7761/J XXVII. GP
Eingelangt am 08.09.2021
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Asyl-Solidaritätsmodell nach Vorstellungen des BMI
Am 23. September 2020 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für einen neuen EU Asyl- und Migrationspakt vorgestellt, das aus einer Vielzahl an Maßnahmen besteht. Zentrale Elemente des neuen EU-Migrations- und Asylpakets werden von Ihnen, Herr Innenminister, kritisch gesehen, wie aus dem EU-Jahresbericht 2021 Ihres Ressorts hervorgeht (III-236 d.B. und III-739-BR/2021 d.B.). Es beinhaltet etwa einen Aktionsplan gegen Schlepperkriminalität, eine neue Strategie für freiwillige Rückkehr und Reintegration oder die Digitalisierung der Visaverfahren, welche beide von Österreich begrüßt werden. Das österreichische Innenministerium bekennt sich außerdem zum Ziel eines umfassenderen Schengen-Systems, wobei es hierbei grundsätzlich weiterhin bestehende Defizite ortet. Die Zusammenhänge zwischen Grenzschutz, Asylsystem und Sicherheit seien in Bezug auf die Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten noch umfassend zu diskutieren, wird auch in Bezug auf die Überarbeitung des Schengener Grenzkodex festgehalten.
Der Verordnungsvorschlag zum Solidaritätsmechanismus für Asyl-Krisensituationen wird von Österreich aufgrund des starken Fokus auf Relocation (Umverteilung) und den Rückkehrpartnerschaften kritisch gesehen. Letztere könnten zu einer Verteilung von MigrantInnen "über die Hintertür" führen und werden in der vorgeschlagenen Form abgelehnt, heißt es im Bericht. Das Innenministerium setzt sich stattdessen für ein flexibles Solidaritätsmodell, eine Überarbeitung des Mechanismus und die stärkere Berücksichtigung von Vorbelastungen der Mitgliedstaaten im Asyl- und Migrationsbereich ein.
Befürwortet wird die Möglichkeit der Ausweitung von Grenzverfahren zur raschen Feststellung des Schutzbedarfs direkt an der EU-Außengrenze sowie das vorgelagerte Screening-Verfahren. Positiv gesehen wird außerdem die Möglichkeit einer breiteren Anwendung des Grenzverfahrens für Asylwerber, im Vergleich zur Asyl- und Migrationsmanagementverordnung. Zudem tritt Österreich dafür ein, dass der Rat der Europäischen Union, also die Mitgliedstaaten, über das Vorliegen von Krisensituationen und die entsprechenden Solidaritätsmaßnahmen entscheiden sollen, da diese die Konsequenzen tragen müssen. Bezüglich der Schaffung einheitlicher Regelungen für Resettlement (Neuansiedlung) wird festgehalten, dass dies im österreichischen Regierungsprogramm nicht vorgesehen ist.
Österreich gehöre zur Gruppe der EU-Mitgliedstaaten, die neben einigen EU-Außengrenzstaaten, vor allem durch Sekundärmigration überproportional im Asyl- und Migrationsbereich belastet sind. Vonseiten der Bundesregierung vertritt man daher die Ansicht, dass diese Vorbelastungen in den Mitgliedstaaten im Solidaritätsfall stärker angerechnet werden sollen.
Aktuell ist im Kommissionsvorschlag vorgesehen, dass BIP und Einwohnerzahl im Solidaritätsmodell berücksichtigt werden. Übrigens war Österreich 2016 das letzte Mal unter den TOP 3 der höchsten Asylantragszahlen pro 100.000 Einwohner, aktuell liegt Österreich auf Platz 9 (Quelle Eurostat). Die höchsten Asylantragszahlen haben weiterhin die EU-Mitgliedstaaten an den Außengrenzen.
Am 10.5.2021 hat die italienische Innenministerin Luciana Lamorgese in einem Telefongespräch mit EU-Kommissärin Ylva Johansson einen solidarischen Umverteilungsmechanismus gefordert. Daraufhin haben Sie, Herr Innenminister, diese Forderung klar abgelehnt und wiederholt, dass man sich an schnelle Außengrenzverfahren und Rückführungen konzentrieren solle. Eine Umverteilung von Flüchtlingen haben Sie in Ihrer Presseaussendung mit "Weiterwinken" gleichgestellt (https://www.diepresse.com/5978224/migration-nehammer-gegen-italiens-forderung-nach-umverteilung).
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
i. Durch welche konkreten Maßnahmen soll Rechtsstaatlichkeit der Asylverfahren inkl. Zugang zum Rechtsmittelverfahren gewährleistet werden?
ii. Wer soll für die Durchführung der Asylverfahren in erster und zweiter Instanz zuständig sein?
iii. Durch welche konkreten Maßnahmen soll der Zugang zu unabhängiger Rechtsberatung für die Asylwerber_innen gewährleistet werden?
iv. Durch welche konkreten Maßnahmen soll eine menschenrechtskonforme Unterbringung der Asylwerber_innen für die Dauer des Asylverfahrens gewährleistet werden?
v. Welches Verfahren soll anschließend an eine negative Asylentscheidung durchgeführt werden?
1. Wer soll federführend für die Durchführung des Verfahrens inkl. der Rückführung zuständig sein?
2. Welche Konsequenzen soll die Unmöglichkeit der Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nach sich ziehen?
i. Durch welche konkreten Maßnahmen und Mechanismen soll dadurch die Entlastung der EU-Außengrenzstaaten gewährleistet werden?
i. von Kindern und Jugendlichen zu Familienangehörigen, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat aufhältig sind?
ii. von anderen Personen zu Familienangehörigen, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat aufhältig sind?
i. Welche Strategie sehen Sie zum Ausbau von Rückführungsabkommen vor?
ii. Welche Konsequenzen soll eine mangelnde Kooperation seitens eines Herkunftslandes nach sich ziehen?
iii. Welche Konsequenzen soll die Unmöglichkeit der Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nach sich ziehen?
i. auf EU-Ebene?
ii. mit Drittstaaten?