6594/J XXVII. GP

Eingelangt am 12.05.2021
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Anfrage

 

des Abgeordneten Mario Lindner, Genossinnen und Genossen,

an die Bundesministerin für Justiz

 

betreffend Opfer homophober Strafgesetze

 

Im Jahr 2021 jährt sich die Entkriminalisierung von homosexuellen Handlungen unter Erwachsenen durch die Kleine Strafrechtsreform der Regierung Kreisky I zum 50. Mal. Österreich war damals eines der letzten europäischen Länder, das diesen wichtigen Schritt zur Gleichstellung von Homosexuellen setzte.

 

Doch mit dem Ende der §§ 129 I b (Tat) und 130 (Strafmaß) zum Verbot von "Unzucht wider die Natur mit Personen desselben Geschlechts" traten vier neue Strafrechtsparagraphen in Kraft, die die Rechte dieser Personengruppe noch für lange Zeit einschränkten:

·         § 210 StGB, das Verbot männlicher Prostitution (vor der Großen Strafrechtsreform 1975 § 500 StGB)

·         § 220 StGB, das Verbot von „Werbung für Unzucht mit Personen des gleichen Geschlechts“ (vor der Großen Strafrechtsreform 1975 § 517 StGB)

·         § 221 StGB, das Verbot von „Verbindungen zur Begünstigung gleichgeschlechtlicher Unzucht“ (vor der Großen Strafrechtsreform 1975 § 518 StGB)

·         § 209 StGB, das Verbot von "Gleichgeschlechtliche Unzucht mit Personen unter 18 Jahren" (vor der Großen Strafrechtsreform 1975 § 129 I StGB)

 

Während § 210 StGB bereits 1989 und §§ 220 und 221 StGB im Jahr 1997 aufgehoben wurden, blieb § 209 und damit die Festsetzung von unterschiedlichsten Mindestaltern zwischen homo- und heterosexuellen Beziehungen bis zu einem Urteil des Verfassungsgerichtshofes im Jahr 2002 in Kraft. Seit Beginn der zweiten Republik wurden tausende Menschen wegen einem dieser Paragraphen angezeigt und verurteilt. Für viele von ihnen bedeutete eine Verurteilung nicht nur öffentliche Stigmatisierung, sondern auch den Verlust von Arbeitsplätzen und Einkommen. Bis heute gibt es, anders als in Deutschland, wo dieser Schritt 2015 gesetzt wurde, keinen Anspruch auf Entschädigung auf Basis einer Einzelfallprüfung für diese Personen. Zum 50. Jubiläum der Entkriminalisierung würde genau das die Republik den homophob verfolgten Personen, die heute noch am Leben sind, schulden.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

Anfrage:

 

1.    Wie viele Verurteilungen wurden während des Geltungszeitraums des Verbots von "Unzucht wider die Natur mit Personen desselben Geschlechts" (während der Zweiten Republik) verurteilt? Bitte um detaillierte Auflistung nach Jahr, Geschlecht und wenn möglich Bundesland.

a.    Kann das Bundesministerium nachvollziehen, wie viele dieser Personen zum Zeitpunkt der Anfragestellung noch am Leben sind?

2.    Wie viele Verurteilungen wurden während des Geltungszeitraums des Verbot männlicher Prostitution nach § 210 StGB (bis 1975 § 500 StGB) verurteilt? Bitte um detaillierte Auflistung nach Jahr, Geschlecht und wenn möglich Bundesland.

a.    Kann das Bundesministerium nachvollziehen, wie viele dieser Personen zum Zeitpunkt der Anfragestellung noch am Leben sind?

3.    Wie viele Verurteilungen wurden während des Geltungszeitraums des Verbots von „Werbung für Unzucht mit Personen des gleichen Geschlechts“ (§ 220 StGB; bis 1975 § 517 StGB) verurteilt? Bitte um detaillierte Auflistung nach Jahr, Geschlecht und wenn möglich Bundesland.

a.    Kann das Bundesministerium nachvollziehen, wie viele dieser Personen zum Zeitpunkt der Anfragestellung noch am Leben sind?

4.    Wie viele Verurteilungen wurden während des Geltungszeitraums des Verbots von „Verbindungen zur Begünstigung gleichgeschlechtlicher Unzucht“ (§ 221 StGB; bis 1975 § 518 StGB) verurteilt? Bitte um detaillierte Auflistung nach Jahr, Geschlecht und wenn möglich Bundesland.

a.    Kann das Bundesministerium nachvollziehen, wie viele dieser Personen zum Zeitpunkt der Anfragestellung noch am Leben sind?

5.    Wie viele Verurteilungen wurden während des Geltungszeitraums des Verbots von "Gleichgeschlechtliche Unzucht mit Personen unter 18 Jahren" (§ 209 StGB; bis 1975 § 129 I StGB) verurteilt? Bitte um detaillierte Auflistung nach Jahr, Geschlecht und wenn möglich Bundesland.

a.    Kann das Bundesministerium nachvollziehen, wie viele dieser Personen zum Zeitpunkt der Anfragestellung noch am Leben sind?

6.    Sind im Zuge der laufenden Gesetzgebungsperiode seitens Ihres Ministeriums Regierungsvorlagen zur Ermöglichung einer Entschädigungszahlung für, nach den in der Anfrage genannten Strafrechtsartikeln verurteilten, Personen geplant?

a.    Wenn ja, wann wird eine solche Vorlage vorgelegt?

b.    Wenn nein, warum nicht? Bitte begründen Sie Ihre Antwort.