6733/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.05.2021
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ANFRAGE

 

der Abg. Dr. Dagmar Belakowitsch, Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter  

an den Bundesminister für Arbeit

betreffend Aussteuerungssystem des ÖVP-Wirtschaftsbundes gegen Arbeitslose in Österreich in Zeiten der Corona-Arbeitsmarktkrise

 

 

Der ÖVP-Wirtschaftsbund ist nun auch arbeitsmarkt- und sozialpolitisch ohne Wenn und Aber in den 30 iger Jahren des letzten Jahrhunderts angelangt, wie ein intern ausgearbeitetes „Aussteuerungssystem“ gegen Arbeitslose in Österreich in Zeiten der Corona-Arbeitsmarktkrise belegt:

 

„diepresse.com" gefunden am 07.05.2021 06:24 Uhr

 

 

ÖVP-Wirtschaftsbund: Arbeitslosengeld soll mit Bezugsdauer sinken

 

Der ÖVP-Wirtschaftsbund möchte, dass Langzeitarbeitslose Jobs in ganz Österreich annehmen müssen und das Arbeitslosengeld mit Bezugsdauer sinkt – auf unter 40 Prozent.

 

Wien. Es ist ein internes Arbeitspapier, das als Leitlinie für die Mitglieder des Wirtschaftsbundes der ÖVP dient. Gerade einmal sieben DIN-A4-Seiten lang – aber diese sieben Seiten haben es in sich.

 

Der Wirtschaftsbund, dessen Chef Harald Mahrer ist, in einem seiner Brotberufe Präsident der Wirtschaftskammer, fordert darin unter anderem bei der Arbeitsmarktpolitik tiefgreifende Veränderungen. Dadurch will man die Menschen wieder in Beschäftigung bringen. Derzeit habe man nämlich die skurrile Situation, dass bei einer der höchsten Arbeitslosenzahlen der jüngeren Geschichte Firmen dennoch keine Mitarbeiter finden würden. Weil, wie es dem Papier heißt, die „unangenehme Wahrheit ist: Arbeit lohnt sich nicht immer“.

 

Daher soll es als erste Maßnahme ein degressives Arbeitslosengeld geben, also eines, das mit der Dauer des Bezugs sinkt (das Arbeitslosengeld wird in der Regel für maximal zwölf Monate ausbezahlt). Unterm Strich soll es budgetneutral sein, also weder geringere noch höhere Kosten als jetzt verursachen.

 

Kein Zuverdienst mehr

 

Wie dieses System im Detail aussehen könnte, erklärt Kurt Egger, Generalsekretär des Wirtschaftsbundes, im Gespräch mit der „Presse“ so: „Man kann am Anfang mehr bezahlen, durchaus auch für zwei, drei Monate 70 Prozent vom Letztbezug (diese Prozentzahl fordert die SPÖ seit Langem, derzeit sind es 55 Prozent, Anm.). Mit der Dauer sinkt das Arbeitslosengeld aber. Damit es aufkommensneutral bleibt, müsste es also in den letzten Monaten auf 40 Prozent oder darunter gehen.“

 

Hand in Hand mit dieser Maßnahme müsse es auch eine zeitliche Begrenzung der Notstandshilfe geben (sie wird nach dem Arbeitslosengeld ausbezahlt, Anm.).

 

Ein weiterer Schritt, um die Annahme eines Jobangebots wieder attraktiver zu machen: Die Abschaffung der Zuverdienstmöglichkeit. Derzeit können Arbeitslose maximal 476 Euro brutto pro Monat zusätzlich zum Arbeitslosengeld verdienen.

 

„In diesem Fall ist der Anreiz, eine Vollzeitbeschäftigung anzunehmen, für manche Berufsgruppen sehr gering“, heißt es in dem Arbeitspapier der ÖVP-Teilorganisation. Durch die Zuverdienstmöglichkeit käme es nämlich „oftmals zu dem Ergebnis, dass Personen damit mehr verdienen als in potenziellen Jobs“.

 

Strengere Zumutbarkeitsregeln

 

Auch an den Zumutbarkeitsbestimmungen will der Wirtschaftsbund drehen. Aktuell ist es nicht immer erforderlich, den Wohnort zu wechseln, wenn es geeignete Jobs in anderen Regionen gibt. Vermittelbare Positionen müssen normalerweise innerhalb einer Stunde vom Wohnort erreichbar sein.

 

Diese Wegzeit soll auf 1,5 Stunden ausgedehnt werden und bei Langzeitarbeitslosen gänzlich entfallen. Wörtlich heißt es im Arbeitspapier: „Bei Langzeitarbeitslosigkeit soll es möglich werden, Personen im ganzen Land zu vermitteln.“ Diese Neuerungen würden „zu größeren Erfolgen bei der Vermittlung von Arbeitssuchenden führen“, schreiben die Autoren.

 

Eine Neuerung soll nach den Wünschen des Wirtschaftsbundes für alle Beschäftigten gelten – und zwar eine Teilarbeit bei Krankheit. Derzeit sei ein Arbeitnehmer entweder krank oder gesund, auch wenn er beispielsweise mit einem verstauchten Fuß durchaus einen reinen Bürojob erledigen könnte.

