6608/J XXVII. GP

Eingelangt am 14.05.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Elektronischer Ausweis für Bauarbeiter - das Kaufhaus Österreich der Ausweise

 

Die Schwarzarbeit hat während der Krise deutlich zugenommen. Eine aktuelle Studie zeigt, dass die Schattenwirtschaft auf 25,7 Milliarden Euro angestiegen ist, womit der Schwarzarbeitsanteil am gesamten Bruttoinlandsprodukt (BIP) ein Plus auf 7,15 Prozent erfährt(1). Durch Schwarzarbeit entgehen dem Staat jährlich zwischen zwei und 3,5 Milliarden Euro durch Steuer- und Sozialversicherungsausfälle (2). Doch ist Schwarzarbeit nichts neues. Das Institut für Höhere Studien (IHS) schätzt in einer Studie den Wertschöpfungsentgang zum Beispiel für die österreichische Bauwirtschaft zwischen 512 und 1.310 Mio. Euro jährlich, den daraus resultierenden Entgang an Steuern und Sozialabgaben zwischen 199 bis 508 Mio. Euro jährlich. Das Potenzial für Auswirkungen auf die legale Beschäftigung liegt der Studie zufolge zwischen 5.800 und 22.500 Arbeitsplätzen.

Anders als Österreich haben mehrere EU-Länder in den letzten Jahren Systeme und Teilsysteme implementiert, um der Problematik zu begegnen. In Österreich dagegen wurde nicht einmal ein Versuch unternommen, ein derartiges System neutral zwischen den Stakeholdern und mit Einbeziehung aller Stakeholder und ihrer jeweiligen Interessen zu etablieren. Von kausaler Bedeutung für das Problem ist auch die komplexe Kompetenzverteilung zwischen den öffentlich-rechtlichen Stakeholdern, sowie Überschneidungen in den Kompetenzen, was Kontrollen betrifft, nämlich zwischen, Finanzpolizei / BMF, BUAK/ BMASGK und den SV-Trägern/ BMSGPK. Experten empfahlen deshalb, das Projekt in der Analysephase im BMDW anzusiedeln, doch die Sozialpartner haben sich unter der Schwarz-Blauen Regierung schlussendlich anders entschieden und das Projekt an sich gezogen. Zu diesem Zweck wurde die Bau-ID GmbH ins Leben gerufen, eine Tochtergesellschaft der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK). Die BUAK ist eine Institution der Sozialpartner und ihre Hauptaufgabe liegt in der Verwaltung der Urlaubs- und Abfertigungsansprüche und der Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigung. Im BUAK-Vorstand finden sich entsprechend Schwergewichte wie Bau-Holz-Gewerkschaftschef Josef Muchitsch und für die Bundesinnung Bau in der Wirtschaftskammer Bauunternehmer Hans-Werner Frömmel.

Laut Webseite liegt das Hautaugenmerk der Bau-ID GmbH in folgenden Punkten: "Die Bau-ID GmbH ist eine 100% Tochter der Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK), wurde per 19.2.2020 gegründet und ist ein moderner, schlanker und effizienter Dienstleister für die gesamte Baubranche. Als gemeinschaftliches Projekt aller Stakeholder innerhalb der Bausozialpartnerschaft wurde das Unternehmen mit dem Ziel gegründet, einen eigenen aber von allen Marktteilnehmern unabhängigen Software-Dienstleister zu schaffen, welcher in Folge die Unternehmen dabei unterstützt, die gesetzlich notwendigen Verpflichtungen im Rahmen der Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping auf österreichischen Baustellen zu erfüllen." (3)

Neben der BUAG sind auch die Wirtschaftskammer, das Arbeitsministerium als Aufsichtsbehörde über die BUAK und das Finanzministerium für die Finanzpolizei involviert. Wie die mediale Berichterstattung zeigt, ist das aufwendig beschriebene Unterfangen der BAU-ID gehörig ins Wanken geraten, sowohl was den Fahrplan als auch die Konzeption betrifft und entpuppt sich laut Experten zu einem Kaufhaus Österreich 2.0. Nach Angaben des Standard wurden die Teilprojekte Software, Identitätsprüfung und Payment Services im Frühjahr 2020 ausgeschrieben, im Herbst fand erneut eine Markterkundung statt. Einzig nach einem Chipkartenlieferanten wird kein zweites Mal gesucht.

