6619/J XXVII. GP

Eingelangt am 17.05.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Andreas Ottenschläger

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie

betreffend europäische Standards für die Schiene als Grundlage der Wettbewerbsfähigkeit unserer Bahn

Im „System Bahn“ gibt es aus historischen Gründen sowohl beabsichtigte als auch unbeabsichtigte Unterschiede auf nationaler Ebene. Durch die EU-Gesetzgebung im Eisenbahnbereich sollte bereits heute ein „einheitlicher europäischer Eisenbahnraum/Single European Railway Area“ (SERA) bestehen. In der Praxis existiert dieser jedoch aufgrund bewahrender nationalstaatlicher Interessen nicht!

Dies führt zu erheblichen Problemen für die im internationalen Schienengüterverkehr tätigen Eisenbahnverkehrsunternehmen: Hohe Komplexität, unterschiedliche Prozesse, erhöhter Zeit- und Schulungsaufwand, sowie natürlich auch höhere Kosten. Das Resultat ist ein künstlich geschaffener Wettbewerbsnachteil für einen Verkehrsträger, der eine sehr gute CO2-Bilanz vorweisen kann.

Über die letzten 25 Jahre versuchte die Europäische Kommission durch vier sogenannte „Eisenbahnpakete“ und begleitende Gesetzgebung den europäischen Schienenraum gerade im Vergleich zur Straße wettbewerbsfähig zu machen. Die EU hat 2021 zum "Europäischen Jahr der Schiene" erklärt, um den Umstieg auf die Bahn als sicheres und nachhaltiges Verkehrsmittel zu fördern. Im heurigen Jahr werden zusätzlich die Eckpfeiler des Einheitlichen Europäischen Schienenraums (TEN-V, Kombinierter Verkehr und Schienenfrachtkorridore) überarbeitet werden.

Die Bestrebungen der Europäischen Kommission, den umweltfreundlichen Verkehrsträger Schiene zu einer echten Alternative zur Straße zu machen, ruhen dabei im Wesentlichen auf 3 Säulen: Öffnung der Märkte für Wettbewerb, Verbesserung der Interoperabilität zwischen den nationalen Netzen und die Weiterentwicklung der Schieneninfrastruktur.

Angesichts der bekannten Transitfunktion unsers Landes und einer ambitionierten Klimapolitik der Bundesregierung hat die Republik Österreich ein hohes Interesse an einem funktionierenden, wettbewerbsfähigen und vor allem einheitlichen europäischen Schienenraum.

Schieneninfrastruktur

Während nur 6% der Passagierzüge in Europa grenzüberschreitend operieren, sind es laut dem jüngsten „Rail Market Monitoring“ der Europäischen Kommission über 50% im Güterzugbereich. Um die im Weißbuch Verkehr 2011 festgeschriebenen Ziele (Verlagerung des LKW Verkehrs über 300km um 30% bis 2030 auf die Schiene, 50% bis 2050) zu erreichen, muss die Schiene allerdings gerade im grenzüberschreitenden Güterverkehr attraktiver werden. Dazu müssen in erster Linie die bestehenden nationalen Hürden im grenzüberschreitenden Schienenverkehr so schnell wie möglich abgebaut werden, um eine zur Straße vergleichbare Planbarkeit, Pünktlichkeit und Leistbarkeit zu gewährleisten.

Interoperabilität

Grenzüberschreitende Zugverbindungen stoßen im Gegensatz zum Straßenverkehr und zum Flugverkehr noch immer auf große bürokratische Hürden. Dadurch können im Vergleich zu allen anderen Transportarten die Vorteile des Schengen Raums und des Binnenmarktes nicht ausgenützt werden. In Verbindung mit der zunehmenden Automatisierung der Straße sinkt damit die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene.

 

Sprachregime für Lokführer

 

(geregelt in Richtlinie 2007/59[1]): Lokführer müssen gemäß Richtlinie 2007/59 die jeweilige vom Infrastrukturbetreiber angegebene Sprache auf Niveau B1 in Schrift und Sprache beherrschen. Diese Regelung ist im Transportbereich nicht nur einzigartig und protektionistisch, sie beeinträchtigt gerade auch den im Güterverkehr wichtigen grenzüberschreitenden Verkehr im Vergleich zu Straße massiv. Dem folgend hat die Europäische Kommission im April 2019 den Anhang VI geändert, damit zumindest Pilotprojekte durchgeführt werden können, um zu testen, wie man diese Hürde ohne Sicherheitseinbußen beseitigen kann[2]. Angesichts der Tatsache, dass Österreich im Herzen Europas liegt, ein Transit und Verkehrsknotenpunkt ist, wirkt sich diese Regelung auf unsere EVUs und unsere Nachbarn noch nachteiliger aus, als in anderen Mitgliedsstaaten der EU.

