710/J XXVII. GP
Eingelangt am 03.02.2020
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Überlange Dauer der Prüfung durch die Fachaufsicht
Bundesminister aD Moser und insbesondere Sektionschef Pilnacek kritisierten wiederholt die ihrer Ansicht nach zu lange Verfahrensdauer bei Wirtschaftsstrafverfahren. Insbesondere die WKStA hat Sektionschef Pilnacek diesbezüglich mehrfach kritisiert und erwirkt, dass BM Moser auch eine Projektarbeitsgruppe unter Leitung von SC Pilnacek zu diesem Thema einsetzte.
Diese Arbeitsgruppe befasste sich im Wesentlichen mit Verfahren der WKStA, zumal von dieser der überwiegende Teil aller Großverfahren des Landes geführt wird. Jedoch wurde kein einziger Teilnehmer der WKStA der Arbeitsgruppe beigezogen.
Die Arbeitsgruppe gelangte schließlich zum Ergebnis, dass die Wirtschaftsexpertise der WKStA und ihre Verfahrensführung durch externe Berater (KMPG, Deloitte, etc.) geprüft werden möge. Weiters sollte die Handhabung des § 20b StPO überdacht werden und diese Kompetenz der Generalprokuratur übertragen werden. Beide Ergebnisse flossen in das vorliegende Regierungsprogramm ein.
Völlig ausgespart wurden in dieser Arbeitsgruppe nicht nur viele externe Faktoren für lange Verfahrensdauern, wie das im Wirtschaftsbereich mangelnde Personal der Polizei, deren mangelnde Spezialausbildung für Wirtschaftsdelikte, die oft jahrelange dauernden Rechtsmittel- bzw. Sichtungsverfahren (§ 112 StPO), die oft jahrelang dauernden Sachverständigengutachten, die sehr ineffizienten aber kaum beeinflussbaren Rechtshilfeersuchen an ausländische Staaten (insb. bei der Nachverfolgung von Zahlungsflüssen, die über "offshore-Destinationen" geleitet wurden, wie etwa bei BUWOG oder EUROFIGHTER) sowie die angespannte Personalsituation bei der WKStA selbst, sondern auch die Dauer der regelmäßig aufgrund des § 8 StAG ("berichtspflichtige Strafsachen") erfolgenden Prüfung der Fachaufsicht.
Mit Blick auf die zahlreichen medial berichteten sowie im Zuge parlamentarischer Anfragen (etwa zu "System Pilnacek") bekannt gewordenen Fälle, wäre es aber dringend geboten, sowohl die Dauer der Fachaufsicht als auch deren Sachlichkeit und Nachvollziehbarkeit - allenfalls auch durch externe Berater - zu prüfen:
In mehreren prominenten Causen, dauerte die Prüfung der Fachaufsicht - selbst bei ganz wenig umfänglichen Akten, wie etwa der Causa Weinzirl (vgl. Anfrage "System Pilnacek - das Liegenlassen von Akten in der Caua Weinzirl") - mehrere Jahre, wobei in Anfragebeantwortungen die überlange Dauer der Prüfung zugestanden wurde, jedoch jegliche Verantwortung dafür negiert wurde. So wurde auf den nicht nachvollziehbaren Umstand hingewiesen, wonach das einen fundamentalen Verfahrensgrundsatz bildende Beschleunigungsgebot gem § 9 StPO im "Berichtsprüfungsverfahren des BMJ" nicht gelten würde. So ist der Anfragebeantwortung (4054/AB) auf Seite 2 wortwörtlich zu entnehmen: "auf die Berichtsprüfung durch das Bundesministerium für Verfassung, Reformen,Deregulierung und Justiz (als Verwaltungsbehörde) ist das StAG und nicht das Verfahrensregime der StPO anwendbar."
Dies ist mehr als verwunderlich, ist doch diese Prüfung durch die Fachaufsicht als Teil des Strafverfahrens aufgrund des StAG ausdrücklich vorgesehen und ordnet das StAG für den Weisungsrat - der sogar erst nach der Prüfung durch das BMJ, dessen Prüfungsergebnisse prüft - die Geltung des § 9 StPO ausdrücklich an (siehe § 29c StAG: "Der Weisungsrat erstattet unter Beachtung des Beschleunigungsgebotes (§ 9 StPO) ehestmöglich eine schriftliche Äußerung zum Erledigungsentwurf des Bundesministers für Justiz").
Das Problem der überlangen Dauer der Prüfung ist seit vielen Jahren bekannt (mehrere besonders kritikwürdige Fälle von Jahren dauernden Prüfungen liegen bereits einige Jahre zurück, zB Stadterweiterungsfonds, Weinzirl etc. ); dennoch wurde keine geeignete Abhilfe geschaffen.
