7678/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.08.2021
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Petra Vorderwinkter,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung

betreffend Corona bedingte Schulabmetdungen im nächsten Schuljahr

Zahlreiche Medien berichteten Anfang August darüber, dass die Zahl der Schulabmeldungen für das nächste Jahr Schuljahr stark steigen werden. Während in den Schuljahren zuvor laut einer parlamentarischen Anfragenbeantwortung (84/AB) von rund 2.000 SchülerInnen ausgegangen wird, die zu Hause im Rahmen des häuslichen Unterrichts unterrichtet wurden anstatt in der Schule berichtete der ORF unter Berufung auf die Bildungsdirektionen von bereits 3.600 Abmeldungen, die bis jetzt eingelangt sind. Bis zum Schulanfang - dann endet nämlich die Frist zur Abmeldung vom Schulunterricht - soll die Zahl medialer Berichte zu Folge erwarten die Bildungsdirektionen sogar 6.000 Abmeldungen (ZIB Nacht, 03.08.2021). Das käme einem Anstieg um rund 200% gleich.

Eine Abmeldung von der Schule geht in Österreich ziemlich leicht und problemlos. Hierzulande müssen Kinder nämlich nicht zwingend in die Schule gehen. Es gibt auch die Möglichkeit, dass sie im Rahmen des „häuslichen Unterrichtes" zu Hause - meist von ihren Eltern - unterrichtet werden. Das Schulpflichtgesetz regelt in §11 Abs. 2, dass die allgemeine Schulpflicht durch die Teilnahme am häuslichen Unterricht erfüllt wird, sofern dieser den Schulen als mindestens gleichwertig anzunehmen ist. Die Erziehungsberechtigten müssen vor Beginn des Schuljahres also lediglich eine Anzeige bei der Bildungsdirektion machen. Vorgaben über die Ausbildung der Person, die das schulpflichtige Kind unterrichtet, gibt es keine. Angeben müssen die Eltern ihre Beweggründe bei einem Antrag auf häuslichen Unterricht übrigens ebenfalls nicht.

Und daher liegen bis dato zu den Gründen dieses rasanten Anstieges nur Mutmaßungen vor. Der Standard verweist in einem dazugehörigen Bericht auf ExpertInnen und sowie die Bundesstelle für Sektenfragen. Diese vermuten, dass die Beweggründe zu einem großen Teil auf die Corona-Maßnahmen zurück zu führen sind: die einen lehnen Sicherheitsmaßnahmen wie Tests oder Masken ab, die anderen sehen ihre Kinder nicht ausreichend geschützt und sorgen sich um eine Ansteckung ihrer Kinder an den Schulen (Vanessa Gaigg, derstandard.at, 05.08.2021).

Berichten der Niederösterreichischen Nachrichten zu Folge fürchten einige Eltern auch die Einführung einer Impfpflicht: „Wenn ein Schuljahr begonnen hat, ist die Abmeldung nicht mehr möglich, eine Rückkehr aus dem häuslichen Unterricht in die Schule jedoch schon", wird der Bildungsdirektor von Niederösterreich Johann Heuras, von der NÖN bereits Ende Juli zitiert (28.07.2021). Auf Grund zahlreicher Abmeldungen drohen mangels SchülerInnen in manchen Gemeinden sogar Klassenzusammenlegungen. Der Bürgermeister von Hofstetten-Grünau Arthur Rasch sagt gegenüber dem Ö1-Morgenjournal, dass es damit eine Klasse und einen Lehrer weniger gäbe.

Ein weiterer Grund für die Abmeldung könnte natürlich auch im Schulchaos der letzten 1,5 Schuljahren liegen, wo Eltern kaum Verlässlichkeit hatten, ob SchülerInnen nun zu Hause oder in den Schulen unterrichtet werden, und damit die Betreuungsfrage für viele Eltern zu einer wahren Herausforderung wurde oder der Distanzunterricht oft ebenfalls nur suboptimal organisiert war. Viele Eltern möchten womöglich ähre Kinder vor dem weiteren Schulchaos, das ab Herbst zu befürchten ist, bewahren.

Ungeachtet der Gründe für die Abmeldungen, leidtragende sind jedenfalls die Kinder, sind sich die ExpertInnen einig. Abgesehen von der schlechteren Vorbereitung für die weitere Bildungslaufbahn und der schulfachlichen Seite gilt es allerdings vor allem die soziale Seite und das Kindeswohl zu beleuchten. Man raubt diesen Kindern meist die Möglichkeit zum Austausch mit anderen Kindern und zum Sozialen Lernen. Außerdem werden in der Schule ja auch gewisse Wertehaltung vermittelt - etwa zu Demokratie und Gesellschaft.