 

Nationale Regelungen

 

In den Richtlinien 2016/797[3] und 2016/798[4] zur Interoperabilität wird sichergestellt, dass es künftig innerhalb der EU ein optimales Niveau an Harmonisierung des Eisenbahnsystems in Europa gibt. Dadurch soll ein wesentlicher Beitrag  zum einheitlichen europäischen Eisenbahnraum geleistet, die Sicherheit erhöht und die Kosten gesenkt werden. Somit soll ein reibungsloser, barrierefreier, grenzüberschreitender Betrieb, analog zu anderen Verkehrsträgern, künftig möglich sein.

 

 

 

 

Errichtung des Alpen-Südost-Kernnetzkorridors

 

Die Einrichtung des Alpen-Südost-Kernnetzkorridors stellt eine bedeutende Maßnahme für die Entwicklung Österreichs als nachhaltiges Transitland im Europäischen Eisenbahnverkehr dar. Das Bestreben dabei ist, die aktuell bestehende Lücke über die Alpen im TEN-Kernnetz zu schließen. Diese Maßnahme soll die Verbindung der zentralen Wirtschaftsräume der EU im Nordwesten mit den EU- und nicht-EU Ländern im Südosten der Alpen, sowie der „Neuen Seidenstrasse“, gewährleisten. Darüber hinaus könnten die für Österreich wirtschaftspolitisch bedeutenden Länder Südosteuropas nachhaltig wirtschaftlich und sozial gestärkt und integriert werden. Ein wesentliches Hindernis stellt dabei die Europäische Deadline für die Implementierung des TEN-Kernnetzes dar, da die Fertigstellung der beiden Schlüsselprojekte Tauern- und Pyhrnachse (Pass Luegg, Bosruck-Basistunnel) erst nach 2030 realisierbar ist.

 

Kapazitäten für den Güterverkehr

 

Der Güterverkehr in und durch Österreich wird Prognosen zufolge bis 2040 um rund 45 Prozent zunehmen. Österreich braucht hier umgehend ein integriertes, an Klimazielen orientiertes Gesamtkonzept für die Gütermobilität auf Straße und Schiene. Während die EU einen Schienenanteil von 30 Prozent bis 2030 und 40 Prozent bis 2040 anstrebt, hat sich dieser in Österreich von über 40 Prozent im Jahr 1980 auf unter 30 Prozent im Jahr 20219 reduziert. Zugleich bedeutet der zunehmende Güterverkehr auf der Straße eine gegenläufige Entwicklung zu den verbindlichen CO2-Zielen der EU.

 

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehende

 

 

Anfrage:

 

 

 

1.    Welche Verzögerung entsteht im Durchschnitt an den Grenzen durch den auf Grund der unterschiedlichen Betriebssprachen obligatorischen Lokführerwechsel?

 

2.    Wird Österreich an dem Pilotprojekt zur einheitlichen Betriebssprache teilnehmen?

 

 

3.    Wie viele nationale Regelungen wurden an die Europäische Eisenbahnagentur gemeldet?

 

4.    Wie viele nationale Regelungen wurden seit 2016 ersatzlos gestrichen?

 

5.    Welche nationalen Regelungen sind mit welcher Begründung noch in Kraft?

 

6.    Welche nächsten Schritte wollen sie hinsichtlich der notwendigen Harmonisierung der technischen Vorschriften, wie zum Bespiel der Bremsregeln oder der Signalisierungs- und Sicherungstechnik auf europäischer Ebene setzen?

 

7.    Welche Initiativen sind hinsichtlich bestimmter Infrastrukturparameter wie zum Bespiel die Stromversorgung mit unterschiedlichen Spannungen, unterschiedlicher Achslasten, Lichtraumprofile, etc., welche die Komplexität bei der Planung und Abwicklung von Verkehren erhöht auf EU-Ebene geplant?

 

8.    Welche Maßnahmen wurden im Sinne der Errichtung des Alpen-Südost-Kernnetzkorridors seitens des BMK bereits gesetzt und welche sind für die Zukunft geplant?

 

9.    Welche Bestrebungen werden im Sinne einer möglichen Flexibilisierung der Europäischen Deadline für die Implementierung des TEN-Kernnetzes bis 2030 unternommen?

 

 

10. Welche weiteren Maßnahmen sind auf EU-Ebene geplant, um die notwendige Erweiterung der Kapazitäten für den Güterverkehr auf der Schiene zu gewährleisten?

 

11. Sind Investitionen in die die Digitalisierung der Schiene geplant und wenn ja, wieviel in Österreich, wie  hoch ist der Beitrag der EU?



[1] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32007L0059&from=EN

 

[2] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32019R0554&from=EN

 

[3] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32016L0797&from=EN

 

[4] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32016L0798&from=en