7665/J XXVII. GP

Eingelangt am 18.08.2021
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus

betreffend Positionen zum Mercosur Abkommen

 

Gegenwärtig spricht sich Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger deutlich gegen die Ratifizierung des über viele Jahre ausgehandelten Handelsabkommens mit den vier Staaten des Mercosur Wirtschaftsblocks – Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay – aus. Die Salzburger Nachrichten orten gar ein Selbstverständnis als die "Speerspitze der kritischen EU-Mitgliedsstaaten" (https://www.sn.at/wirtschaft/oesterreich/koestinger-verschaerft-ihre-kritik-am-mercosur-abkommen-95707675). Die zwei Hauptkritikpunkte gegen das Abkommen sind (i) Gefahr für Österreichs Landwirt_innen aufgrund des Wettkampfs aus Südamerika, und (ii) Umweltbedenken, hauptsächlich betreffend Regewaldabholzung in Brasilien. 

Vor allem Rindfleisch, Ethanol, Zucker, Honig und Geflügel sollen laut Minister Köstinger unter hohen Preisdruck geraten. Im Werben um ein Nein zu Mercosur setzt die Ministerin vor allem auf den Schutz von bäuerlichen Familienbetrieben mit hohen Produktionsstandards, und höchste Umwelt- und Klimastandards. Der damalige EU-Landwirtschaftskommissar Phil Hogan sowie die deutsche Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner sprachen dazu aber von "vielen Falschinformationen" (https://www.diepresse.com/5660178/ex-ministerin-kostinger-kritisiert-mercosur-abkommen).

In ihrer Kritik am Mercosur Abkommen spricht die Ministerin auch regelmäßig mit anderen Staaten, um eine breite Front zu schaffen. Letzten November, zum Beispiel, diskutierte sie die Gefahren des Abkommens mit Landwirtschaftsministern aus Bulgarien, Luxemburg, Rumänien und der Slowakei. Laut Webseite des BMLRT (https://info.bmlrt.gv.at/themen/landwirtschaft/eu-international/kritik-an-mercosur-in-der-tagung-der-agrarministerinnen-und-minister.html) "rief sie dazu auf, sich klar gegen Mercosur zu stellen." Das Resultat: Die Fünf einigten sich darauf, der Kommission fünf Fragen zu stellen: Wie sieht das Monitoring des Agrarhandels mit den Mercosur Staaten aus; wie werden "ernsthafte Marktstörungen" definiert; können strengere phytosanitäre Regeln vereinbart werden; kann Abholzung Einhalt geboten werden; und wie viele Milliarden zusätzliche Subventionen kann die EU noch für Europas Landwirtschaft locker machen? Eine klare Ablehnung des Pakts wurde – in Erwartung der Beantwortung dieser Fragen – nicht vereinbart.

Auch Ministerin Köstinger selbst wollte ursprünglich dem Abkommen nicht die Tür zuschlagen. In einer EU Ausschusssitzung des Nationalrats am 4. Mai 2018 hatte Köstinger noch die Meinung vertreten, für einen positiven Abschluss des Abkommens fehlten Rindfleischquoten (nun Teil des Abkommens), und eine Nachschärfung bei den sanitären und phytosanitären Standards (auch dazu gibt es von allen Seiten die Möglichkeit von Nachverhandlungen). Hinzu fügte die Ministerin damals, dass sechs von zehn Euro im Ausland erwirtschaftet würden, und auch die Agrarwirtschaft von Exporten profitiere. Bei Milchprodukten etwa läge die Exportquote bei 60%. "Ohne die offenen Exportmärkte hätten wir keine nachhaltig gesicherte landwirtschaftliche Produktion in der EU", so Köstinger damals laut Bericht der Parlamentsdirektion (https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2018/PK0497/).

Klar war damals jedenfalls, dass es Verbesserungen bedürfe, nicht einer kategorischen Ablehnung. Zu solchen Nachverhandlungen oder Zusatzabkommen bekennen sich heute sowohl die EU als auch die vier Mercosur Staaten. Die Ministerin hat aber ihre Position grundlegend geändert und spricht sich kategorisch gegen den Pakt aus, obgleich er unter dem Strich für Österreich hoch positiv wäre. 

In einer Anfragebeantwortung (6769A/B) vom 27. Juli dieses Jahres stellt die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort fest, dass Österreich mit seiner doktrinär ablehnenden Haltung in Europa alleine dasteht. Ministerin Schramböck schreibt: "Auf Basis der meinem Ressort vorliegenden Informationen spricht sich derzeit kein anderer Mitgliedstaat gegen das Mercosur-Abkommen aus. Alle anderen Mitgliedstaaten unterstützen die von der EK [Europäischen Kommission] vorgeschlagene Ausarbeitung eines Zusatzinstrumentes." 

Dieses Zusatzinstrument, das von "allen anderen Mitgliedsstaaten unterstützt" wird, beinhaltet "unter anderem illegale Abholzungen, Waldbrände, die Implementierung des Pariser Klimaabkommens, der Schutz der indigenen Bevölkerung, rechtliche Handhabe bei Verstößen gegen Umweltvorschriften, ILO-Kernübereinkommen, die Einbeziehung der Zivilgesellschaft und mögliche Kooperations- und Unterstützungsprogramme" (Zitat Anfragebeantwortung des BMDW 6769A/B).

