6934/J XXVII. GP

Eingelangt am 16.06.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Petra Bayr, Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Zweite Folgeanfrage zur Anfrage „Die Republik Österreich als Gläubiger“ (3809/J und 5914/J)

 

Bezugnehmend auf die Anfragebeantwortung des BMF vom 14. Dezember 2020 auf die Anfrage der Abgeordneten Petra Bayr, Genossinnen und Genossen vom 14. Oktober 2020 entnehmen wir, dass derzeit hauptsächlich Entschuldungen des Sudans im Rahmen des Pariser Clubs vorgesehen sind. In der Anfragebeantwortung werden für den Sudan 281 Mio € (ohne Verzugszinsen) angeführt.

Im Prognoseszenario des Dreijahresprogramms der österreichischen Entwicklungspolitik 2019 – 2021 finden sich für die Jahre 2021 bis 2024 Entschuldungen in der Höhe von insgesamt 1.752 Mio €.

Bezugnehmend auf die Anfragebeantwortung des BMF vom 21. Mai 2021 auf die Folgeanfrage „Die Republik Österreich als Gläubiger“ (5914/J) vom 24. März 2021 schätzen wir den Verzugszinsenanteil der Entschuldung als sehr hoch ein. Die Verzugszinsen sind fast fünf Mal so hoch wie der Wert der Kreditfinanzierung.

Für vollständige Transparenz fehlen aber noch weitere Informationen des BMF. Es müsste zum Beispiel für das BMF möglich sein, eine Trennung der geschuldeten Beträge in Kapital, Vertragszinsen und Verzugszinsen inklusive der Zinseszinsen vorzunehmen, denn solche Angaben sind für die Schuldenbehandlung im Pariser Club von wesentlicher Bedeutung. Diese und weitere Daten und Fakten sind notwendig, um die ODA-Anrechnung sinnvoll beurteilen zu können.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

A) Typ und Beschaffenheit der ursprünglichen Kreditgeschäfte und bereits vorgenommenen Entschuldungen und deren Anrechnung als ODA.

1.       Um welche ursprünglichen Kreditgeschäfte geht es bei der aktuellen Schuldenbehandlung des Sudan im Pariser Club?

a)       Sind ehemalige ODA-Kredite (z.B. Typ seinerzeitige Starthilfekredite des Außenministeriums, ERP-Kredite, etc.) beteiligt und mit welchen Summen?

b)      Sind ehemalige Exportkredite beteiligt und mit welchen Summen (differenziert nach vormaligen Rahmen-II- und vormaligen Rahmen-I-Krediten)? 

c)       Sind noch andere Kreditarten beteiligt? Welchen Typs mit welchen Summen?

 

2.       Wie lauten die wichtigsten Eckdaten zu den Kreditgrundgeschäften, die Gegenstand der aktuellen Sudanentschuldung sind, differenziert nach den in Frage 1 genannten Kredittypen?

a)       Jahr der Vergabe

b)      Kreditsumme bei Vergabe

c)       Ausgezahltes Kapital

 

3.       Welche Summen sind aushaftend per Datum, das der Schuldenbehandlung zugrunde liegt (differenziert nach Kredittyp wie in Frage 1 angeführt)?

a)       aushaftendes Kapital per (Datum, das der Schuldenbehandlung zugrunde liegt)

b)      aushaftende Vertragszinsen per (Datum, das der Schuldenbehandlung zugrunde liegt)

c)       aushaftende Verzugszinsen per (Datum, das der Schuldenbehandlung zugrunde liegt)

d)      Wie hoch ist der Anteil der Verzugszinsen auf die Kapitalschuld und auf die Schuld des Vertragszinses?

 

4.       Welche Entschuldungsmaßnahmen für den Sudan gab es in welchem Jahr/welchen Jahren, die der aktuellen Schuldenbehandlung im Pariser Club vorausgingen? Um welche Art der Entschuldung und um welche Beträge ging es dabei?

 

5.       Zur Beantwortung der Frage 2  der Folgeanfrage „Die Republik Österreich als Gläubiger“ (5914/J) durch das BMF: Gibt es im BMF Unterlagen mit Daten, wie die Zusammensetzung der geschuldeten Beträge in Kapital, Vertragszinsen und Verzugszinsen inklusive der Zinseszinsen aussieht?

a)       Wenn ja, wie sieht diese Zusammensetzung aus?

b)      Wenn nein, auf welcher Datenbasis erarbeitet ihr Ressort differenzierte Vorschläge zur Gestaltung von Schuldenerlässen?

B) Wie verhalten sich Kreditgeber/Gläubiger im internationalen Konzert in puncto Kreditvergabe und Entschuldung gegenüber (hochverschuldeten) armen Ländern?

1.       Welche Überlegungen gibt es in internationalen Gremien, vor allem im Pariser Club in der Gestaltung von Entschuldungsmaßnahmen, die darauf abzielen, hochverschuldete arme Länder aus der Schuldenfalle, insbesondere der Zinsfalle zu entlassen?

 

2.       Gibt es Überlegungen auf internationaler Ebene (Pariser Club), dem Sudan die Verzugszinsen zu erlassen?

 

3.       Gibt es Überlegungen auf internationaler Ebene (Pariser Club), dem Sudan die Vertragszinsen zu erlassen?

 

4.       Gibt es Überlegungen auf internationaler Ebene (Pariser Club), dem Sudan beide Zinsbestandteile zu erlassen?

 

5.       Wenn ja, in welchem Umfang ist davon die österreichische Forderung gegenüber dem Sudan betroffen?

 

6.       Werden die genannten 1,6 Mrd. Euro an zu streichenden Forderungen an den Sudan noch als „Aktivum“ im österreichischen Bundeshaushalt geführt oder sind diese schon abgeschrieben?

a)  Wenn ja, in welcher Höhe?

 

C) Konsequenzen für die Entwicklungszusammenarbeit mit dem betreffenden Schuldnerland durch  überhöhte  ODA-Anrechnung für den Schuldenerlass

1.       Das zeitliche Hinausschieben von Schuldenstreichungen führt auf Grund der auflaufenden Verzugszinsen und Zinseszinsen zu hohen Schuldenständen, die bei Streichung – nach den geltenden DAC-Statistikregeln – zu hohen ODA-Ergebnissen ohne tatsächlichen Finanztransfer führen. Wodurch hat sich im Fall Sudan die Streichung verzögert?

 

2.       Gibt es im Pariser Club Überlegungen, wie Entschuldungsverfahren entwicklungspolitisch nachhaltiger gestaltet werden können.

a) Wenn ja, welche?

 

3.       Gibt es auf internationaler Ebene (z.B. der OECD Export Credit Group, Weltbank oder anderen mit Kreditvergabe befassten Organisation) Überlegungen, wie die Regeln der Kreditvergabe an arme Länder verbessert werden könnten, um Schuldenlasten tragfähiger zu gestalten?

a) Wenn ja, welche?

 

4.       Wie nimmt der in Österreich größte ODA-Geber BMF seine Rolle als entwicklungspolitischer Akteur im Kontext von Kreditvergabe und Entschuldung wahr?

a)       Wie tritt das BMF in internationalen Gremien, wo es Österreich vertritt, für entwicklungspolitisch sinnvolle und nachhaltige Gestaltung der Regeln ein?

b)      Gibt es dafür konkrete Beispiele?

c)       Wenn ja, welche?

d)      Wenn nein, warum nicht?