7613/J XXVII. GP

Eingelangt am 05.08.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort

betreffend Gewerbeberechtigungen 2020

 

Die österreichischen Unternehmen kämpfen aktuell nicht nur mit den Auswirkungen des Coronavirus, sondern auch mit einer stetig steigenden Zahl an Vorschriften und immer komplexer werden Regulierungen. Die von NEOS lange geforderten Abgabenentlastungen für Unternehmen und arbeitende Menschen, sowie die Entbürokratisierung und Strukturreformen lassen weiter auf sich warten.

Eine mögliche Maßnahme zur notwendigen Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des österreichischen Wirtschaftsstandortes wäre die längst überfällige Entrümpelung der Gewerbeordnung. Im 21. Jahrhundert gilt es die Unternehmen zu stärken, anstatt sie mit überbordenden Auflagen zu blockieren. Schränken wir die Beweglichkeit der Klein- und Mittelbetriebe im internationalen Wettbewerb zu stark ein, so geben wir sie geschwächt dem internationalen Konkurrenzkampf preis.

Jene Gewerbe bzw. Tätigkeiten, deren Ausübung das Leben und die Gesundheit von Menschen gefährden, sollen auch weiterhin reglementiert bleiben. Dies steht auch für NEOS außer Frage. Allerdings stellt sich die Frage, inwiefern die Reglementierungen zu einer Förderung des Berufes beitragen. So stehen beispielsweise 81 Berufe auf der Liste der reglementierten Gewerbe in Österreich (1), einige dieser Berufe finden sich aber ebenfalls auf der Liste der Mangelberufe - so etwas Tischler und Spengler (2). Traditionell kommt aus Richtung der ÖVP bei Debatten über reglementierte Gewerbe aber die Befürchtung um die Qualität der Ausbildung, weshalb man wenig an bisherigen Zuständen ändern will (3). Die strenge Reglementierung eines Gewerbes erscheint unter diesem Aspekt allerdings eher eine überbordende Maßnahme - wenn sich keiner für einen Beruf ausbilden lassen möchte, brauchen die Zutrittsregeln nicht noch strenger sein, sondern die Politik sollte wohl eher über die Attraktivierung von Berufsbildern nachdenken. Ein Extrembeispiel dafür ist etwa der Beruf der Uhrmacher - in diesem gibt es in ganz Österreich lediglich einen Lehrling.

Unter Berücksichtigung solcher und weiterer Einschränkungen gibt es eine Vielzahl an Gewerben und Berufen, deren Öffnung und Zusammenlegung dringend einer Evaluierung bedürfen. Diese Ansicht teilen auch in regelmäßigen Abschnitten Wirtschaftsexperten von WIFO, IHS und anderen Wirtschaftsforschungsinstituten (4,5).

Zuletzt analysierte der Rechnungshof 2019 in einem Bericht den Zugang zur gewerblichen Berufsausübung (6). Aufbauend auf die jahrelangen Empfehlungen der Europäischen Kommission im Rahmen des Europäischen Semesters nach Reformen hielt der Rechnungshof fest, dass eine Evaluierung nach bürokratischen Hemmnissen  und ökonomischen Auswirkungen zu erfolgen hätte. In dem Bericht empfiehlt der Rechnungshof eine Neukodifzierung der Gewerbeordnung mit dem Ziel, ein zeitgemäßes, übersichtliches und anwenderfreundliches Regelwerk zu schaffen. Dies wird auch als wichtiger Schritt ausgewiesen, um eine verstärkte Nutzung digitaler Anmeldungen zu ermöglichen. Der Rechnungshof kritisiert auch die Untätigkeit bisheriger Wirtschaftsminister_innen, indem eine verstärkte Nutzung der bestehenden Kompetenzen zur Steuerung im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung im Hinblick auf eine transparente, bundesweit einheitliche Vollziehung der Gewerbeordnung angeregt wurde. Auch die OECD hat in ihrer Country Note 2021 die Reform der Regulierungen im Dienstleistungssektor angeregt. Genutzt haben all diese sachlichen Empfehlungen leider nicht. 

Quellen:

(1) https://www.bmdw.gv.at/dam/jcr:ede4a009-0519-4688-bafe-16699ffc59fa/Reglementierte_Gewerbe_BMDW.pdf

(2) https://www.migration.gv.at/de/formen-der-zuwanderung/dauerhafte-zuwanderung/bundesweite-mangelberufe/

(3) https://www.diepresse.com/5086809/die-spo-entdeckt-die-unternehmer

(4) https://www.diepresse.com/5081198/gewerbe-was-sich-andern-muss

(5) https://oe1.orf.at/artikel/450977/Widerstand-gegen-neue-Gewerbeordnung

(6) https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/Zugang_gewerbl.Berufsausu_bung.pdf

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Wie viele Personen mit Gewerbeberechtigung/Gewerbeschein gibt es in Österreich? (Auflistung jährlich seit 2015 nach Bundesländern und Gewerben)
  2. Wie viele Gewerbeberechtigungen/Gewerbescheine gibt es in Österreich? (Auflistung jährlich seit 2015 nach Bundesländern und Gewerben)
  3. Wie viele Gewerbeberechtigungen/Gewerbescheine wurden neu ausgestellt? (Auflistung jährlich seit 2015 nach Bundesländern und Gewerben)
  4. Wie viele Lehrlingsausbildungen wurden in reglementierten Gewerben begonnen? (Auflistung jährlich seit 2015 nach Bundesländern und Gewerben)
  5. Wie viele Lehrlingsausbildungen wurden in reglementierten Gewerben erfolgreich abgeschlossen? (Auflistung jährlich seit 2015 nach Bundesländern und Gewerben)
  6. Wie viele Gewerbeberechtigungen/Gewerbescheine wurden zurückgelegt? (Auflistung jährlich seit 2015 nach Bundesländern und Gewerben)
  7. Im Regierungsprogramm werden in den Kapiteln Standort, Entbürokratisierung & Modernisierung und EPUs & KMUs diverse Schritte angedacht. Welchen Zeitplan haben Sie sich für die Abarbeitung der einzelnen Punkte gesetzt? Bitte um Auflistung der bereits umgesetzten und noch in Arbeit befindlichen Punkte mit Bearbeitungsstatus und erfolgten bzw. geplantem Umsetzungsdatum.
  8. Immer wieder wurden regulatorische Erleichterungen im Bereich digitaler Dienstleistungen von Ihnen angesprochen. Welche gesetzlichen Änderungen sind dazu angedacht und wann sollen diese umgesetzt werden?
  9. Inwiefern wurde seit Beginn der Legislaturperiode die geltende Gewerbeordnung evaluiert?
  10. Welche Empfehlungen des Rechnungshofes (Bericht 2019) wurden umgesetzt? (Bitte Schlussempfehlungen und entsprechenden Umsetzungsstand einzeln angeben)
  11. Ist eine Neukodifzierung der Gewerbeordnung geplant?
    1. Falls ja: Wann und inwiefern?
    2. Falls nein: Warum nicht?