7663/J XXVII. GP

Eingelangt am 17.08.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten

betreffend Afghanistan unter den Taliban

 

Am 15. August meldeten die fundamental-islamistischen Taliban die Einnahme des Präsidentenpalasts in Kabul, Präsident Aschraf Ghani hatte zuvor das Land fluchtartig verlassen. Afghanistan ist nun de facto wieder unter der Kontrolle einer mittelalterlichen Organisation, die Frauen aus dem öffentlichen Leben verbannt, Mädchen von Schulbildung und Frauen vom Berufsleben ausschließt und sie als Anhängsel ihrer Väter, dann Ehemänner, dann Söhne ansieht. 

Die Machtergreifung der Taliban erfolgte gewaltsam und vertrieb eine von der internationalen Gesellschaft anerkannte und unterstützte Regierung. Die Taliban beweisen bereits jetzt, dass sie wie in ihrer ersten Periode an der Macht gegen international anerkannte Mindestnormen und Menschenrechte verstoßen. Es gibt durch Bildaufzeichnungen untermauerte Belege von öffentlichen Hinrichtungen, inklusive Steinigungen von Frauen, sowie Auspeitschungen von Frauen für "moralische Vergehen." Nichts deutet darauf hin, dass die Taliban ihre zweite Herrschaftsperiode weniger grausam, frauenfeindlich und mittelalterlich anlegen werden als die erste.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Die Taliban haben die international anerkannte Regierung durch einen Bürgerkrieg gestürzt. Die Ghani-Regierung war auch von Österreich anerkannt und – sogar durch das Bundesheer – unterstützt. Welche Position nimmt die österreichische Bundesregierung zum neuen Taliban-Regime ein? Erkennt Österreich dieses durch Gewalt an die Macht gekommene Regime als legitim an?
    1. Steht die österreichische Bundesregierung derzeit in Kontakt mit den Taliban?
    2. Bundesminister Schallenberg hat die Taliban zur Rückkehr an den Verhandlungstisch und zu einer Abkehr von ihrem "rücksichtslosen Vorgehen" aufgefordert. Welche Kanäle hat er für diese Aufforderung benutzt? Hat er eine Antwort erhalten? Wenn ja, welche?
  1. Gibt es nach der Machtübernahme durch die Taliban in der Einschätzung des BMEIA noch sichere Gebiete in Afghanistan?
    1. Wenn ja, welche?
  1. Wäre das Abschiebeabkommen mit der gegenwärtigen Regierung der Rechtseinschätzung des BMEIA nach auch mit einer Taliban-Regierung gültig? 
  2. Welche Auswirkungen hat die Machtübernahme durch die Taliban auf die Sicherheitsstufenbewertung des Landes durch die Bundesregierung?
  3. Österreich sieht sich selbst als Verfechterin der Menschenrechte auf der internationalen Bühne. Können aus Ihrer Sicht die Grund- und Menschenrechte von Zivilist_innen in Afghanistan vollkommen sichergestellt werden?
    1. Wenn nein, wie rechtfertigen Sie die Absicht der Bundesregierung, weiterhin Menschen in dieses Gebiet abzuschieben?
  1. Wird Österreich auch in ein von den Taliban kontrolliertes Land abschieben?
    1. Inwieweit müsste sich die Lage in Afghanistan verschlechtern, damit Abschiebungen in dieses Land ausgesetzt werden?
    2. Wenn weiterhin Abschiebungen stattfinden sollen und diese ohne internationale Hilfe durch nationale Charterflüge via Pakistan stattfinden sollen, welche Rolle würde die Botschaft in Islamabad spielen? Wäre ein Flug nach Pakistan und eine Weiterführung an die afghanische Grenze ohne Assistenz durch das Aufnahmeland möglich und mit internationalen Normen konform?
  1. Österreich hat keine Botschaft in Kabul und keinen Einfluss auf die Taliban. Wird die österreichische Bundesregierung und insbesondere das BMEIA seine Position zum neuen Regime in Afghanistan erarbeiten? Wird es eine gemeinsame europäische Position geben?
    1. Wenn ja, wird Österreich eine Mehrheitsposition der europäischen Staaten mittragen? (Im Regierungsprogramm fordert die Koalition eine Mehrheitsentscheid anstatt der geltenden Einstimmigkeit.)
  1. Das BMEIA bekennt sich zur Gleichstellung von Frauen als ein grundlegendes Prinzip aller außenpolitischen Projekte und Maßnahmen. 
    1. Wie bewertet das Außenministerium die Taliban Regierung in Hinblick auf das Wirkungsziel "Geschlechtergleichstellung?" Ist es unter dem Prinzip der Geschlechtergleichstellung möglich, eine von den Taliban geführte Regierung anzuerkennen?
    2. Gibt es vonseiten Österreichs Mindestforderungen, die das Taliban Regime in Bezug auf Frauenrechte anerkennen muss, um von Österreich anerkannt zu werden?
    3. Gibt es Mindestforderungen in Hinblick auf Menschen- und Frauenrechte, bei deren Verletzung Österreich Sanktionen gegen die Taliban Regierung verhängen würde? Wenn ja, bilateral oder in Zusammenarbeit mit der Europäischen Union?
  1. Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte legt fest, dass Menschen, die vor Verfolgung fliehen, das Recht haben, Asyl zu suchen und zu genießen. EU-rechtlich wurde zudem in der Qualifikationsrichtlinie 2011/95/EU der Status des subsidiären Schutzes für Menschen geschaffen, welchen im Herkunftsland ein ernsthafter Schaden wie die Todesstrafe, Folter oder andere unmenschliche Behandlung oder Bestrafung droht. Dieser Schutzstatus kommt insbesondere für Menschen, die vor bewaffneten Konflikten fliehen, zum Tragen. Wie bewertet die österreichische Bundesregierung die Situation in Afghanistan unter den Taliban in Hinblick auf das Recht auf Asyl unter internationalen und europarechtlichen Standards?
    1. Wird Österreich weiterhin internationales und EU-Recht vollinhaltlich anerkennen und umsetzen?