7142/J XXVII. GP
Eingelangt am 24.06.2021
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Arbeit
betreffend Einsatz des AMS-Algorithmus
Das Arbeitsmarktservice (AMS) hätte im Jahr 2020 österreichweit ein Computerprogramm einsetzen sollen, das die Arbeitsmarktchancen von Arbeitssuchenden bewertet und damit einhergehend auch ihre Förderwürdigkeit bestimmt. Demnach soll ein Algorithmus die Chancen berechnen, indem vorab persönliche Daten wie u.a. Alter, Geschlecht, Herkunft, Staatsbürger*innenschaft, Ausbildung, Wohnsitz, Betreuungspflichten und gesundheitliche Beeinträchtigungen eingespeist werden. Geplant war der Ablauf folgendermaßen: Für all diese Kategorien werden Punkte verteilt und die Personen in drei Gruppen kategorisiert: a) gute Chancen, b) mittlere Chancen und c) schlechte Chancen. Die Gruppe mit den mittleren Arbeitsmarktchancen hätte den Anspruch auf Förderungen, während die Gruppe mit den höchsten Chancen von selbst wieder eine neue Arbeit finden würde. Die dritte Gruppe hingegen würde an eine externe Beratungsagentur ausgelagert, bei der Menschen freiwillig an sozialen Aktivitäten, wie Musik- und Bewegungsprogrammen, teilnehmen können. Für diese Gruppe sind keine Aus- oder Weiterbildungskurse vorgesehen. Damit entscheidet dann kein Mensch, sondern ein Algorithmus darüber, wer Betreuungszeit und Fördergeld beim AMS bekommt.
Die geplante Einführung des AMS-Algorithmus hat hohe Wellen geschlagen und ist sowohl von Wissenschafter*innen als auch von Vertreter*innen der Arbeitnehmer*innen massiv kritisiert worden. Besonders verheerende Auswirkungen hätte dieses Auswahlverfahren auf Frauen, die allein schon für ihre Geschlechtskategorie Punkteabzüge bekommen. Bestimmte Fragen, wie Betreuungspflichten, werden auch nur bei Frauen abgefragt. Damit werden bestehende Diskriminierungsmechanismen einmal mehr verfestigt und reproduziert. Aber auch andere Merkmale wie der sozioökonomische Hintergrund oder der Bildungsstand werden weder hinterfragt noch gefördert, sondern als Faktum hingenommen und in die jeweilige Kategorie „abgeschoben". Was bedeutet dieser Vorgang dann konkret beispielsweise für eine alleinerziehende Mutter oder für Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung bzw. Behinderung, aber auch für Lehrlinge oder von Armut betroffene Menschen? Unter diesen Voraussetzungen würde der eigentliche Zweck des Algorithmus, nämlich eine vermeintliche Objektivierung von Arbeitsmarktchancen, de facto verunmöglicht.
Nachdem sich auch die Datenschutzbehörde damit auseinandergesetzt und eine Prüfung eingeleitet hat, hat diese im August 2020 entschieden, dass der Algorithmus in mehreren Punkten nicht den Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) entspricht. Es fehle die rechtliche Grundlage für den Einsatz des AMS Algorithmus. Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings im Dezember 2020 das Verbot der Datenschutzbehörde wieder aufgehoben.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Arbeit folgende
Anfrage
1. War das Ministerium in der Konzipierung des Algorithmus beteiligt?
a. Wenn ja, in welcher Form?
b. Wenn ja, welche Akteur*innen waren außerdem in der Erstellung beteiligt?
c. Wenn nein, warum nicht?
2. Hat es Begutachtungen für den Algorithmus bereits vor der Testphase gegeben?
a. Wenn ja, welche?
b. Wenn ja, wer hat diese Begutachtungen durchgeführt?
c. Wenn ja, zu welchen Schlussfolgerungen kamen diese?
d. Wurden die Schlussfolgerungen veröffentlicht?
e. Wenn nein, warum nicht?
3. Die Pandemie hat den Arbeitsmarkt vor neue Herausforderungen gestellt. Gerade auch das AMS war bzw. befindet sich noch immer in einer Ausnahmesituation. Muss auf Grund dieser aktuellen Entwicklungen das AMAS neu programmiert werden?
a. Wenn ja, welche Akteur*innen sind an einer Neu-Programmierung beteiligt?
b. Wenn ja, welche Indikatoren müssen neu ausgerichtet werden?
c. Wenn nein, warum nicht?
4. Im Vorfeld des Einsatzes des AMAS hat es eine einjährige Testphase gegeben. Wird bei einer Neuprogrammierung wieder eine solche Testphase implementiert?
a. Wenn ja, wie lange wird diese dauern?
b. Wenn nein, warum nicht?
5. Wann ist mit einem österreichweiten Einsatz des AMAS zu rechnen?
6. Inwieweit ist der AMS-Algorithmus konform mit den gültigen verbindlichen AMS-Richtlinien?
7. Jene Personen, die in der Kategorie c) landen, sollen medialer Berichterstattung zu Folge von einer externen Beratungsagentur betreut werden. Um welche Agentur(en) handelt es sich hierbei?
8. Wie hoch sind die Kosten, die bisher für den Einsatz des AMS-Algorithmus entstanden sind?
9. Mit welchem Kostenaufwand ist der Einsatz des AMS-Algorithmus nun insgesamt verbunden?
10. Ist eine Ethikkommission zur Evaluierung der Auswirkungen vorgesehen?
a. Wenn ja, wo wird diese organisatorisch angesiedelt sein?
b. Wenn ja, aus welchen Akteur*innen wird diese bestehen?
c. Wenn nein, warum nicht?
11. Auf welcher rechtlichen Grundlage basiert der Einsatz des AMS-Algorithmus?
12. Welches Unternehmen bzw. welche Institution wurde mit der Programmierung des AMS- Algorithmus beauftragt?
13. Welches Unternehmen bzw. welche Institution wurde mit der Neuprogrammierung des AMS-Algorithmus beauftragt?