6833/J XXVII. GP
Eingelangt am 26.05.2021
Dieser Text wurde elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original
sind möglich.
Am 18.4.2024 erfolgte eine vertraulichkeits-/datenschutzkonforme
Adaptierung.
ANFRAGE
des Abgeordneten Mag. Gerald Hauser
und weiterer Abgeordneter
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend der illegalen PCR-COVID-19-Tests in Tirol
Nach langem Warten wurden nun die zwei Verträge zwischen der Firma HG LAB TRUCK GmbH (einer hundertprozentigen Tochterfirma der Firma HG Pharma) freigegeben. Wir bringen Ihnen beide hiermit zur Kenntnis.

Seite
2
Seite
3
Seite
4
Seite 5

Seite
2
Seite
3
Seite
4

Seite 5
Die erste große Überraschung ist, dass nicht ein, sondern sogar zwei Verträge ohne jede Ausschreibung zwischen der Tiroler Landesregierung und der Firma HG LAB TRUCK GmbH abgeschlossen wurden.
Die zweite große Überraschung ist, dass es sich bei diesen Verträgen um Werkverträge handelt, also Verträge zwischen einem Werkbesteller (der Tiroler Landesregierung) und einem Werkunternehmer (der Firma HG LAB TRUCK GmbH). Bei einem Werkvertrag wird ein Werk hergestellt (in diesem Fall COVID-19-Tests) und es wird für den Erfolg dieses Werks gehaftet.
Die Landesregierung agiert als Kollegialorgan und besteht in Tirol aus dem Landeshauptmann und den Landesrätinnen und Landesräten der ÖVP und der Grünen. Aufgrund der beiden Werkverträge besteht u.a. ein Auswahlverschulden gem. § 1315 ABGB: Überhaupt haftet derjenige, welcher sich einer untüchtigen oder wissentlich einer gefährlichen Person zur Besorgung seiner Angelegenheiten bedient, für den Schaden, den sie in dieser Eigenschaft einem Dritten zufügt. Mit anderen Worten: haftet die Tiroler Landesregierung, da sie mit der Firma HG LAB TRUCK GmbH die beiden Werkverträge abgeschlossen hat, ohne die elementarsten Sicherheits- und Qualitätsstandard einzuhalten.
Der Erfüllungstermin des ersten Vertrags war vom 25.9.202 bis 31.3.2021 (Vertrag 016429), der des zweiten Vertrags vom 1.4.201 bis 30.6.2021 (Vertrag 017065). Die beiden Aufträge der Tiroler Landesregierung an die Firma HG LAB TRUCK GmbH über 8 Millionen Euro wurde nie ausgeschrieben. Das Justizministerium stellte auf Anfrage des Bundeskanzleramtes am 18. Jänner diesen Jahres fest, dass generell keine „Notvergaben“ durchzuführen seien. Das Ministerium erklärte, dass „bei der Vergabe von so genannten, 'besonderen Dienstleistungen' wie der Vornahme von Abstrichen und der Auswertung von Schnelltests weder eine Ausnahmebestimmung des Bundesvergabegesetzes noch der Sondertatbestand für 'Notvergaben' anwendbar ist“.[1]
Mit anderen Worten: der erste Werkvertrag (016429) ) war bereits illegal, der zweite (017065) aber wurde – in Kenntnis der Feststellung des Justizministeriums vom 18.1.2021 – wissentlich und vorsätzlich illegal abgeschlossen.
Die Tiroler Landesregierung verlangte in den beiden Werkverträgen auf Seite 1 „validierte PCR-testungen“ und „valide Abstrichtests“. Die Herstellung und Verwendung von allen Medizinprodukten unterliegt prinzipiell der Pflicht zur Validierung. Das bedeutet, dass alle hergestellten Teile einer Charge/eines Tests auf die zugesicherten Eigenschaften überprüft werden müssen (Produktprüfung). Bei medizinischen Labor-Tests wird normalerweise auch der gesamte Produktionsprozess, also in diesem Fall der gesamte Testablauf von der Probenannahme bis zur Befundung und Befundversendung validiert (Systemprüfung). Auch Kombinationen von Produkt- und Systemprüfungen sind möglich.
Dass die Tiroler Landesregierung in den beiden Verträgen nicht einmal erläuterte, wie, wann, nach welchen Kriterien und von wem die Tests und Abstrichsets validiert worden sind oder noch werden müssen, stellt die erste illegale Aktion der Tiroler Landesregierung dar.
