7173/J XXVII. GP
Eingelangt am 30.06.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Rückführungsplan mit Westbalkanstaaten
Vergangenen Juli wurde bei einer internationalen Migrationskonferenz in Wien in der sogenannten "Wiener Erklärung" eine "Plattform gegen illegale Migration" oder "Joint Coordination Platform" angekündigt. An der Konferenz haben Vertreter_innen aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Griechenland, dem Kosovo, Kroatien, Montenegro, Nordmazedonien, Österreich, Polen, Rumänien, der Schweiz, Serbien, der Slowakei, Slowenien, der Tschechischen Republik und Ungarn teilgenommen. Darüber hinaus waren Vertreter_innen der Europäischen Kommission, des Generalsekretariats des Rates der Europäischen Union, von EU-Agenturen (EASO, Frontex) und einer internationalen Organisation (ICMPD), anwesend.
Die Plattform hat am 1.1.2021 ihre Arbeit aufgenommen und arbeitet seither laufend zu Themen wie Rückführungen, Grenzmanagement und Asyl. Das Ziel ihrer Arbeit ist eine gemeinsame Strategie zur Bekämpfung der "illegalen Migration", der Schlepperei und organisierter Kriminalität.
Sie, Herr Innenminister Nehammer, sind zu diesem Zwecke vom 27. - 29. April in die Westbalkanstaaten Serbien, Bosnien und Nordmazedonien gereist. Dort haben Sie sich Medienberichten zufolge mit österreichischen Grenzpolizisten sowie mit Ihren jeweiligen Amtskollegen getroffen (siehe z.B. https://kurier.at/politik/inland/innenminister-arbeitet-mit-westbalkan-laendern-an-rueckfuehrungs-plan/401363237).
Das erste Ziel auf der Reise war am Dienstag die Grenzdienststelle Bogorodica an der nordmazedonisch-griechische Grenze, wo Sie das österreichische Polizeikontingent besuchten. Am Dienstagabend war ein Arbeitsgespräch mit dem nordmazedonischen Innenminister Oliver Spasovski geplant. Am Mittwoch ging es weiter an die serbisch-nordmazedonische Grenze zu einem Besuch der dort stationierten österreichischen Sicherheitskräfte. Gegen Mittag flogen Sie nach Sarajevo zu einem Arbeitsgespräch mit dem Sicherheitsminister von Bosnien und Herzegowina, Selmo Cikotic. Am Donnerstag trafen Sie schließlich in Belgrad den serbischen Innenminister Aleksandar Vulin.
Bereits vor Ihrer Reise in die Westbalkanstaaten haben Sie am Sonntag, dem 11.4., in der ORF-"Pressestunde" ein Pilotprojekt zur Rückführung von Migranten "ohne Bleibewahrscheinlichkeit" in die Herkunftsländer angekündigt. Sie erklärten ein gemeinsames Vorhaben mit Bosnien, wonach diese Personen sofort mittels Charter in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden sollen. Ein Charterflug sei bereits in Vorbereitung. Am 28.5. haben Sie dann mit dem bosnischen Sicherheitsminister eine dahingehende Absichtserklärung unterzeichnet (https://orf.at/stories/3211012/). Außerdem haben Sie Bosnien 500.000 Euro zugesagt, um das Camp Lipa winterfest zu machen.
Die geplanten Rückführungen sollen über die im vergangenen Sommer bei der Ministerkonferenz in Wien angekündigten "Plattform gegen illegale Migration" operativ organisiert werden.
Am 4. Mai haben Sie dann auch die italienische Innenministerin Luciana Lamorgese zu einem Arbeitsgespräch zum Thema illegale Migration empfangen (https://bmi.gv.at/news.aspx?id=3641746B6948594C3332553D), wo es laut Angaben des Innenministeriums u.a. um die Effektivität von Rückführungsabkommen ging.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
1. Welche Ergebnisse ergab Ihr Besuch des österreichischen Polizeikontingents an der nordmazedonisch-griechischen Grenze?
a. Welche Maßnahmen setzten Sie in der Folge wann?
i. Mit welchen Konsequenzen wann?
2. Welche Ergebnisse ergab Ihr Besuch des österreichischen Polizeikontingents an der serbisch-nordmazedonischen Grenze?
a. Welche Maßnahmen setzten Sie in der Folge wann?
i. Mit welchen Konsequenzen wann?
3. Welchen konkreten Inhalt hatte das Arbeitsgespräch mit dem nordmazedonischen Innenminister Oliver Spasovski?
a. Welche Position haben Sie in diesem Gespräch vertreten?
b. Welche schriftlichen und mündlichen Vereinbarungen wurden jeweils getroffen?
4. Mit welchen weiteren Personen führten Sie während Ihres Besuchs in Nordmazedonien Gespräche welchen Inhalts?
a. Welche Position haben Sie in diesen Gesprächen jeweils vertreten?
5. Welchen konkreten Inhalt hatte das Arbeitsgespräch mit dem bosnischen Sicherheitsminister Selmo Cikotic?
a. Welche Position haben Sie in diesem Gespräch vertreten?
b. Welche schriftlichen und mündlichen Vereinbarungen wurden jeweils getroffen?
6. Mit welchen weiteren Personen führten Sie während Ihres Besuchs in Bosnien-Herzegowina Gespräche welchen Inhalts?
a. Welche Position haben Sie in diesen Gesprächen jeweils vertreten?