 

Eingeschränkt arbeitsfähig

 

Es soll daher „die Möglichkeit zur Teilarbeit geschaffen werden, wo die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit tätigkeitsbezogen erfolgt“, heißt es im Wirtschaftsbund-Papier. Entweder soll der Arzt je nach Krankheit die Arbeitszeit entsprechend kürzen oder die Arbeitsfähigkeit je nach Tätigkeit eingeschränkt werden. „Die Entscheidung lautet dann nicht krank oder gesund, sondern beispielsweise: 50 Prozent arbeitsfähig, nur einfache körperliche Tätigkeit.“

 

Egger erklärt das Positionspapier des Wirtschaftsbundes so, dass aktuell viele Unternehmer darüber klagen würden, keine Mitarbeiter zu finden. „Das gilt nicht nur für Facharbeiter, bei denen es seit Jahren einen Mangel gibt. Das gilt auch für ganz normale Tätigkeiten.“ Und es könne doch nicht sein, dass „in Zeiten einer Wirtschaftskrise mit Rekordarbeitslosigkeit Tausende offene Stellen unbesetzt sind“.

 

Für den Wirtschaftsbund-Generalsekretär werden in dem Arbeitspapier die „richtigen Instrumente“ genannt, um für den zu erwartenden Wirtschaftsaufschwung nach dem Ende der Pandemie gerüstet zu sein und die dann wieder notwendigen Arbeitskräfte zur Verfügung zu haben. Egger: „Ein eigenes Einkommen durch eine Erwerbstätigkeit ist auch eine Sinnerfüllung des Lebens.“

 

Mit Stand Ende April 2021 waren in Österreich 433.443 Personen ohne Job oder in Schulungen des AMS. Vor rund einem Jahr, Mitte April 2020, lag die Zahl der Arbeitslosen und AMS-Schulungsteilnehmer auf einem Rekordhoch von 588.200.

 

 

Weblink: https://www.diepresse.com/5976445/ovp-wirtschaftsbund-arbeitslosengeld-soll-mit-bezugsdauer-sinken

 

Zur zeithistorischen Erinnerung an die Mitglieder des ÖVP-Parlamentsklubs:

 

Das Jahr 1933 stellt für Österreich in der politisch und gesellschaftlich instabilen Lage der 30er Jahre eine entscheidende Zäsur dar. Die Arbeitslosigkeit erreichte ihren Höchststand: rund 600.000 Arbeitslose, von denen nur rund 65 Prozent noch Arbeitslosenunterstützung erhielten; alle anderen waren "ausgesteuert", also ohne staatliche Unterstützung. Fast jeder zweite Industriearbeiter war ohne Beschäftigung.

 

1933 |  Österreichische Mediathek

 

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Arbeit folgende

 

 

Anfrage

 

1)    Kennen Sie das „Aussteuerungssystem“, das der ÖVP-Wirtschaftsbund gegen die Interessen der Arbeitslosen und Notstandshilfebezieher ausgearbeitet hat?

2)    Wenn ja, seit welchem Zeitpunkt?

3)    Waren Sie als zuständiger Arbeitsminister in die Ausarbeitung dieses „Aussteuerungssystems“ eingebunden?

4)    Wenn ja, ab welchem Zeitpunkt?

5)    War Ihr Kabinett bzw. insbesondere Ihre Kabinettschefin und das Generalsekretariat des BMA in die Ausarbeitung dieses „Aussteuerungssystems“ eingebunden?

6)    Wenn ja, ab welchem Zeitpunkt?

7)    Welche Ressourcen, d.h. Daten des Arbeitsmarktservice haben Sie dem ÖVP-Wirtschaftsbund zur Verfügung gestellt bzw. zur Verfügung stellen lassen, um das „Aussteuerungssystem“ zu unterstützen?

8)    Wie beurteilen Sie die einzelnen Punkte des „Aussteuerungssystem“, das der ÖVP-Wirtschaftsbund gegen die Interessen der Arbeitslosen und Notstandshilfebezieher ausgearbeitet hat?

9)    Wie beurteilen Sie insbesondere die Absenkung des Arbeitslosengeldes auf unter 40 Prozent der Nettoersatzrate?

10) Welchen arbeitsmarktpolitischen Effekt soll die Absenkung des Arbeitslosengeldes auf unter 40 Prozent der Nettoersatzrate haben?

11) Wie beurteilen Sie insbesondere die Begrenzung und damit das Auslaufen der Notstandshilfe?

12) Welchen arbeitsmarktpolitischen Effekt soll die Begrenzung und damit das Auslaufen der Notstandshilfe haben?

13) Wie beurteilen Sie insbesondere die Abschaffung der Zuverdienstmöglichkeiten?

14) Welchen arbeitsmarktpolitischen Effekt soll die Abschaffung der Zuverdienstmöglichkeiten haben?

15) Wie beurteilen Sie insbesondere die Verschärfung der Zumutbarkeitsbedingungen?

16) Welchen arbeitsmarktpolitischen Effekt soll die Verschärfung der Zumutbarkeitsbedingungen haben?

17) Wie beurteilen Sie insbesondere die Einführung einer Teilarbeit bei Krankheit?

18) Welchen arbeitsmarktpolitischen Effekt soll die Einführung einer Teilarbeit bei Krankheit haben?