Ein Arzt kann in Österreich ein Arzt für Allgemeinmedizin, ein approbierter Arzt, Facharzt oder Turnusarzt (ein Arzt in Ausbildung) sein. Auf Seite 2 der beiden Verträge verpflichtet sich die Firma HG LAB TRUCK GmbH nur, dass „als medizinischer Verantwortlicher ein entsprechend qualifizierter Arzt fungiert“. Was ein „entsprechend qualifizierter Arzt“ sein soll, ist nicht definiert, weder juristisch noch im Vertrag. Faktum ist, dass ein medizinisches Labor nur von einem in Österreich zugelassenen Facharzt für medizinische und chemische Labordiagnostik verantwortlich geführt werden kann und darf.
Auf Seite 2 sprechen beide Werkverträge von „positiven und negativen Befunden“. Solche Befunde können ebenfalls nur durch einen Facharzt für medizinische und chemische Labordiagnostik erstellt werden. Dass die Tiroler Landesregierung nicht einmal überprüfte und verlangte, dass ein Facharzt für medizinische und chemische Labordiagnostik die Tests durchführt, beaufsichtigt und die Befunde der Tests erstellte, stellt die nächste illegale Aktion der Tiroler Landesregierung dar. Denn somit sind alle Testresultate der Firma HG LAB TRUCK illegal und hinfällig.
Die Tiroler Landesregierung handelte bei der Vergabe der COVID-19-Tests in der Höhe von 8 Millionen Euro extrem sorgfaltswidrig und nahm dadurch in Kauf, dass die Qualität der Tests nie gewährleistet war. Es ging der Tiroler Landesregierung laut eigenen Aussagen nur darum, möglichst rasch möglichst viele Tests durchzuführen; Sorgfalt und Qualität waren dabei offensichtlich egal.
Die Salzburger Firma Procomcure Biotech, der ursprüngliche Lieferant der Reagenzien für die COVID-19-Tests der Firma HG Pharma, beendete die Zusammenarbeit, weil die Rechnungen nicht bezahlt wurden. Mittlerweile ist eine Klage mit Forderungen in Millionenhöhe gegen N.N. Firma anhängig. Dadurch ist bislang noch völlig ungeklärt, woher die Firma HG LAB TRUCK GmbH die Reagenzien für die angeblich durchgeführten COVID-19-Tests hatte, ja ob die überhaupt welche für alle verrechneten Tests kaufte. Der "Standard" stellte sogar den Verdacht in den Raum, dass seit November "keine oder fachlich nicht richtige Tests geliefert wurden". Sprich: es steht der begründete Verdacht im Raum, dass die Firma HG Pharma 220.000 Tests mit ihrem Geschäftspartner, der Tiroler Landesregierung, abrechnete und diese Tests in Wirklichkeit nie durchgeführt wurden.
Da nie eine gesetzlich erforderliche Qualitätskontrolle, Aufsicht und Befundung durch einen dafür notwendigen Facharzt für medizinische und chemische Labordiagnostik erfolgte, kann nie mehr widerlegt werden, ob und wie viele dieser COVID-19-Tests der Firma HG Pharma für die Tiroler Landesregierung falsch positiv bzw. falsch negativ waren. Sprich: wie viele Patienten fälschlicherweise in Quarantäne geschickt wurden, obwohl sie nie infiziert waren oder aber wie viele Patienten infiziert herumspazierten, weil die Tests fälschlicherweise negativ waren. Durch die Befundung der COVID-19-Tests durch einen dafür ungeeigneten Urologen war die Gesundheit der Tiroler Bevölkerung jedenfalls massiv gefährdet.
Auf Seite 1 des ersten Werkvertrags sticht noch eine Auffälligkeit ins Auge: unter „Auftragnehmer“ wird in der Rubrik „UID-Nr.“ angeführt: „in Gründung, wird nachgereicht“.
Die Umsatzsteueridentifikationsnummer (UID-Nummer) ist eine spezielle Registrierungsnummer, die der Identifikation gegenüber anderen Unternehmen dient und die Unternehmern im Zuge der Vergabe der Steuernummer vom zuständigen Finanzamt zugeteilt wird. Die Firma HG LAB TRUCK GmbH war also zur Zeit der Vertragsunterzeichnung am 7.10.2020 erst in Gründung und hatte noch nicht einmal eine Steuernummer. Dass die Tiroler Landesregierung allen Ernstes die COVID-19-Testung der Tiroler Bevölkerung (zwei Aufträge im Wert von 8 Millionen Euro) unter Verletzung der Sorgfaltspflicht an eine Firma in Gründung (ohne jegliche Vorerfahrungen, Expertise, Referenzen etc.) vergeben hat (und nicht an andere, bereits lange etablierte und renommierte Labore wie das Labor der Virologie der Medizinischen Universität Innsbruck, das nach Auflösung der Werkverträge jetzt eben diese Tests durchführt), stellt die dritte illegale Aktion der Tiroler Landesregierung dar.
