7207/J XXVII. GP
Eingelangt am 06.07.2021
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Anfrage
der Abgeordneten Andreas Ottenschläger
Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie
betreffend Klarheit und Transparenz für das ASFINAG-Bauprogramm
Eine sachliche Diskussion über die Zukunft des Straßenverkehrs ist sehr wichtig. Die angekündigte Evaluierung des ASFINAG-Bauprogrammes hat aber bei vielen Betroffenen und Beteiligten für Verunsicherung gesorgt. Aufgrund der Klimaziele wird derzeit die notwendige Transformation des Verkehrs schrittweise vollzogen. Denn es zeichnet sich ab, dass alternative Antriebe auch eine zunehmende Ökologisierung des motorisierten Individualverkehrs mit sich bringen. Diese ist deshalb so wichtig, weil wir auch in Zukunft Individualverkehre und Lieferverkehre auf den Straßen verzeichnen werden. Um diese auch im Sinne des Klimaschutzes unter dem Aspekt der Entlastung der betroffenen Bevölkerung möglichst effizient und fließend gewährleisten zu können, braucht es Ausbauten und Adaptionen der österreichischen Straßeninfrastruktur. Es ist also damit zu rechnen, dass der dekarbonisierte, klimaneutrale Verkehr einen hohen, rasch wachsenden Anteil am Gesamtverkehr aufweisen wird.
Es ist grundsätzlich verständlich und sinnvoll, dass Bodenverbrauch und andere ökologische Auswirkungen bei diesen Projekten geprüft werden. Aber auch die Verkehrssicherheit muss bei allen verkehrspolitischen Überlegungen immer eine wesentliche Rolle spielen, um beispielsweise eine Verlagerung von Verkehr aus einem Ortsgebiet auf das höherrangige Straßennetz zu erreichen. In diesen Fällen geht es darum, die Belastung von Anrainerinnen und Anrainern zu reduzieren, die mit überdimensional viel Transitverkehr konfrontiert sind. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von notwendigen, sicherheitsrelevanten Sanierungen im österreichischen Straßennetz, bei denen wir den Anspruch haben sollten, sie rasch, ordnungsgemäß und zukunftsorientiert durchzuführen.
Der Gesetzgeber hat im Bundestraßengesetz die rechtliche Grundlage für in seinem Verantwortungsbereich liegende strategische Infrastrukturvorhaben im hochrangigen Straßennetz geschaffen, was in das regelmäßig aktualisierte ASFINAG-Bauprogramm mündete. Wenn darin gelistete Projekte, die bisher außer Streit standen, nun ergebnisoffen neu evaluiert werden sollen, sollte darüber Transparenz herrschen. Auch die Grundlagen der Evaluierung, die Kriterien der Abwieglung und die letztliche Entscheidungsfindung muss dabei klar, transparent und nachvollziehbar sein. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei immer auf der allgemeinen Verkehrssicherheit liegen. Deshalb sind Verschiebungen von Projekten, bei denen ein Baustopp zu Lasten von im Sinne der gebotenen Sicherheit durchzuführenden Sanierungen und Ausbauten geht, von besonderem Interesse. Da von den Auswirkungen einer Evaluierung und möglichen Verschiebungen sehr viele Menschen betroffen sind, braucht es hier eine sachliche Diskussion und einen Dialog, der vor allem auch die Interessen der betroffenen Bevölkerung und des Standortes miteinbezieht.
Es ist hervorzuheben, dass etwa durch den Bau der Außenring-Schnellstraße (S 1) die Wiener Südosttangente (A 23) mit ihren alltäglichen, stundenlangen Staus wirksam entlastet werden könnte, was auch die durch Dauerstau auf der Tangente bedingten zusätzlichen Emissionen reduzieren könnte. Was etwa die S 1 betrifft stünden laut Stadt Wien wesentliche Stadtentwicklungsprojekte in der Seestadt Aspern bzw. im Bereich nördlich des neu erschlossenen Stadtteils auf der Kippe und somit Wohnungen für 60.000 Menschen.
Zum Bauablauf der S1 wird überdies befürchtet, dass eine Änderung des Projektablaufes insbesondere in Zusammenhang mit der Errichtung der Unterführung der ÖBB-Strecke Stadlau-Marchegg in zeitlicher Abstimmung mit Bauarbeiten der ÖBB zur Elektrifizierung der Strecke bei der S1 zu einer massiven Verzögerung führt, weil dann das Zeitfenster mit der ÖBB nicht mehr genützt werden könne.
Schließlich ist der Bau des ersten Abschnitts der S1 behördlich freigegeben und es fehlt lediglich eine (wasserrechtliche) Anzeige für den Baubeginn im Februar 2022. Diese sollte aber durch die ASFINAG an die zuständigen Behörden in Wien und NÖ mit einem Vorlauf von mindestens 6 Monaten erfolgen und war bis Ende Mai angekündigt. Diese ist aber bisher nicht ergangen.
Den Mandataren vorliegenden Informationen zufolge sind nicht
nur Wien und Niederösterreich mit der S1 betroffen, sondern viele
erwartete Neubauprojekte und sicherheitsrelevante Bauvorhaben in den
Bundesländern wie z.B. A 12 Tschiganttunnel,
S 10 Freistadt Nord – Rainbach Nord, S 8 Kn. S 1 – Gänserndorf
bzw. Gänserndorf – Staatsgrenze, S 18 Bodensee Schnellstraße,
S 36 Judenburg – St. Georgen, S 37 St. Veit – Friesach, S 34, Traisental
Schnellstraße, S 4, Sicherheitsausbau Wr.Neustadt-Mattersburg, A 2,
Spurzulegung Kottingbrunn-Wr.Neustadt oder A 22, Spurzulegung bei Stockerau.