7. Welchen konkreten Inhalt hatte das Arbeitsgespräch mit dem serbischen Innenminister Aleksandar Vulin?
a. Welche Position haben Sie in diesem Gespräch vertreten?
b. Welche schriftlichen und mündlichen Vereinbarungen wurden jeweils getroffen?
8. Seit wann wird an dem von Ihnen angekündigten "Rückführungsplan" gearbeitet?
a. Wie gestaltet(e) sich der Arbeitsprozess?
b. Wer wurde von innerhalb des BMI und von extern wann wozu eingebunden?
c. Welche Staaten, Organisationen oder andere Entitäten sind an der Erarbeitung des Rückführungsplans beteiligt?
d. Welche Kosten sind bisher wodurch wem gegenüber wann entstanden?
9. Mit Vertreter_innen welcher Staaten, Organisationen oder anderer Entitäten führten Sie vor Ihrer Reise in die Westbalkanstaaten wann Gespräche zum Rückführungsplan?
a. Welche Position haben Sie in diesen Gesprächen jeweils vertreten?
10. Welche Maßnahmen sieht der Rückführungsplan im derzeitigen Stadium vor? Bitte um detaillierten Einblick.
11. Liegt bereits ein Konzept zur Umsetzung dieser Maßnahmen vor?
a. Wenn ja, seit wann?
b. Wenn ja, was beinhaltet es genau? Bitte um detaillierten Einblick.
c. Wann sollen die ersten Maßnahmen des Rückführungsplans umgesetzt werden?
12. Anhand welcher Kriterien wird das Vorliegen bzw. Nicht-Vorliegen der "Bleibewahrscheinlichkeit" definiert?
a. Sollte es anhand der Anerkennungsquote definiert werden, die Anerkennungsquoten in welchen Staaten werden hierfür herangezogen?
b. Sollte es Listen von Herkunftsländern mit/ohne Bleibewahrscheinlichkeit geben, bitte um Übermittlung dieser Listen.
c. Wie definierten welche VertreterInnen welcher anderer Staaten mit denen Sie oder Ihre MitarbeiterInnen wann sprachen, die Kriterien?
13. Welches Verfahren ist zur Definition der "Bleibewahrscheinlichkeit" vorgesehen?
a. Welche (Asyl-)Behörden/Amtsträger_innen sind an dem Verfahren wie beteiligt?
b. Werden im Rahmen dieses Verfahrens nationale Statistiken über Anerkennungsquoten ausgetauscht?
c. Wann gab es bereits Gespräche zur Definition der "Bleibewahrscheinlichkeit"? Bitte um genaue Erläuterung des Inhalts, der Teilnehmenden und der Ergebnisse der Gespräche.
d. Ist ein regelmäßiger Austausch zur Überprüfung und Anpassung der Definition der "Bleibewahrscheinlichkeit" geplant?
i. Wenn ja, welche (Asyl-)Behörden/Amtsträger_innen werden daran beteiligt sein?
ii. Wenn ja, wie häufig ist ein solcher Austausch in welcher Form geplant?
iii. Wenn nein, warum nicht?
14. Welches Verfahren sieht der Rückführungsplan vor der "sofortigen" Rückführung einer Person in ihr Herkunftsland vor? Bitte um genaue Erläuterung aller Verfahrensschritte.
15. Zu welchem Zeitpunkt soll das Vorliegen bzw. Nicht-Vorliegen der "Bleibewahrscheinlichkeit" einer Person durch wen geprüft werden?
a. Welche Konsequenzen hat die Feststellung des Nicht-Vorliegens der "Bleibewahrscheinlichkeit" für den Verfahrenslauf? Bitte um genaue Erläuterung.
16. Welche Maßnahmen und Schutzmechanismen sind für die Kontrolle und Einhaltung menschenrechtlicher Verpflichtungen ab wann geplant?
a. Für die Durchführung eines fairen, effizienten und rechtsstaatlichen Asylverfahrens?
b. Für den Zugang zu Rechtsmitteln?
c. Für die Einhaltung des Non-Refoulement-Gebots?
17. Wer ist für die Umsetzung dieser Maßnahmen und Schutzmechanismen zur Kontrolle und Einhaltung menschenrechtlicher Verpflichtungen zuständig?
18. Wie viele Menschen welcher Nationalität sollen mit dem Charterflug, den Sie aktuell mit Ihren bosnischen Amtskolleg_innen vorbereiten, wann rückgeführt werden?
a. Wie viele von ihnen sind Asylwerber_innen?
b. Wie viele von ihnen sind abgelehnte Asylwerber_innen?
19. Sie versprachen dem bosnischen Innenminister 500.000 Euro, um das Camp Lipa winterfest zu machen. Welche weiteren Vorteile erhält Bosnien, aber auch Serbien und Nordmazedonien jeweils als Teil der Vereinbarung über den gemeinsamen Rückführungsplan?
20. Welchen konkreten Inhalt hatte das Arbeitsgespräch mit der italienischen Innenministerin Luciana Lamorgese?
a. Welche schriftlichen und mündlichen Vereinbarungen wurden jeweils getroffen?
b. Inwiefern soll Italien am Rückführungsplan beteiligt werden?