Auf Seite 3 der beiden Werkverträge wird angeführt, dass die COVID-19-Tests der Firma HG LAB TRUCK GmbH in zumindest zwei LKW-Testmobilen durchgeführt worden sind sowie in einem Testlabor in Kirchberg in Tirol. Spätestens hier hätte jedem logisch denkenden Leser klar sein müssen, dass die Durchführung der COVID-19-PCR-Tests der Firma HG LAB TRUCK GmbH nie legal durchgeführt werden konnten und können, selbst ein Facharzt für medizinische und chemische Labordiagnostik in der Firma gewesen wäre. Wie hätte bitte ein verantwortlicher Facharzt gleichzeitig mehrere mobile und fixe Testlabore beaufsichtigen, das Personal leiten und die Tests aller Labore gleichzeitig befunden sollen? In jedem einzelnen Labor hätte zumindest ein verantwortlicher und beaufsichtigender Facharzt für medizinische und chemische Labordiagnostik sein müssen. Dass die Tiroler Landesregierung dieses Treiben akzeptiert hat, stellt die nächste illegale Aktion der Tiroler Landesregierung dar.
Und zum Drüberstreuen: der einzige Arzt in der Firma HG LAB TRUCK GmbH, der Urologe N.N., ist von der Ärzteliste der Ärztekammer gestrichen worden und darf überhaupt nicht mehr als Arzt in Österreich arbeiten, auch nicht als Urologe. Nach dieser Streichung von N.N. von der Ärzteliste war in der Firma HG LAB TRUCK überhaupt kein Arzt mehr tätig.
Bemerkenswert ist ferner, dass auf Seite 2 vermerkt ist, dass „die HG Pharma private Zuweiser und niedergelassene Ärzte darauf aufmerksam zu machen hat, dass das Abstreichen durch den niedergelassenen Arzt bei COVID-19 verdächtigen Symptomen nicht erwünscht ist.“ Offenbar sollen also durch diese Werksverträge die niedergelassenen Ärzte in Tirol ausgeschlossen werden.
Das Mutationstestscreening wurde zwar erst im zweiten Werkvertrag (017065) ab dem 01.04.2021 vertraglich vereinbart (60,- Euro pro Test), aber schon Monate vorher von der Firma HG LAB TRUCK GmbH durchgeführt, wie Medienberichte von N.N. zeigen. Diese Mutationsscreenings wurden also monatelang ohne Vertrag durchgeführt und wohl abgerechnet.
Abgesehen von all den beschriebenen Mängeln und Malversationen befindet sich der „Killer-Absatz“ aber auf Seite 5. Dort steht wörtlich: „Dieser Vertrag ist bis zur Zulassung als PCR-Testlabor durch das Bundesministerium für Gesundheit, Soziales, Pflege und Konsumentenschutz aufschiebend bedingt. Seites der Abteilung Gesundheitsrecht und Krankenanstalten wurde der Betrieb des mobilen Labors für die Dauer der COVID 19 Pandemie (eingeschränkt vom 25.8.2020 31.3.2020) ZUR Kenntnis genommen.“
Mit anderen Worten: entweder hat das Bundesministerium für Gesundheit, Soziales, Pflege und Konsumentenschutz dieses Labor der Firma HG LAB TRUCK mit all seinen Illegalitäten genehmigt. Oder das Bundesministerium für Gesundheit, Soziales, Pflege und Konsumentenschutz hat dieses Labor nicht genehmigt, dann ist dieser Vertrag null und nichtig und dann sind alle 220.000 Tests der Firma HG LAB TRUCK und alle Zahlungen der Tiroler Landesregierung ohne gültigen Vertrag und ohne Zulassung durch das Gesundheitsministerium illegal erfolgt.
Dieser Absatz bedeutet aber auch, dass sowohl die Firma HG LAB TRUCK als auch die Tiroler Landesregierung wussten, dass für den Betrieb des COVID-19-Labors eine Zulassung durch das Gesundheitsministerium erforderlich war, die es nach bisherigem Kenntnisstand nie gegeben hat. Beide Vertragsparteien haben sich offenbar aber um die Gesetze und die eigenen Vertragsklauseln (!) nicht geschert.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Justiz folgende
Anfrage
1. Galt und gilt das MPG (Medizinproduktegesetz), insbesondere der § 68, in Österreich und in Tirol?
2. Wurde das MPG irgendwann legal außer Kraft gesetzt?
3. Gibt es irgendeine Verordnung gem. § 113a MPG?
a. Wenn ja, welche?
b. Wann wurde sie im Bundesgesetzblatt veröffentlicht?
c. Oder gibt es keine?
