6690/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.05.2021
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Mag.a Selma Yildirim

Genossinnen und Genossen

 

an die Bundesministerin für Justiz

 

betreffend aktuelle Entwicklungen in der Prozessbegleitung und damit im Zusammenhang die geplante Prozessbegleitungs-Regulierungsverordnung

 

In Österreich ist die Prozessbegleitung seit langem ein wichtiges Thema. So wurde bereits im Jahr 1999 ein Projekt Prozessbegleitung gestartet. Aus diesem Versuch ist inzwischen ein bundesweites Angebot geworden: in Strafsachen besteht seit dem Jahr 2006 ein Rechtsanspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung. In Zivilsachen wird die psychosoziale Prozessbegleitung seit 2009 angeboten.

 

Die juristische Prozessbegleitung umfasst die rechtliche Beratung und Vertretung durch eine/n Rechtsanwalt/Rechtsanwältin.

 

Prozessbegleitung im Strafverfahren wird nur für Opfer im Sinn des § 65 Z1 lit. a und b StPO sowie für Opfer (§ 65 Z1) terroristischer Straftaten (§ 278c StGB) gewährt.

 

Das damalige Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz hat im Jahr 2019 unter Justizminister Dr. Clemens Jabloner einen „Tätigkeitsbericht Prozessbegleitung 2011-2018“ vorgelegt. Auf rund hundert Seiten ergeben sich aus diesem Bericht sehr viele wichtige Daten und Fakten über die österreichische Prozessbegleitung und deren Entwicklungen von 2000 – 2018 und schwerpunktmäßig von 2011 – 2018.

Das Bundesministerium für Justiz hat im März 2021 den Entwurf einer Prozessbegleitungs-Regulierungsverordnung in die Begutachtung versandt und darum ersucht bis spätestens 23. April 2021 eine Stellungnahme abzugeben. Aus dem Vorblatt zu diesem Verordnungsentwurf geht hervor, dass die Zahl der Prozessbegleitungseinrichtungen von vier im Jahr 2000 auf 48 im Jahr 2021 angestiegen sind. Nach gegenwärtiger Praxis sind geförderte Opferhilfeeinrichtungen auf eine der drei Opfergruppen „Kinder und Jugendliche“, „Frauen als Betroffene von Männergewalt und Frauenhandel“ oder „Opfer situativer Gewalt“ spezialisiert. Weiters wird dort selbst ausgeführt, dass diese Einteilung nach Einrichtungstypen und Opfergruppen veraltet ist.

 

Unter Ziel (e) der gegenständlichen Verordnungen wird unter anderem ausgeführt:

„Die gegenwärtig gepflogene Einteilung der Opfergruppen soll zugunsten einer Ausrichtung an der besonderen Schutzbedürftigkeit von Opfern nach § 66a Abs. 1 StPO aufgegeben werden und die bisher gepflogene Einteilung […] soll zugunsten einer Einteilung nach Einrichtungskriterien neu ausgerichtet werden. In Hinkunft sollen Prozessbegleitungseinrichtungen, die über eine oder mehrere Spezialisierungen verfügen, auch die, der jeweiligen Spezialisierung unterfallenden Opfer prozessbegleiten dürfen.“

 

Zu dieser Verordnung gibt es auch Kritik. Insbesondere wird kritisiert, dass in § 30 Abs. 2 der Verordnung die Erforderlichkeit der psychosozialen Prozessbegleitung für Opfer, die in Ermangelung von Fähigkeiten nach Abs. 1 Z3 unfähig sind, die Wahrheit anzugeben (§ 155 Abs. 1 Z4 StPO), verneint wird.

 

Dem wird entgegengehalten, dass es tatsächlich keinen sachlichen Grund gäbe, die psychosoziale Prozessbegleitung für diese Personen zu verneinen. Daher wurde im Begutachtungsverfahren der Vorschlag gebracht, § 30 Abs. 2 der Verordnung zu streichen.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an die Bundesministerin für Justiz nachstehende

Anfrage

 

1.   Wie hoch ist das jährliche Budget, das dem Bundesministerium für Justiz für die Prozessbegleitung insgesamt zur Verfügung steht?

2.    Wie hat sich die Höhe dieses Budgets jährlich seit dem Jahr 2018 verändert?

3.    Wie viele RechtsanwältInnen sind österreichweit in der Prozessbegleitung tätig? Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern?

4.    Wie hoch sind die Zahlen der Opfer, die Prozessbegleitung in Anspruch genommen haben, in den Jahren 2019 und 2020 und zwar aufgeschlüsselt nach Gesamtzahl, Erstbetreute und Übernommene? (Fortschreibung der Tabelle im genannten Tätigkeitsbericht von S. 17)

5.    Anspruch auf Prozessbegleitung haben gemäß § 65 StPO Opfer von Gewalt, gefährlicher Drohung, Verletzung der sexuellen Integrität und Selbstbestimmung, Stalking und Menschenhandel.

Wie lauten im Vergleich dazu die Zahlen der Anzeigen (Kriminalstatistik) und die entsprechende Statistik der Justiz? (Zahlen bitte aufgegliedert nach den Opfergruppen des ersten Satzes der Frage 5)

6.    Aus welchen Gründen ist der Anteil der Opfer, die Prozessbegleitung in Anspruch nehmen (ca. ein Zehntel) so niedrig?

7.    Wie haben sich die Zahlen bei Wegweisungs- und Betretungsverboten nach der Exekutionsordnung 2019 und 2020 entwickelt? (Fortschreibung der Tabelle des Tätigkeitsberichtes von S. 91)

8.    Wird es eine Aktualisierung des sehr umfangreichen und hilfreichen Tätigkeitsberichts 2011 - 2018 geben und wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht?

9.    Welche wesentlichen Veränderungen gegenüber dem Verordnungsentwurf der Prozessbegleitungs-Regulierungsverordnung wird es auf Basis des Begutachtungsverfahrens und der eingegangenen Stellungnahmen voraussichtlich geben?

10.  Hat es eine Veröffentlichung der zahlreichen Stellungnahmen von Opferschutzeinrichtungen und RechtsanwältInnen zu der Verordnung gegeben und wenn nein, warum nicht?

11.  Sind Sie bereit, § 30 Abs. 2 der geplanten Prozessbegleitungs- Regulierungsverordnung zu streichen, da weder der Regelung noch den erläuternden Bemerkungen ein sachlicher Grund zu entnehmen ist, der diesen Personengruppen die Erforderlichkeit der psychosozialen Prozessbegleitung abspricht? Wenn nein, warum nicht?