777/J XXVII. GP

Eingelangt am 10.02.2020
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Anfrage

 

 

der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Mutmaßungen des Bundeskanzlers betreffend Verdacht des Amtsmissbrauchs durch Angehörige der Staatsanwaltschaft

 

 

Am 10. Februar 2020 tätigte der Bundeskanzler im Rahmen des Pressefoyers nach der "Aussprache" mit Vertretern der Staatsanwaltschaft folgende Aussagen:

 

"Journalist: Haben Sie irgendwelche Beweise oder Indizien, dass direkt aus der Staatsanwaltschaft Leaks hinausgekommen sind?

Bundeskanzler Kurz: Mir ist vollkommen bewusst, dass hier immer wieder darauf hingewiesen wird, dass Informationen von den Betroffenen selbst oder von deren Rechtsanwälten kommen können. Das ist richtig.  Ich hab aber auch im Gespräch mit zwei sehr hochrangigen österreichischen Journalisten von diesen gehört, dass es durchaus schon dazu gekommen ist, dass sie auch Informationen aus der Staatsanwaltschaft erhalten haben.

Journalist: Wenn Sie sagen zwei Journalisten, zwei hochrangige Journalisten haben Ihnen...das wäre doch Amtsmissbrauch oder Anstiftung zum Amtsmissbrauch. Ist da ein Verfahren eingeleitet worden, ist da irgendwas weiterhin im Gang gesetzt worden?

Bundeskanzler Kurz: Also, wenn mir das ein Journalist im Vertrauen sagt, dass er weiß, dass das in seinem Medium schon einmal stattgefunden hat, dann wahre ich hier die Vertraulichkeit, die Behörden werden selbstverständlich immer aktiv, wenn es den Eindruck gibt, dass da etwas an die Medien gespielt worden ist. Ich weiß nicht, ob da im Moment gerade Verfahren anhängig sind, aber ich glaube, dass das durchaus üblich, dass, wenn die Justiz den Eindruck hat, dass etwas von der Justiz an die Medien gespielt wurde, dass sie auch hier tätig wird."

 

Gemäß § 58 Abs. 1 Richter- und StaatsanwaltschaftsdienstG (RStDG) unterliegen Richter und Staatsanwaltschaft einer umfassenden Verschwiegenheitspflicht. Diese Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit ist sowohl disziplinarrechtlich (§ 101 RStDG) wie auch strafrechtlich (§ 310 StGB) sanktioniert.

 

Ein Staatsanwalt, der in Verletzung der ihn treffenden umfassenden Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit Informationen oder Akten eines bestimmten Verfahrens an Journalisten weitergibt, macht sich somit sowohl in disziplinarrechtlicher als auch in strafrechtlicher Hinsicht (§ 310 StGB) verantwortlich.

Sollten hingegen die Behauptungen des Bundeskanzlers nicht zutreffen, so wäre sein Verhalten im Hinblick auf die Verwirklichung des Tatbestandes nach § 116 StGB zu überprüfen. 

 

Öffentliche Beleidigung eines verfassungsmäßigen Vertretungskörpers, des Bundesheeres oder einer Behörde

§ 116 StGB: Handlungen nach dem § 111 oder dem § 115 sind auch strafbar, wenn sie gegen den Nationalrat, den Bundesrat, die Bundesversammlung oder einen Landtag, gegen das Bundesheer, eine selbständige Abteilung des Bundesheeres oder gegen eine Behörde gerichtet sind und öffentlich begangen werden. Die Bestimmungen der §§ 111 Abs. 3, 112 und 114 gelten auch für solche strafbare Handlungen.

Verleumdung

§ 297 (1) StGB: Wer einen anderen dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzt, daß er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung oder der Verletzung einer Amts- oder Standespflicht falsch verdächtigt, ist, wenn er weiß (§ 5 Abs. 3), daß die Verdächtigung falsch ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen, wenn die fälschlich angelastete Handlung aber mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

Missbrauch der Amtsgewalt

§ 302 (1) StGB: Ein Beamter, der mit dem Vorsatz, dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes, eines Landes, eines Gemeindeverbandes, einer Gemeinde oder einer anderen Person des öffentlichen Rechtes als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

Verletzung des Amtsgeheimnisses

§ 310 (1) StGB: Ein Beamter oder ehemaliger Beamter, der ein ihm ausschließlich kraft seines Amtes anvertrautes oder zugänglich gewordenes Geheimnis offenbart oder verwertet, dessen Offenbarung oder Verwertung geeignet ist, ein öffentliches oder ein berechtigtes privates Interesse zu verletzen, ist, wenn die Tat nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.