4. Wann wurde das PCR-Labor der Firma HG LAB TRUCK vom Bundesministerium für Gesundheit, Soziales, Pflege und Konsumentenschutz zugelassen?
a. Wurde es jemals zugelassen?
b. Wenn ja, wann und von wem und mit welchen Auflagen?
c. Wenn nein, warum nicht?
5. Wer war der „entsprechend qualifizierte Arzt“, der das Labor der Firma HG LAB TRUCK verantwortlich leitete, überwachte und befundete?
6. Gab es im Labor der Firma HG LAB TRUCK einen Facharzt für medizinische und chemische Labordiagnostik?
7. Muss ein medizinisches Labor von einem Facharzt für medizinische und chemische Labordiagnostik geleitet und kontrolliert werden oder kann das jeder Arzt einfach so machen?
8. Welcher Facharzt für medizinische und chemische Labordiagnostik war jeweils in den mindestens zwei LKW-Testmobilen und im fixen Testlabor in Kirchberg in Tirol vor Ort und befundete dort?
9. Wann wurde N.N. aus der Ärzteliste der Ärztekammer gestrichen, also ein totales Berufsverbot als Arzt gegen ihn verhängt?
10. Seit wann gab es in der Firma HG LAB TRUCK überhaupt keinen Arzt mehr, der befundete, nicht einmal mehr einen Urologen?
11. Was sind die rechtlichen Folgen, dass das PCR-Labor der Firma HG LAB TRUCK vom Bundesministerium für Gesundheit, Soziales, Pflege und Konsumentenschutz nie zugelassen worden ist?
a. Was sind die rechtlichen Folgen, wenn die Tiroler Landesregierung den Betrieb des Labors ohne diese Zulassung erlaubte?
b. Sind die Werkverträge dann nichtig?
c. Sind die Zahlungen des Landes Tirol dann ebenfalls illegal erfolgt, nicht nur die Tests?
12. Wer hat wann die PCR-Tests der Firma HG LAB TRUCK und die Abstrichsets validiert?
a. Hat eine Validierung überhaupt stattgefunden?
b. Falls ja, nach welchen Kriterien, Normen und Gesetzen (Produktprüfung und Systemprüfung)?
13. Wurden in Österreich auch noch andere neue unerfahrene Firmen ohne UID-Nummer mit der Durchführung von COVID-19-Tests beauftragt?
14. Wer haftet für die Schäden aus diesem Werkvertragsverhältnis?
15. Besteht seitens der Tiroler Landesregierung ein Auswahlverschulden?
16. Wurde die Firma HG LAB TRUCK GmbH jemals von einem Organ des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen, des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz oder durch von diesen beauftragte Sachverständige kontrolliert?
a. Wenn ja, wann und von wem?
b. Wenn nein, warum nicht?
17. Wer haftet bei allen finanziellen und gesundheitlichen Schäden durch falsche und/oder illegale und/oder kriminelle COVID-19-Tests, wenn die Zulassung durch das Gesundheitsministerium oder dessen nachgeordneten Organen nicht erfolgte?
a. In strafrechtlicher Hinsicht?
b. In zivilrechtlicher Hinsicht?
c. In haftungsrechtlicher Hinsicht?
18. Wird seitens der Staatsanwaltschaft in der Causa HG LAB TRUCK GmbH auch hinsichtlich des Verdachts auf mögliche Anstiftung bzw. Beihilfe zu Betrug und Veruntreuung durch die Tiroler Landesregierung ermittelt?
19. Haftet die Tiroler Landesregierung aufgrund der Werkverträge für alle finanziellen und gesundheitlichen Schäden mit?
20. Wurde von der Firma HG LAB TRUCK GmbH oder der Tiroler Landesregierung jemals eine Zulassung des PCR-Labors der Firma HG Lab TRUCK GmbH bzw. eine Genehmigung zur Durchführung von behördlich anerkannten COVID-19-Tests angesucht?
a. Wenn ja, bei wem und wann?
[1] https://www.tt.com/artikel/30791384/causa-hg-pharma-direktvergabe-von-corona-tests-ist-nicht-zulaessig