Auf Kapazitätserweiterungen wird man demnach etwa in Salzburg (A 1 Wallersee – Salzburg Nord), der Steiermark (A 9 Graz West – Wildon) oder dem Burgenland (Bruck West – Neusiedl) warten.
Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehende
Anfrage:
1. In welcher Form haben Sie der ASFINAG mitgeteilt, dass Neubau- und Kapazitätserweiterungsprojekte des Bauprogramms einer umfassenden Evaluierung in Hinblick auf die Zielsetzung des Regierungsprogramms 2020 unterzogen werden sollen?
2. Was ist der konkrete Inhalt dieses Schreibens?
3. Warum haben Sie entschieden, alle Bauprojekte des ASFINAG per Weisung stoppen und evaluieren zu lassen?
4. Wer hat diese kolportierte „Weisung“ in welcher Form der ASFINAG wann zugestellt?
5. Haben Sie selbst diese „Weisung“ in Auftrag gegeben?
6. Wenn nein, wer war sonst in diese Entscheidung seitens des Kabinetts und/oder des Ressorts eingebunden?
7. Ist rechtlich gesichert, dass die Eigentümervertreterin einer Aktiengesellschaft bzw. dem Vorstand dieser eine Weisung erteilen kann?
8. Wer ist in Ihrem Ministerium zu solchen Akten befugt?
9. Gilt dies für alle Beteiligungen Ihres Hauses oder nur für die ASFINAG?
10. Wie gestaltet sich die Evaluierung der Projekte aus dem ASFINAG-Bauprogramm in inhaltlicher und zeitlicher Perspektive?
11. Welche Projekte der ASFINAG sind konkret gestoppt und von dieser Evaluierung betroffen?
12. Sind auch in Bau befindliche Projekte betroffen?
13. Welche dieser Projekte sind für die Verkehrssicherheit relevant?
14. Sind Projekte, für die es bereits entsprechende behördliche Genehmigungen gibt, betroffen?
15. Können Sie sicherstellen, dass es durch die Evaluierung nicht zu einer technischen oder zeitlichen Verhinderung des Baus bereits genehmigter Projekte kommt?
16. Wenn nein, wie lange werden sich die Projekte im Einzelnen verzögern?
17. Welche Kosten entstehen durch die Verzögerungen?
18. Ab wann werden wieder Ausschreibungen für etwaige Bauphasen oder bauliche Vorbereitungsmaßnahmen wie Grabungen, Bodenerkundungen, öffentlich-rechtliche Anzeigen, etc. möglich sein?
19. Welche Daten, Grundlagen und Überlegungen, werden für den Evaluierungsprozess herangezogen?
20. Werden in diesen Evaluierungsprozess die betroffenen Länder und Gemeinden miteinbezogen werden?
21. Werden Sie bei der Evaluierung auch das Thema Verkehrssicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs, die im Sinne des Klimaschutzes ist, bewerten lassen?
22. Wie erfolgt die Abwägung unterschiedlicher Interessen?
23. Wie wird bei der Evaluierung auf die derzeit vom Individualverkehr betroffene Bevölkerung Rücksicht genommen, die sich durch die Bauprojekte eine Entlastung erwartet hat?
24. Welche Expertinnen und Experten werden bei der Evaluierung beigezogen?
25. Wann soll der Evaluierungsprozess abgeschlossen sein?
26. Wer wurde mit der Durchführung dieses Evaluierungsprozesses beauftragt?
27. Wann erwarten Sie erste Ergebnisse und wie werden diese kommuniziert?
28. Welche Stakeholder werden in den Evaluierungsprozess einbezogen?
29. Wie werden sich die Ergebnisse der Evaluierungen auf die einzelnen betroffenen Projekte auswirken (Bitte um die Angabe der zu erwartenden Verzögerungen von allen betroffenen Projekten.)?
30. Sind Verzögerungen von Projekten zu erwarten, bei denen Sanierungsarbeiten auf Bestandsstrecken im Sinne der Verkehrssicherheit durchgeführt werden?
31. Sind Verzögerungen bei der Errichtung von Lärmschutzwänden oder anderer Lärmschutzmaßnahmen, die für die Lebensqualität betroffener Anrainerinnen und Anrainer wichtig sind, zu erwarten?
32. Die Stadt Wien und die Wirtschaftskammer Wien prüfen laut Medienberichten im Falle eines Projekt-Stopp des Lobautunnelprojekts juristische Schritte, die Stadtentwicklungsprojekte in Aspern stünden auf der Kippe, Wohnungen für 60.000 Menschen könnten damit nicht gebaut werden. Wie beurteilen Sie diese möglichen rechtlichen Schritte?
33. Welche Auswirkungen hätte eine Einstellung des
Lobautunnel-Projektes für die geplante Stadtstraße und damit
verbunden die weitere Stadtentwicklung des 21. und des 22. Wiener
Gemeindebezirkes?
34. Warum ist die oben erwähnte wasserrechtliche Anzeige zur S1 noch nicht ergangen, obwohl diese schon vor der jüngsten Weisung erfolgen hätte können?
35. Ist es korrekt, dass die zwischen Land Tirol und ASFINAG vereinbarte Umplanung der Autobahnanschlussstelle Schwaz seitens des Ministeriums abgelehnt wurde?
36. Welche volkswirtschaftlichen Auswirkungen könnten etwaige Absagen oder Verzögerungen von geplanten ASFINAG-Projekten kurz-, mittelfristig und langfristig haben?