6653/J XXVII. GP

Eingelangt am 19.05.2021
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Max Lercher,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend „Pflege durch Angehörige im Eigenheim"

Zu Hause Angehörige zu pflegen ist eine große Herausforderung, Nicht nur menschlich, sondern auch wenn sich Beruf und Betreuung/ Pflege nicht mehr vereinbaren lassen. Meistens kommt es spätestens dann, auch zu starken finanziellen Einbußen (Kündigung, Selbstversicherung in der ÖGKK).

In Österreich sind 947.000 Personen auf unterschiedliche Arten in die Pflege und Betreuung einer angehörigen Person involviert. 801.000 Personen betreuen ein Familienmitglied zu Hause. Die hohe Dunkelziffer pflegender Kinder und Jugendlicher ist hier noch nicht mitberücksichtigt. Drei Viertel der Pflegeleistungen werden von Frauen übernommen. 51% der pflegenden Frauen können nicht noch zusätzlich einer Berufstätigkeit nachgehen. 71% aller PflegegeldbezieherInnen werden von Angehörigen gepflegt. Dies macht die Angehörigenpflege zum größten österreichischen „Pflegedienst", ohne den die Betreuung von hilfsbedürftigen Menschen nicht möglich wäre.[1]

Mit Dezember 2011 wurden die Landespflegegeldgesetze aufgehoben und die Zuständigkeit in die Kompetenz des Bundes übertragen. Eine bessere finanzielle Absicherung von pflegenden Menschen ist damit aber nicht einhergegangen. Es gibt zwar die Möglichkeit einer Pflegekarenz, diese kann aber nur zwischen Arbeitgeberin und Arbeitnehmerin vereinbart und zusätzlich nur für maximal 6 Monate in Anspruch genommen werden (ein Rechtsanspruch besteht nur auf 4 Wochen). Das Nettoeinkommen wird außerdem auf 55% gesenkt (Höhe des Arbeitslosengeldes). Dies ist keine zufriedenstellende Lösung für all jene, welche einen so wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten.

Beispiel:

Eine Person mit der Diagnose Krebs im Endstadium, Lebenserwartung nur mehr wenige Monate, Pflegestufe 4. Ein Familienmitglied entscheidet sich für die Pflege zu Hause. Diese Person beansprucht nun eine Pflegekarenz für insgesamt 6 Monate.

Der Patient schafft es nun aber ab der Diagnose 16 Monate zu überleben. Das bedeutet konkret ca. 200-250 Pflegestunden im Monat, sowie die Bereitschaft Tag UND Nacht für den Angehörigen da zu sein und auf Urlaub bzw. freie Tage zu verzichten. Finanziell bedeutet dies nun für die pflegende Person nach 6 Monaten mit 55% des Einkommens entweder wieder die Arbeit aufzunehmen oder nun gänzlich für die weiteren Monate (in diesem Beispiel 10 Monate) auf das gesamte Einkommen zu verzichten. Das heißt, dass entweder das Arbeitsverhältnis beendet wird oder um unbezahlte Freistellung/Urlaub angesucht werden muss. Beides ist wohl für die pflegende Person als auch die zu pflegende Person keine zufriedenstellende Option.

Hier sieht man gut, dass es konkrete Projekte braucht, um die Rahmenbedingungen für die Pflege von zu Hause zu verbessern. Das System im Burgenland soll beispielhaft genannt werden. Pflegende Angehörige können sich über die Pflegeservice Burgenland GmbH als DienstnehmerInnen bei einem Landesunternehmen anstellen lassen. Sie sind somit voll sozialversichert, erwerben Beitragszeiten für die Pension, erhalten eine Ersatzkraft bei Krankheit, haben Anspruch auf Erholungsurlaub und erhalten eine unentgeltliche Grundausbildung. Für die Zukunft stellt eine solche Anstellung auch eine Basis für neue Berufschancen dar.[2]

Im Jänner 2021 hat die Taskforce Pflege ihren Ergebnisbericht präsentiert. Eine Vielzahl an Zielsetzungen und Maßnahmen wurden präsentiert. Nun stellt sich die Frage nach der Umsetzung der einzelnen Ideen und Projekte.[3]

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage

1)      Ist es allgemein beabsichtigt in Zukunft vermehrt pflegende Angehörige in die Pflege zu integrieren?

a)   Wenn ja, wie?

b)   Wenn nein, wie soll dieses Defizit ausgeglichen werden?