Das Ministerium reagierte bisher verhalten auf diesen dramatischen Anstieg und verwies auf vermehrte Beratungsgespräche mit den Eltern. Minister Faßmann fände es zwar bedauerlich, dass so viele Eltern ihre Kinder von den Schulen abmelden, er zeigte sich aber im Rahmen einer Pressekonferenz vom 05.05.2020 nicht weiter besorgt.

Vorstellbar wäre aber natürlich auch eine Reform des Schulpflichtgesetzes, denn österreichische Regelung der Schulpflicht ist mit Sicherheit nicht mehr zeitgemäß. Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk sprach dem Standard gegenüber sogar von einem „antiquierten Regelsystem, das noch aus der Vorstellung des 19. Jahrhunderts kommt, wo adelige und großbürgerliche Familien in der Lage waren, sich Hauslehrer zu halten". Seiner Ansicht nach gehöre das "überdacht", (derstandard.at, 05.08.2021).

Als Vorbild könnte hier etwa die Regelung in Deutschland dienen. Häuslicher Unterricht ist dort nur in Ausnahmefällen zulässig. Sofern einem Kind aus gesundheitlichen Gründen kein Schulbesuch möglich ist, kann es häuslichen Unterricht erhalten. Die Entscheidung wird von den Schulaufsichtsbehörden in Abstimmung mit dem zuständigen Arzt getroffen. Es ist eine schriftliche Einverständniserklärung der Eltern erforderlich. Häuslicher Unterricht wird von der Schulaufsichtsbehörde oder je nach den Bestimmungen der einzelnen Bundesländer von der zuständigen Schule des betreffenden Schülers vorbereitet und organisiert Er wird von den Lehrkräften der Schule des Schülers erteilt und die Ziele, der Lehrplan sowie die Prüfungsbestimmungen der Schule des betreffenden Schülers und die Schulprüfungen finden Anwendung. Die Notwendigkeit einer Fortführung des häuslichen Unterrichts muss regelmäßig bewertet werden.

Im Rahmen der parlamentarischen Anfragenbeantwortung (84/AB) vom 10.01.2020 wurde

bereits angekündigt, dass diesbezüglich auch Änderung des Schulpflichtgesetzes in Betracht

kämen. Nähere Details wurden dazu allerdings nicht bekannt gegeben.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1)    Wie viele Kinder werden in Österreich im Schuljahr 2021/22 im häuslichen Unterricht sein? Bitte um Angabe je Bundesland sowie Schulstufe.

2)     Wie viele Kinder waren im Schuljahr 2020/21 im häuslichen Unterricht? Bitte um Angabe je Bundesland sowie Schulstufe.

a. Bitte um Angabe der Änderungen im Vergleich zum Vorjahr in absoluten Zahlen bzw. der prozentuellen Änderung.

3)     Wie viele Klassenzusammenlegungen sind als Folge der gestiegenen Zahl der Abmeldungen zu erwarten? Bitte um Angabe je Bundesland und Schulstufe.

4)     Die Beweggründe bzw. die Motive der Eltern für die Abmeldung vom Unterricht werden derzeit nicht erhoben. Von weichen Gründen geht das Ministerium bisher aus?

a. Auf Basis welcher ExpertInnenmeinungen bzw. empirische Evidenz begründen sich diese Annahmen?

5)     Planen Sie die Einführung der verpflichtenden Angabe von Gründen für die An- bzw. Abmeldung vom häuslichen Unterricht? Gibt es hierfür verfassungsrechtliche Spielräume und wurden diese bisher verfassungsrechtlich geprüft?

6)    Wie weit fortgeschritten sind die im Rahmen der parlamentarischen Anfragenbeantwortung (84/AB) vom 10.01.2020 angekündigten Pläne zur Änderung des Schulpflichtgesetz?

a.     Was ist im Detail geplant?

b.     Bis wann soll ein etwaiger Novellierungsentwurf dem Parlament vorgelegt werden?

7)     Wäre eine Änderung der Schulpflicht in Österreich angelehnt an das Deutsche Modell verfassungsrechtlich möglich?

a.     Wenn ja, ist eine dahingehende Änderung geplant?

b.    Wenn nein, ist eine verfassungsrechtliche Änderung geplant?

8)     Sie haben angekündigt verstärkt auf Beratung zu setzen, um diesem Problem entgegen zu wirken. Wie soll dieses Beratungsangebot im Detail aussehen?

a. Wird es dazu verpflichtende Gespräche mit den Eltern geben? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?

9} Gibt es auch LehrerInnen, die auf Grund der aktuellen Corona-Politik ihres Ressorts kündigen und nicht mehr länger als LehrerInnen an öffentlichen Schulen arbeiten möchten?

a. Wenn ja, wie viele?