 

Anzeigepflicht

§ 78 (1) StPO: Wird einer Behörde oder öffentlichen Dienststelle der Verdacht einer Straftat bekannt, die ihren gesetzmäßigen Wirkungsbereich betrifft, so ist sie zur Anzeige an Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft verpflichtet.

Der Bundeskanzler ist Behörde im Sinne des § 78 StPO und daher zur Anzeige verpflichtet, sofern ihm der Verdacht einer strafbaren Handlung in seinem gesetzlichen Wirkungsbereich bekannt wird. Unterlässt ein anzeigepflichtiges Organ eine Anzeigenerstattung, kann dies strafbares Verhalten nach § 302 StGB begründen. Hat ein Beamter die ihm obliegenden Maßnahmen zur Wahrung des staatlichen Verfolgungs- und Bestrafungsinteresses unterlassen, haftet er bereits für den solcherart vollendeten Missbrauch seiner Amtsgewalt - unabhängig davon, ob es in concreto doch (noch) zu einer Strafverfolgung kommt oder nicht.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Haben Sie Kenntnis davon, auf welches Verfahren der Bundeskanzler in seinen Aussagen Bezug nahm, in denen vertrauliche oder geheime Aktenteile oder Informationen unerlaubterweise von der Staatsanwaltschaft an Medienvertreter gespielt worden sein sollen? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

a.    Wenn ja, auf welches?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

2.    Haben Sie Kenntnis davon, auf welche Tatsachen der Herr Bundeskanzler seine Ausführungen stützt? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

a.    Wenn ja, auf welche?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

3.    Haben Sie Kenntnis von konkreten Verfahren, in denen vertrauliche oder geheime Aktenteile oder Informationen unerlaubterweise von der Staatsanwaltschaft an Medienvertreter gespielt wurden? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

a.    Wenn ja, in welchen konkreten Verfahren soll das der Fall gewesen sein?

b.    Wenn nein, wie lässt sich das mit den Aussagen des Bundeskanzlers in Einklang bringen?

4.    Sehen Sie in den Aussagen des Bundeskanzlers ausreichend Substanz, um ein Verfahren gegen Unbekannt wegen Verdachts des Amtsmissbrauchs oder wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses einzuleiten? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

a.    Wenn ja, inwiefern?

b.    Wenn nein, warum nicht?

5.     Wurde aufgrund der Aussagen des Bundeskanzlers ein Verfahren nach § 302 oder § 310 StGB eingeleitet?

a.    Wenn ja, wann und aufgrund welcher Tatsachen? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

                                  i.    Wie ist der Stand des Verfahrens? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

                                ii.    Welche Staatsanwaltschaft führt das Verfahren?

                               iii.    Gegen wen wird das Verfahren geführt?

                               iv.    Welche Zeugen wurden wann einvernommen?

                                 v.    Wurde der Bundeskanzler als Zeuge einvernommen?

1.    Wenn ja, wann?

2.    Wenn nein, weshalb nicht?

b.    Wenn nein, weshalb nicht?

                                  i.    Sind die Aussagen des Bundeskanzlers diesbezüglich zu unsubstantiiert, um einen Anfangsverdacht zu begründen? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

                                ii.    Sind die Aussagen des Bundeskanzlers diesbezüglich zu pauschalisierend, um einen Anfangsverdacht zu begründen? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

6.    Sehen Sie in diesen pauschalisierenden und unsubstantiierten Aussagen des Kanzlers den Tatbestand nach § 116 StGB Öffentliche Beleidigung einer Behörde verwirklicht?

a.    Wenn ja, weshalb? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

                                  i.    Haben Sie den Sachverhalt als zuständige Ressortchefin gem § 78 (1) StPO zur Anzeige gebracht? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

                                ii.    Wenn ja, wann?

                               iii.    Wenn nein, weshalb nicht?

b.    Wenn nein, weshalb nicht? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

7.    Sehen Sie in diesen pauschalisierenden und unsubstantiierten Aussagen des Kanzlers einen anderen Tatbestand verwirklicht?

c.    Wenn ja, welchen und weshalb? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

                               iv.    Haben Sie den Sachverhalt als zuständige Ressortchefin gem § 78 (1) StPO zur Anzeige gebracht? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)

                                 v.    Wenn ja, wann?

                               vi.    Wenn nein, weshalb nicht?

d.    Wenn nein, weshalb nicht? (Um detaillierte Erläuterung wird ersucht.)