2)      Wie und mit welchen finanziellen Mitteln sollen die Maßnahmenpakete aus dem Ergebnisbericht der Taskforce Pflege genau umgesetzt werden? (Aufschlüsselung in Euro nach Maßnahmenpaket)

3)      Woher sollen die finanziellen Mittel hierfür genau stammen?

4)       Laut dem Ergebnisbericht sind gemeindenahe niederschwellige Anlaufstellen für pflegende Angehörige einzurichten. Gibt es hierfür schon ein Konzept? (M. 33, S. 29)

a)       Wenn ja, wie sieht es aus?

b)      Wenn nein, warum nicht?

5)      Wie werden die vorgeschlagenen „leistbaren Entlastungsangebote" aussehen? (M. 34, S. 29)

6)      Wann werden niederschwellige psychosoziale Unterstützungsangebote leistbar und im häuslichen Umfeld zur Verfügung stehen? (M. 35, S. 29)

7)      Wie wird sich die (finanzielle) Absicherung der pflegenden Angehörigen in folgenden Punkten konkret entwickeln? (M. 36, S.30)

a)       Pflegefreistellung unabhängig vom gemeinsamen Haushalt

b)      Längere Inanspruchnahme Pflegekarenz und Pflegeteilzeit

c)       Kündigungsschutz in ebendieser

d)      Berücksichtigung von Pflege und Betreuungszeiten bei Pensionsansprüchen

e)       Rechtsanspruch auf Pensions- und Krankenversicherung für die gesamte Karenz- bzw. Teilzeit

8)      Wie wird ihr Ministerium sich für die rechtliche Verankerung der Unterstützung von pflegenden Kindern und Jugendlichen einsetzen?

9)       Gibt es bereits ein Konzept für das Modell „Community Nursing"? (M. 47, S. 33)

a)       Wenn ja, wie sieht es aus?

b)      Wenn nein, warum nicht?

10) Sind bereits Entlastungsangebote für pflegende Angehörige geschaffen worden? (M. 51, S. 34)

c)       Wenn ja, welche?

d)      Wenn nein, warum nicht?

11)     Wird bereits an der Erstellung eines nachhaltigen Finanzierungssystems für die Pflege gearbeitet?

12) Werden Sie daran arbeiten den Pflegefonds längerfristig anzusetzen?

13)   Analysieren Sie bereits, wie die Ausgabenstrukturen und die Ausgabenentwicklung im jeweiligen Bereich (Bund, Land, Gemeinde) aussehen bzw. prognostiziert werden?

a)       Wenn ja, gibt es bereits erste Ergebnisse?

b)      Wenn nein, warum nicht?

14)   Ist eine Gesamtstrategie zur Weiterentwicklung von Pflege in Arbeit?

a)       Wenn ja, wann wird diese veröffentlicht?

b)      Wenn nein, warum nicht?

15)   Hat Ihr Ministerium bereits die Pflegedienstleistungsstatistik überarbeitet?

a)       Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

b)      Wenn nein, warum nicht?

16)   Wird bereits ein System entwickelt, welches die zersplitterten Finanztöpfe bündelt und die Steuerung auf regionaler Ebene ermöglicht?

a)       Wenn ja, wann wird ein Konzept hierzu vorgelegt?

b)      Wenn nein, warum nicht?

17)   Wird die Verteilung der Mittel hinsichtlich einer Gesamtsteuerung wie im Pflegebericht (M. 55/
S. 37) vorgeschlagen, von Ihrem Ministerium bearbeitet?

a)       Wenn ja, wann wird hierzu ein Konzept vorgelegt?

b)      Wenn nein, warum nicht?

18)   Wie wird auf Bundesebene das burgenländische Pflegesystem beurteilt?

19)   Kann das burgenländische Modell auf ganz Österreich umgelegt werden?

a)    Wenn ja, wird das burgenländische Modell auf ganz Österreich umgelegt?

b)   Wenn nein, warum nicht?



[1] Daten und Fakten: IG-Pflege, abgerufen am 22.04.2021

[2] Pflege Service Burgenland - Soziale Sicherheit im Bgld.. abgerufen am 23.04.2021

[3] Rappold, Elisabeth; Juraszovich, Brigitte; Weißenhofer, Sabine; Edtmayer, Alice (2021): Taskforce Pflege, Begleitung des Prozesses zur Erarbeitung von Zielsetzungen, Maßnahmen und Strukturen. Gesundheit Österreich, Wien