752/J XXVII. GP
Eingelangt am 06.02.2020
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mag.a Selma Yildirim, Genossinnen und Genossen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend massive Angriffe des Bundeskanzlers auf die Justiz, insbesondere die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft
Im „Falter“ 6/20 erschien ein dramatischer Artikel von Florian Klenk zum Thema „Wie Sebastian Kurz die Korruptionsbehörde anpatzt“.
Demnach habe Bundeskanzler Kurz am 20. Jänner 2020 zu einem „Hintergrundgespräch“ in die politische Akademie der ÖVP geladen und rund 40 Vertreter aller großen Medien sind auch gekommen.
Der „Falter“ schreibt dazu auszugsweise: „Der Kanzler nutzte den Talk dazu, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft massiv anzugreifen - und zwar, weil sie einen Fall von Regierungskriminalität untersucht, einseitig, wie Kurz unterstellt. ,Es war heftig, ungewöhnlich und emotional“, erzählen mehrere Kollegen unter Zusicherung von Anonymität dem Falter.“
„Die Korruptionsbehörde, so streute Kurz in die verdutzte Journalistenschar Verschwörungstheorien, bestehe aus einem Netzwerk roter Staatsanwälte, die einander zum Teil vom Bund Sozialistischer Akademiker (BSA) kennen würden. Die Ankläger würden mit Vorliebe schwarze Politiker aufgrund anonymer Anzeigen verfolgen und dann die Akten nach außen spielen...“
„Die anwesenden Journalisten staunten, einige widersprachen heftig. Manche wunderten sich, das tags darauf im Kurier ein Artikel mit genau dem gleichen Spin erschien: Unternehmensberater sollen die Korruptionsbehörde evaluieren. Man werde ihre Kompetenzen beschneiden, die Chefin möglicherweise austauschen und Strafgesetze, die dem ,Wirtschaftsstandort schaden‘, ändern. Außerdem würde die Truppe Akten an die Medien spielen. Ein Vorwurf, der schlicht falsch ist.“
Und weiter schreibt der „Falter“: „Der Kanzler versucht offenbar lästige Ermittler mittels ,dirty campaining‘ von sich und den Seinen fernzuhalten. Er unterstellt den Ermittlern fortgesetzten Amtsmissbrauch und Geheimnisverrat. Er verleumdet die Behörde und patzt sie an...“
Im weiteren Verlauf des Artikels führt der Falter auch aus, „dass bei der WKStA kein Mitglied des BSA sitzt. Es wurde dort auch gegen SPÖ Politiker hart ermittelt...“
Sollte der Inhalt dieses Artikels im Wesentlichen den Tatsachen entsprechen - und die Seriosität der Zeitschrift „Falter" gibt wenig Anlass daran zu zweifeln - könnte dies einer der größten Skandale der letzten Jahre sein. Dass ein Bundeskanzler in der geschilderten Form die Justiz und insbesondere die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft angreift, hat es noch nicht gegeben.
Die SPÖ wird nicht zulassen, dass der Bundeskanzler Einfluss auf die Ermittlungsbehörden nehmen will und Kontrolle, Aufklärung und Transparenz gefährdet werden.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an die Bundesministerin für Justiz nachstehende
1. Wie beurteilen Sie im gegenständlichen Falter-Artikel dargestellten schwerwiegenden Angriffe des Bundeskanzlers auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft im Hinblick auf die Notwendigkeit, dass die WKStA ihren gesetzlichen Aufgaben unvoreingenommen und effektiv gerecht werden kann?
2. Teilen Sie die Auffassung, dass die WKStA einen Fall von Regierungskriminalität einseitig untersuche? (Es handelt sich offensichtlich um die Casinos-Affäre, Anm. der Anfragesteller)
3. Teilen Sie die Auffassung, dass die Korruptionsbehörde aus einem „Netzwerk roter Staatsanwälte... bestehe, die einander zum Teil vom Bund Sozialistischer Akademiker (BSA) kennen würden“ - dies alles angesichts der Tatsache, wie auch im Falter steht, das „bei der WKStA kein Mitglied des BSA sitzt“?
4. Wie beurteilen Sie die im Falter zitierte Aussage des Bundeskanzlers, nachdem „die Ankläger würden mit Vorliebe schwarze Politiker aufgrund anonymer Anzeigen verfolgen und dann die Akten nach außen spielen“?
5. Wenn der in Frage vier zitierte Vorwurf des Kanzlers stimmen würde, hieße dies, dass er den Ermittlern fortgesetzten Amtsmissbrauch und Geheimnisverrat unterstellt. Haben Sie Anhaltspunkte dafür, dass dieser Vorwurf zurecht besteht?
6. Wenn Sie keine Anhaltspunkte dafür haben, dass diese Vorwürfe zurecht bestehen: Wie beurteilen Sie unter diesem spezifischen Gesichtspunkt die Vorwürfe des Bundeskanzlers?
7. Wie beurteilen Sie die Kritik an der WKStA, wie sie im gegenständlichen Artikel vom Bundeskanzler im Zusammenhang mit Ex-Finanzminister Hartwig Löger erhoben wird?
8. Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass einen Tag nach diesem Gespräch im „Kurier“ ein Artikel mit genau dem gleichen Spin erschien: Unternehmensberater sollen die Korruptionsbehörde evaluieren. Man werde ihre Kompetenzen beschneiden und die Chefin möglicherweise austauschen und Strafgesetze, die ,dem Wirtschaftsstandort schaden' ändern?
9. Im gegenständlichen Artikel wird angeführt, dass das Oberlandesgericht (im Zusammenhang mit der Casinos-Affäre) die „Rechtmäßigkeit der Razzien bestätigt... hat, der Verdacht sei ausreichend, um Telefonüberwachungen und die Beschlagnahme der Chat-Protokolle durchzuführen...“ Wie beurteilen Sie vor dem Hintergrund, dass das Oberlandesgericht die Vorgangsweise der WKStA bestätigt habe die diesbezüglichen Vorwürfe des Bundeskanzlers?
10. Wie beurteilen Sie die im gegenständlichen Artikel genannten Vorwürfe von Wirtschaftsanwalt Georg Schima gegen die WKStA?
11. Wie beurteilen Sie die Pläne, nach denen die reinen Wirtschaftsdelikte wieder zu den lokalen Staatsanwaltschaften gehen sollten und nicht mehr von der WKStA verfolgt werden sollen?
12. Sind Sie der Auffassung, dass eine derartige Schwächung der WKStA der Ermittlungsbehörden hohe Kompetenz, die sich in Wirtschaftsstrafsachen dort in den letzten Jahren angesammelt hat, beseitigen würde?
13. Wie beurteilen Sie die Forderung, dass perspektivisch durch eine Verfassungsänderung ein Bundesstaatsanwalt die Weisungsspitze gegenüber den staatsanwaltlichen Behörden sein sollte?
14. Hat sich Bundeskanzler Kurz mit Ihnen oder Ihrem Ressort vor seinen Ausführungen in genannten Hintergrundgespräch über die Sachverhalte erkundigt, über die er sich dann in diesem Gespräch sehr ausführlich geäußert hat und die WKStA auf sehr scharfe Weise angegriffen hat?