Das Volumen der drei Teilausschreibungen für Software-, Bezahl- und Identifizierungssystem wird in der Branche auf 2,9 bis 3,3 Millionen Euro geschätzt – genau in dieser Kleinteiligkeit orten mit komplexen Projekten – es müssen pro Jahr hunderttausende Bauarbeiter auf österreichischen Baustellen registriert werden – vertraute IT-Experten ein großes Risiko. Fachexperten sehen nicht die Sinnhaftigkeit, warum ein solches Unterfangen in unterschiedlichen Ausschreibungen avisiert wird. (4)

Neben der fragwürdigen Ausgestaltung des Ausschreibungsprozess ist die gesamte Ausgestaltung der BAU ID und die Lösung durch die Bau-ID Gmbh aus mehreren Gründen fraglich. In Österreich gibt es bereits ein Arbeitsinspektorat, das für alle Branchen zuständig ist und eine Finanzpolizei. Die Notwendigkeit einer zusätzlichen Institution, die noch dazu losgekoppelt von bisherigen Einrichtungen arbeitet, ist nicht ersichtlich. Zusätzlich führt die Schaffung der GmbH zu einer Auslagerung von staatlichen Aufgaben auf eine private Einrichtung, was jeglicher Logik widerspricht. Die Gesetzesänderungen, die für die Einrichtung der Plattform in der BUAK nötig sind, müssten für jede Branche ebenfalls eingeführt werden, was einen überbordenden bürokratischen Aufwand zur Folge hätte oder die Einrichtung mehrfacher Plattformen für jede Branche in den jeweiligen Ministerien und nachgeordneten Organisationen bedeuten würde. Das sorgt für eine falsche Aufgabenverteilung zwischen BMF (Finanzpolizei, Amt für Betrugsbekämpfung) und Sozialpartnern.

Quellen:

(1) https://www.kleinezeitung.at/wirtschaft/5899767/Auf-257-Milliarden-Euro_In-der-Krise-massiver-Anstieg-der

(2) https://www.diepresse.com/5939004/der-pfusch-als-gewinner-der-krise

(3) https://bauid.at/impressum/

(4) https://www.derstandard.at/story/2000124091206/herumdoktern-am-elektronischen-ausweis-fuer-bauarbeiter

(5) https://www.derstandard.at/story/2000125134224/elektronischer-bauarbeiterausweis-haengt-am-seidenen-faden

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Wer ist in ihrem Ministerium für das Projekt BAU-ID verantwortlich?

2.    Wer trägt für das Projekt BAU-ID die Verantwortung in der Bundesregierung?

3.    Welche Aufgaben übernimmt ihr Ministerium in der Konzeption der BAU-ID?

4.    Welche Aufgaben hat ihr Ministerium, seit 2017 in der Konzeption der BAU-ID erledigt?

5.    Warum ist das BRZ nicht involviert?

6.    Warum benötigt es eine Kontrollbehörde in der Baubranche, die entkoppelt von Finanzpolizei arbeitet?

7.    Wird die Finanzpolizei in der Bauchbranche nach der Einführung der BAU-ID keine Kontrollen mehr durchführen?

8.    Was ist der aktuelle Stand zur Einführung der Bau-ID?

9.    Für welchen Zeitpunkt ist die Einführung der Bau-ID geplant?

10. Entspricht die Ausgestaltung der Bau-ID dem EU-Governance Act?

11. Welches Budget ist für die Ausgestaltung der Bau-ID in ihrem Ministerium vorgesehen?

12. Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen für die Bau-ID geschaffen werden?

13. Konzipiert die österreichische Bundesregierung mehrere LSD Betrugsbekämpfungs-Plattformen, verteilt auf verschiedene Ministerien und nachgeordnete Organisationen?

14. Warum wird das Projekt BAU-ID von den Sozialpartnern erarbeitet?

15. Welche Aufgabe übernimmt die Bau-ID Gmbh?

a.    Welches Budget ist bisher an die Bau-ID Gmbh geflossen und für welche Zwecke?

b.    Aus welchem Budgetposten wurde das Budget für die Bau-ID genommen?

c.    Welche Daten sind vom Ministerium an die Bau-ID Gmbh übermittelt worden?

                                  i.    Auf welchem Gesetz basiert die Datenweitergabe?