Eingelangt am 17.08.2021
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Helmut
Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für
europäische und internationale Angelegenheiten
betreffend Afghanistan unter den
Taliban
Am 15. August meldeten die
fundamental-islamistischen Taliban die Einnahme des Präsidentenpalasts in
Kabul, Präsident Aschraf Ghani hatte zuvor das Land fluchtartig verlassen.
Afghanistan ist nun de facto wieder unter der Kontrolle einer
mittelalterlichen Organisation, die Frauen aus dem öffentlichen Leben
verbannt, Mädchen von Schulbildung und Frauen vom Berufsleben ausschließt
und sie als Anhängsel ihrer Väter, dann Ehemänner, dann
Söhne ansieht.
Die Machtergreifung der Taliban erfolgte
gewaltsam und vertrieb eine von der internationalen Gesellschaft anerkannte und
unterstützte Regierung. Die Taliban beweisen bereits jetzt, dass sie wie
in ihrer ersten Periode an der Macht gegen international anerkannte
Mindestnormen und Menschenrechte verstoßen. Es gibt durch
Bildaufzeichnungen untermauerte Belege von öffentlichen Hinrichtungen,
inklusive Steinigungen von Frauen, sowie Auspeitschungen von Frauen für
"moralische Vergehen." Nichts deutet darauf hin, dass die Taliban
ihre zweite Herrschaftsperiode weniger grausam, frauenfeindlich und
mittelalterlich anlegen werden als die erste.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
Anfrage:
- Die Taliban haben die international
anerkannte Regierung durch einen Bürgerkrieg gestürzt. Die
Ghani-Regierung war auch von Österreich anerkannt und – sogar
durch das Bundesheer – unterstützt. Welche Position nimmt die österreichische
Bundesregierung zum neuen Taliban-Regime ein? Erkennt Österreich
dieses durch Gewalt an die Macht gekommene Regime als legitim an?
- Steht die österreichische
Bundesregierung derzeit in Kontakt mit den Taliban?
- Bundesminister Schallenberg hat die Taliban
zur Rückkehr an den Verhandlungstisch und zu einer Abkehr von ihrem
"rücksichtslosen Vorgehen" aufgefordert. Welche
Kanäle hat er für diese Aufforderung benutzt? Hat er eine
Antwort erhalten? Wenn ja, welche?
- Gibt es nach der Machtübernahme durch
die Taliban in der Einschätzung des BMEIA noch sichere Gebiete in
Afghanistan?
- Wenn ja, welche?
- Wäre das Abschiebeabkommen mit der
gegenwärtigen Regierung der Rechtseinschätzung des BMEIA nach
auch mit einer Taliban-Regierung gültig?
- Welche Auswirkungen hat die Machtübernahme
durch die Taliban auf die Sicherheitsstufenbewertung des Landes durch die
Bundesregierung?
- Österreich sieht sich selbst als
Verfechterin der Menschenrechte auf der internationalen Bühne.
Können aus Ihrer Sicht die Grund- und Menschenrechte von
Zivilist_innen in Afghanistan vollkommen sichergestellt werden?
- Wenn nein, wie rechtfertigen Sie die
Absicht der Bundesregierung, weiterhin Menschen in dieses Gebiet
abzuschieben?
- Wird Österreich auch in ein von den
Taliban kontrolliertes Land abschieben?
- Inwieweit müsste sich die Lage in
Afghanistan verschlechtern, damit Abschiebungen in dieses Land ausgesetzt
werden?
- Wenn weiterhin Abschiebungen stattfinden
sollen und diese ohne internationale Hilfe durch nationale
Charterflüge via Pakistan stattfinden sollen, welche Rolle
würde die Botschaft in Islamabad spielen? Wäre ein Flug nach
Pakistan und eine Weiterführung an die afghanische Grenze ohne
Assistenz durch das Aufnahmeland möglich und mit internationalen
Normen konform?
- Österreich hat keine Botschaft in Kabul
und keinen Einfluss auf die Taliban. Wird die österreichische
Bundesregierung und insbesondere das BMEIA seine Position zum neuen Regime
in Afghanistan erarbeiten? Wird es eine gemeinsame europäische
Position geben?
- Wenn ja, wird Österreich eine
Mehrheitsposition der europäischen Staaten mittragen? (Im
Regierungsprogramm fordert die Koalition eine Mehrheitsentscheid anstatt
der geltenden Einstimmigkeit.)
- Das BMEIA bekennt sich zur Gleichstellung
von Frauen als ein grundlegendes Prinzip aller außenpolitischen
Projekte und Maßnahmen.
- Wie bewertet das Außenministerium die
Taliban Regierung in Hinblick auf das Wirkungsziel
"Geschlechtergleichstellung?" Ist es unter dem Prinzip der
Geschlechtergleichstellung möglich, eine von den Taliban
geführte Regierung anzuerkennen?
- Gibt es vonseiten Österreichs
Mindestforderungen, die das Taliban Regime in Bezug auf Frauenrechte
anerkennen muss, um von Österreich anerkannt zu werden?
- Gibt es Mindestforderungen in Hinblick auf
Menschen- und Frauenrechte, bei deren Verletzung Österreich
Sanktionen gegen die Taliban Regierung verhängen würde? Wenn
ja, bilateral oder in Zusammenarbeit mit der Europäischen Union?
- Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung
der Menschenrechte legt fest, dass Menschen, die vor Verfolgung fliehen,
das Recht haben, Asyl zu suchen und zu genießen. EU-rechtlich wurde
zudem in der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU der Status des
subsidiären Schutzes für Menschen geschaffen, welchen im
Herkunftsland ein ernsthafter Schaden wie die Todesstrafe, Folter oder
andere unmenschliche Behandlung oder Bestrafung droht. Dieser Schutzstatus
kommt insbesondere für Menschen, die vor bewaffneten Konflikten
fliehen, zum Tragen. Wie bewertet die österreichische Bundesregierung
die Situation in Afghanistan unter den Taliban in Hinblick auf das Recht
auf Asyl unter internationalen und europarechtlichen Standards?
- Wird Österreich weiterhin
internationales und EU-Recht vollinhaltlich anerkennen und umsetzen?