7690/J XXVII. GP
Eingelangt am 27.08.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten
betreffend Hilfe vor Ort in der Region um Afghanistan
Außenminister Alexander Schallenberg hat in seinem Pressestatement vor dem virtuellen Treffen der EU-Außenminister am 17. August und in einem Interview in der ZiB2 am 25. August angekündigt, dass man der Krise in Afghanistan allen voran mit sogenannter "Hilfe vor Ort" begegnen möchte. Die Idee ist, den Nachbarstaaten Afghanistans direkt in der Region humanitäre Hilfe zur Verfügung zu stellen, um Menschen davon abzuhalten, sich auf den – teilweise sehr gefährlichen – Weg nach Europa zu machen. Berichten zufolge ist die Ausreise aus Afghanistan jedoch nur schwer möglich: Die Taliban haben angekündigt, Afghan_innen nicht mehr zum Flughafen in Kabul durchzulassen (https://www.derstandard.at/story/2000129121290/weiter-ringen-um-verlaengerung-der-evakuierungen-in-afghanistan?ref=cpush&utm_campaign=cleverpush-1629815176&utm_medium=push-notification&utm_source=browser). Die Grenze zu Pakistan wird von den Taliban kontrolliert, die afghanische Staatsbürger nicht ausreisen lassen. Usbekistan erlaubt Grenzübertritte nur Personen mit gültigem Visum. Um dieses zu bekommen, sind Dokumente der afghanischen Behörden erforderlich ( https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/videos/afghanistan-flucht-taliban-video-100.html).
Für die "Hilfe vor Ort" würden 3 Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds zur Verfügung gestellt, sowie ein weiteres "Soforthilfepaket" von 15 Millionen. Gemeinsam mit Innenminister Karl Nehammer will Außenminister Schallenberg außerdem im Rahmen einer virtuellen Konferenz mit den zentralasiatischen Nachbarn Afghanistans Kooperationsmöglichkeiten erschließen. Ersthilfe in der Region ist unabdingbar; mittelfristig stellen sich aber rechtliche Fragen für Österreich, da Flüchtende in Staaten, die nicht als sichere Drittstaaten gelten, weiterreisen können und nicht rückgeführt werden können. Um Flüchtlingsbewegungen in der Region zu halten, ist die Auswahl der Erstversorgungsländer daher rechtlich relevant.
Die von Minister Schallenberg als regionale Partner ins Treffen geführten zentralasiatischen Nachbarn Afghanistans sind Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan. Laut Freedom House ist:
Im Vergleich bekommt Afghanistan immerhin 27 Punkte; Österreich 93 von 100. "Hilfe vor Ort" in diesen drei Staaten würde Menschen in drei der repressivsten Ländern der Welt festsetzen. Ein weiterer Nachbar, der Iran, bekommt von Freedom House die Wertung unfrei, mit 16 von 100 Punkten. Pakistan mit 37 Punkten ist teilweise frei, hat aber bereits die Grenzschließung angekündigt. Das letzte verbleibende Nachbarland ist China (9 von 100), das im naheliegenden Xinjiang eine Unterdrückungskampagne gegen die muslimische Gruppe der Uiguren führt und wo es unwahrscheinlich ist, dass es Flüchtlinge aus Afghanistan aufnehmen wird.
Zusätzlich zu "Hilfe vor Ort" für Fliehende gibt es auch Überlegungen betreffend abzuschiebender Menschen, die sich bereits in Österreich befinden. In einer gemeinsamen Aussendung mit Innenminister Nehammer hat Außenminister Schallenberg eine gemeinsame europäische Vorgangsweise gefordert, um auf die drohende Flucht- und Migrationswelle aus Afghanistan reagieren zu können. Gleichzeitig sagt der Innenminister, dass man nach Alternativen suchen müsse, wenn die europäische Menschenrechtskonvention Grenzen setze. Diese Alternative scheinen laut ÖVP Abschiebezentren in den Nachbarländern Afghanistans zu sein. Abgesehen davon, dass diese Idee bereits in der Vergangenheit daran gescheitert ist, dass sich keine Drittländer bereit erklärt haben, Abgeschobene aufzunehmen, ist die Möglichkeit auch rechtlich umstritten. In öffentlich Auftritten verwechselt der Außenminister oft Abschiebungen und Rückführungen oder Überstellungen. Österreich schiebt im Gegensatz zu verschiedenen Aussagen von Minister Schallenberg zurzeit keine Afghan_innen ab. Bei den Verbringungen ins europäische Ausland handelt es sich um Überstellungen oder Rückführungen nach den Dublin-Regeln.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
i. Wenn nein, wann wird das Geld zur Verfügung gestellt?
i. Wenn ja, welche Projekte in Afghanistan bzw. in seinen Nachbarländern werden mit dieser Summe unterstützt?
ii. Wenn nein, wie stellt die Bundesregierung sicher, dass österreichische Gelder zur Unterstützung von "Flüchtlingen direkt in der Region" verwendet werden?
i. Wenn ja, welche?
ii. Wenn ja, wie kann das BMEIA sicherstellen, dass die österreichische Zuwendung in diese Projekte fließt?
i. Wenn ja, an welche?
ii. Wenn ja, hat Österreich Kontrolle über die Projekte, in die diese Mittel fließen?
iii. Wenn ja, kann Österreich diese Projekte mitgestalten, beeinflussen oder kontrollieren?
i. Wenn ja, um wie viele Personen handelt es sich und wie wurden sie ausgewählt?
ii. Wenn nein, wird dies weiterhin geprüft und wann ist eine Entscheidung zu erwarten?