma, und seit wann?
a. Welche Person und welche Institution haben die Zertifizierung und Akkreditierung vorgenommen?
b. Fand eine ordentliche Zertifizierung und Akkreditierung des medizinischen Labors der Firma HG Pharma durch einen entsprechenden Facharzt statt?
c. Fand eine stringente Überprüfung des Labors, insbesondere hinsichtlich einer Begehung des Labors/Labtrucks vor Ort, Überprüfung der gesetzlichen Erfordernisse, Überprüfung der kompletten Einschulung aller Mitarbeiter in die Geräte und Prozesse des Labors, Überprüfung der Qualität des Labors hinsichtlich Ausstattung, Reagenzien, Befundung, Abfallentsorgung, Sicherheitsmaßnahmen (wie z.B. Verhinderung von Infektionen) sowie der Ausbildung und Qualifikation aller Mitarbeiter statt?
10. Welcher Facharzt für medizinische und chemische Labordiagnostik hat seit wann und wie lange die Befundung der Testergebnisse der Firma HG Pharma durchgeführt?
11. Die Partnerschaft der Firma HG Pharma mit der Salzburger Procomcure Biotech wurde von der Firma Procomcure Biotech beendet, weil HG Pharma Rechnungen nicht bezahlte. Mittlerweile ist ein Gerichtsverfahren mit Forderungen gegen HG Pharma in Millionenhöhe anhängig. Somit ist aber völlig offen, woher die Firma HG Pharma die Reagenzien für ihre PCR-Tests und Gen-Sequenzierungen bezog.
a. Ist bekannt woher die Firma HG Pharma ihre Reagenzien bezog?
b. Falls ja, woher kamen die Reagenzien für die PCR-Tests und für die Gensequenzierungen?
c. Hat die Firma HG Pharma überhaupt Reagenzien in ausreichender Menge und Qualität für die angeblichen hunderttausenden PCR-Tests und Gensequenzierungen erhalten?
d. Sind alle Test von HG Pharma wirklich durchgeführt worden?
12. Hat das BMSGPK Gem. § 68 MPG Ziffer 10 unter dem Gesichtspunkt einer zweckmäßigen und wirksamen Kontrolle jeweils für das folgende Kalenderjahr eine Richtlinie über die Durchführung der Überprüfungen (Inspektionsplan) zu erlassen?
a. Welchen Prüfplan gab es für die Firma HG Pharma für die Jahre 2020 und 2021?
b. Gab es überhaupt einen Prüfplan?
c. Wie lautet der Prüfplan für alle fachärztlich geführten humanmedizinischen Labore, die SARS-CoV-2 testen?
d. Gab und gibt es für die Jahre 2020 und 2021 überhaupt einen für alle fachärztlich geführten humanmedizinischen Labore, die SARS- CoV-2 testen?
13. Welche Qualitäts- und Sicherheits-Standards müssen alle fachärztlich geführten humanmedizinischen Labore, die SARS-CoV-2 testen, erfüllen?
a. Gibt es seitens des BMSGPK überhaupt einen Kriterienkatalog, den alle diese Labore erfüllen müssen?
b. Welche personellen Kriterien müssen diese Labore erfüllen?
c. Erfolgt insbesondere die Befundung in allen medizinischen und naturwissenschaftlichen Einrichtungen in Österreich, die COVID-19-Tests durchführen, immer und ausnahmslos durch einen oder mehrere Fachärzte für medizinische und chemische Labordiagnostik?
14. Welches Marktüberwachungsprogramm gem. § 68 MPG Ziffer 12 hat das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen, entsprechend den Vorgaben des BMSGPK, für die COVID-19-Tests in allen medizinischen und naturwissenschaftlichen Laboren in Österreich erstellt?
a. Wann und wie wurden diese Marktüberwachungsprogramme und aktualisiert?
b. Wann und wie wurden diese Marktüberwachungsprogramme durchgeführt?
c. Gab und gibt es überhaupt so ein Marktüberwachungsprogramm zu den COVID-19-Tests, bei PCR-Tests und Mutationssequenzierungen, in Österreich?
d. Wurde ein solches Marktüberwachungsprogramm zu den COVID-19-Tests in Österreich, wie gesetzlich im § 68 Ziffer 12 MPG vorgeschrieben, dem Bundesminister für Gesundheit zur Genehmigung vorgelegt?
e. Wurde es vom Gesundheitsminister genehmigt? (betrifft d.)
i. Wenn ja, wann?
ii. Wenn nein, warum nicht?
15. Wann und wie regelmäßig wurde die Funktionsweise der Marktüberwachungstätigkeit des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen hinsichtlich aller COVID-19-PCR-Tests in Österreich vom BMSGPK gem. § 68 MPG Ziffer 13 überprüft und bewertet?
a. Wurden die Ergebnisse dieser Überprüfungen, wie in § 68 MPG Ziffer 13 gesetzlich vorgeschrieben, den anderen Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission mitgeteilt?
b. Mit welchen elektronischen und Kommunikationsmitteln sowie gegebenenfalls anderen Mitteln wurden diese Ergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht?
16. Ist es möglich, in die Prüfergebnisse und den Prüfplan der österreichischen Behörden hinsichtlich der Firma HG Pharma sowie die Inspektionspläne und Marktüberwachungsprogramme aller COVID-19-Testlabore Einsicht zu nehmen?
17. Warum führt das BMSGPK eine Liste aller COVID-19-Test-Labore in Österreich, erklärt aber gleichzeitig, dass Aussagen über die Qualität und Validität der Testergebnisse, die in den Labors durchgeführt werden, damit nicht verknüpft sind?
a. Ist das BMSGPK für die Qualität und Validität der Testergebnisse verantwortlich?
b. Hat das BMSGPK die Labors auf der Liste einmal überprüft?
i. Wenn ja, welche?
ii. Täuscht das BMSGPK hier mit seiner Liste nicht eine Art von Qualität der aufgelisteten Testlabors vor, die es gar nicht gibt?
iii. Wird hiermit nicht den Lesern der Homepage des BMSGPK eine falsche Sicherheit vorgetäuscht?