Durch die nahezu ausufernde Art und Weise der Berichtspflicht und dadurch aufzuwendenden zeitlichen Ressourcen verschärft sich das Problem rund um die überlange Verfahrensdauer erheblich. So wurde zB in der Causa BVT beinahe jeder Verfahrensschritt als "vorhabensberichtspflichtig" erklärt, sodass über hundert Berichte erstattet werden mussten, wodurch die übrigen Akten noch länger im BMJ zur Bearbeitung liegen. Dies monierte auch die Leiterin der WKStA bei Ihrer Befragung vor dem BVT-Untersuchungsausschuss. Dieses Beispiel zeigt somit die Diskrepanz zwischen dem schon im Verfassungsrecht verankerten Recht auf ein (möglichst) rasches Strafverfahren und dem teilweise überbordenden Kontrollbedürfnis seitens des Ministeriums.
Weshalb daher eine Evaluierung dieser evident auf die Gesamtdauer der Verfahren großen Einfluss habenden Fachaufsichtsprüfung nicht in der Arbeitsgruppe thematisiert wurde und auch sonst - von internen Absichtserklärungen abgesehen - keine Vorgaben einer Maximaldauer - wie etwa im § 108a StPO für das Ermittlungsverfahren vorgesehen - normiert wurden, ist nicht erklärbar.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
1. Wie lange dauerte jeweils die fachaufsichtsbehördliche Prüfung in der Abteilung IV/5 "berichtspflichtige Großverfahren" im Zeitraum 2014 bis 2019? (Um Gliederung nach Jahren der Vorlage sowie nach vorlegender OStA wird ersucht.)
2. Wann wurde die genannte Arbeitsgruppe eingerichtet und wie lange war diese tätig?
3. Wer gehörte dieser Arbeitsgruppe an?
4. Wurden externe Berater hinzugezogen?
5. Welche waren dies und welche Kosten entstanden dadurch?
6. Hätte die benötigte Expertise auch durch Personal des eigenen Hauses beigeschafft werden können?
a. Wenn nein, über welche, nicht im BMJ vorhandene, Expertise in strafrechtlichen Großverfahren verfügen diese externen Berater?
7. Wurde ein/e MitarbeiterIn der WKStA der Arbeitsgruppe beigezogen?
a. Wenn ja, welche Position hat diese/r MitarbeiterIn inne?
b. Wenn nein, warum nicht?
8. Wer war für die Zusammensetzung der Teilnehmer_innen der Arbeitsgruppe verantwortlich?
9. Zu welchen konkreten inhaltlichen Ergebnissen gelangte die Arbeitsgruppe? (Um detaillierte Erläuterungen wird ersucht.)
10. Gibt es einen schriftlichen Bericht der Arbeitsgruppe?
a. Wenn ja, seit wann?
b. Wenn ja, wird um Übermittlung des Berichts ersucht.
c. Wenn nein, weshalb nicht?
11. Basiert die Rechtsansicht, wonach § 9 StPO für das Berichtsprüfungsverfahren im BMJ nicht gilt, auf gesicherter Rechtssprechung?
12. Wäre nach Ansicht des Ministeriums die Zeit der Prüfung nicht in die Frist des § 108a StPO einzuberechnen?
13. Sollte § 9 StPO für die Berichtsprüfung nicht gelten, gedenken Sie diese Regelungslücke zu schließen?
14. Hat die Dienstanweisung von SC Pilnacek - Erledigung innerhalb von drei Monaten - zum Erfolg geführt?
15. Sind seither alle Prüfungen innerhalb dieser Frist erledigt worden?
a. Wenn nein, wie viele nicht und wie lange haben diese jeweils gedauert?
16. Welche sonstigen Abhilfemaßnahmen gegen überlange Prüfungsdauer beabsichtigen Sie zu ergreifen?
17. Im "Regierungsübereinkommen 2020-2024" finden sich unter anderem folgende Punkte: "Stärkung der Korruptionsbekämpfung, Evaluierung der für Wirtschafts(groß)verfahren eingesetzten Kapazitäten bei der WKStA (bestmöglicher Einsatz aller verfügbaren Kapazitäten für die Korruptionsbekämpfung), Evaluierung des Managements von Großverfahren, mit dem Ziel der effizienteren Erledigung der Verfahren und eines effektiven Ressourceneinsatzes (rasche Entscheidungen sichern Vertrauen auf Wirtschaftsstandort und Rechtsstaat), Präzisierung der Zuständigkeiten der WKStA im Sinne einer zielgerichteten Strafverfolgung, soweit sinnvoll" Welche konkreten legistischen oder organisatorischen Maßnahmen beabsichtigen Sie zu ergreifen, um diese einzelnen Ziele umzusetzen? (Um detaillierte Erläuterungen wird ersucht.)