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

  1. Bundesministerin Schramböck schreibt in der zitierten Anfragebeantwortung, ihrem Ressort sei kein anderer EU Staat bekannt, der sich kategorisch gegen den Mercosur Pakt ausspreche. Schramböcks Informationsstand nach stehe Österreich mit seiner kategorischen Ablehnung alleine da. Ist der Landwirtschaftsministerin eine andere Sachlage bekannt?
    1. Wenn ja, welche Mitgliedsstaaten vertreten eine kategorisch ablehnende Position?
    2. Wenn ja, in welcher Form wurde diese geäußert?
    3. Hat die Bundesministerin Kenntnis von Staaten, die sich gegen Nachverhandlungen oder Zusatzprotokolle ausgesprochen haben? Wenn ja, welche und in welcher Form wurde diese Position verlautbart?
  1. Die Europäische Kommission und die Mercosur Staaten haben den Willen, Nachverhandlungen abzuschließen. Wenn diese Nachverhandlungen die von Ministerin Köstinger angesprochenen Probleme ansprechen, wird die Ministerin ihr Nein zu Mercosur zumindest bis zur Finalisierung der Nachverhandlungen aufgeben?
    1. Wenn nein, was hat sich seit der Sitzung des Landwirtschaftsausschusses, in dem die Ministerin gemeint hat, dem Abkommen fehlen nur Rindfleischquoten (nicht länger der Fall) und stärkere phytosanitäre und sanitäre Bestimmungen, geändert?
  1. Die europäische (sowie die österreichische) Landwirtschaft ist hochsubventioniert. Schwellenländer beschweren sich über den daraus entstehenden Wettbewerbsnachteil. Wie denkt das BMLRT über einen Abtausch von teuren und marktverzerrenden Agrarsubventionen in Europa gegen verbesserte Produktionsstandards in Schwellenländern?
  2. Der Widerstand gegen Mercosur vonseiten der Bundesregierung wird stark mit dem Schutz von Bauern und Bäuerinnen gegen Billigimporte argumentiert. Ist die Bundesregierung auch in anderen Wirtschaftssektoren gegen den Import von Billigprodukten, wie zum Beispiel bei Bekleidung, Schuhen, Elektronikartikeln oder Inputs für die verarbeitende Industrie?
  3. Ein weiterer Grund der Ablehnung sind Umweltfragen. Der Großteil der Regenwaldabholzung geht auf Sojaanbau zurück. Soja ist nicht vom Mercosur Abkommen erfasst und unterliegt keinen Importbeschränkungen in die EU oder nach Österreich. Wird die Bundesregierung den Sojaimport aus Brasilien aufgrund von Umweltproblemen einschränken?
    1. Es gibt weltweit eine Vielzahl von Problemzonen, in denen Produkte (landwirtschaftliche oder andere) mit ökologisch, klimapolitisch oder menschenrechtlich problematischen Methoden erzeugt werden. Wird die Bundesregierung die Standards, die zur Ablehnung des Mercosur Pakts herangezogen werden, auch in diesen Regionen und Industrien anwenden?

                                          i.    Wenn nein, warum der unterschiedliche Zugang?

                                        ii.    Wenn ja, in welchen Regionen bzw. Staaten und bei welchen Produkten?

  1. Die Landwirtschaftsministerin verortete große Verwerfungen am Rindfleischmarkt, wegen stark erhöhter Importmengen von Billigfleisch. In Hinblick auf das im Mercosur Abkommen beinhaltete Rindfleischkontingent:
    1. Wie große Mengen von Rindfleischimporten aus der Mercosur Region erwartet Ministerin Köstinger nach Europa unter den Bestimmungen des gegenwärtigen Abkommens?
    2. Davon wie viel nach Österreich?
    3. Welcher Prozentsatz davon wird in der Billigfleisch-Kategorie erwartet?
    4. Welche Auswirkungen auf Rindfleischpreise sind durch diese Importe aus Mercosur zu erwarten? Welche Studien gibt es dazu?
  1. Die Bundesministerin stellte fest, dass 60% des Wohlstands Österreichs im Außenhandel erwirtschaftet wird, und dass auch Teile der Landwirtschaft von Mercosur profitieren würden. Sie stellte ebenfalls klar, dass es keine Handelsabkommen geben wird, die zum Nachteil der Landwirt_innen (oder eines Teils der Bauern und Bäuerinnen) sind. 
    1. Welcher Prozentsatz des BIP wird in Österreich von der Landwirtschaft erarbeitet? 
    2. Welcher Prozentsatz des BIP wird von der Rindfleisch-, Ethanol-, Zucker-, Honig- und Geflügelindustrie erarbeitet?
    3. Wie hoch sind Österreichs landwirtschaftliche Exporte und Importe? Bitte um Aufstellung der letzten fünf Jahre.
    4. Wie hoch sind Österreichs landwirtschaftliche Exporte in den Mercosur Markt? Bitte um Aufstellung nach landwirtschaftlichen Produkten. 
    5. Welche Veränderungen werden durch ein Handelsabkommen prognostiziert?
    6. Wie hoch sind Österreichs landwirtschaftliche Importe aus dem Mercosur Markt? Bitte um Aufstellung nach landwirtschaftlichen Produkten. 
    7. Welche Veränderungen sind durch das Handelsabkommen prognostiziert?
    8. Welchen Prozentsatz des Gesamtexportvolumens Österreichs wird durch die Landwirtschaft erzielt? Was sind die absoluten Zahlen der letzten fünf Jahre?
    9. Welcher Prozentsatz des Importvolumens Österreichs entfällt auf landwirtschaftliche Produkte? Was sind die absoluten Zahlen der letzten fünf Jahre?
    10. Wird die Bundesministerin im Ministerrat ein Handelsabkommen ablehnen, das unter dem Strich der österreichischen Wirtschaft deutliche Vorteile verschafft, weil ein Teil der Landwirtschaft Nachteile erfährt?