7793/J XXVII. GP
Eingelangt am 14.09.2021
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Anfrage
des Abgeordneten David Stögmüller, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Inneres
betreffend Causa „White Milk“ – kam es zum Geheimnisverrat?
Unter der Operation „White Milk“ des BVT wird, wie der ORF am 16.11.2020 berichtet, eine Kooperation zwischen dem österreichischen BVT und dem israelischen Mossad verstanden. Inhalt der Kooperation war die Aufnahme eines syrischen Kriegsverbrechers in Österreich:
„Die Causa soll ins Frühjahr 2015 zurückreichen, also in die Zeit der rot-schwarzen Regierung und von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Der damalige BVT-Vizechef Wolfgang Zöhrer soll laut „Kurier“ bei einer Israel-Reise eine Kooperationsvereinbarung mit dem Mossad getroffen haben, bei der es um den General gegangen sei. Dieser habe nämlich in Frankreich Probleme gehabt, Asyl zu erhalten.“[1]
Der General reist dann mit Hilfe des BVT Mitte Juli 2015 nach Österreich ein und bekommt von der Stelle 5 des BVT Unterstützung bei Einreise, Wohnung und Asylverfahren:
„Im Juni 2015 sei Khaled H. über den Grenzübergang Walserberg nach Österreich gebracht worden, das BVT habe ihm eine Mietwohnung organisiert, und Beamte seien auch bei seinen Asylbefragungen dabei gewesen. Es sei dabei „die Legende erfunden“ worden, dass der General per Zug aus Frankreich gekommen sei, weil er dort wegen der Bedrohung durch andere Syrer in Gefahr sei. Anschließend sei „massiv Druck auf das Bundesasylamt ausgeübt“ worden, ihm Asyl zu gewähren. Am 2. Dezember 2015 sei ihm dieses im Eilverfahren zugestanden worden.“[2]
Bereits Anfang des Jahres 2016 kommen dann erste Verdachtsmomente ans Licht, dass es sich bei Khaled H. um einen syrischen Kriegsverbrecher handeln soll. Trotz Verdichtung der Hinweise - die Staatsanwaltschaft Wien beginnt im April 2016 zu ermitteln – und einem negativ entschiedenen Asylantrag in Frankreich im Dezember 2017 endet die Kooperation mit dem BVT erst im Herbst 2018.
Aktuellen Berichten zufolge soll die Staatsanwaltschaft Wien unter der Aktenzahl 705 St 16/16a gegen den General ermittelt und auch Zwangsmaßnahmen gegen Beamte im BMI gesetzt haben: „Im April 2016 hat die Staatsanwaltschaft in der Causa „al Halabi“ die Telefone verdächtiger Beamter überwachen lassen.“[3] Zwei der Beamten, die von dieser Telefonüberwachung betroffen sein sollen, sind Wolfgang Zöhrer, der damalige stellvertretende Chef des BVT und Michael Kloibmüller, ehemaliger Kabinettschef im Innenministerium.
Die Information, dass die beiden überwacht werden, kommt von Andreas Holzer: Am 10. April 2016 erhält BMI-Kabinettschef Michael Kloibmüller ein seltsames SMS: „I watched you. OK ist überall.“ Der Absender ist Andreas Holzer.“[4] Eine Signal-Chat Auswertung, die uns zugegangen ist, zeigt, dass zwischen den beiden dann die Konversation am 27.04.2016 fortgesetzt wurde – mit brisantem Inhalt:

Andreas Holzer ist zu dem Zeitpunkt seiner Nachricht an Kloibmüller Leiter des Büros zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität im Bundeskriminalamt, das nichts mit den Ermittlungen betreffend die Operation „White Milk“ zu tun hatte.[5]
Zwar gibt Holzer befragt von der WKStA an, dass es sich um ein dienstliches Verhältnis zwischen ihm und Kloibmüller handelt, aber „Holzer gilt als Protegé von ÖVP-Kabinettschef im Innenministerium Michael Kloibmüller. Im „Konvolut“, das zu den Ermittlungen der WKStA im BVT führt, wird er beschuldigt, als dessen Vertrauensmann direkt an Kloibmüller zu berichten.“[6]
Deshalb stellt sich hier die Frage, warum informiert Andreas Holzer Michael Kloibmüller über die Überwachungsmaßnahmen und hat Holzer damit eine Ermittlungsmaßnahme der Staatsanwaltschaft Wien an die Betroffenen verraten?
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1. Ist Ihnen die Operation „White Milk“ bekannt?
a. Wenn ja, wann wurden Sie darüber in Kenntnis gesetzt und von wem?
2. Sind Ihnen Aktenvermerke wie BVT-2-3/8880/2015 zur Kenntnis gebracht worden? Wenn ja, wann und von wem?
3. Ist Ihnen die Zusammenfassung des BVT mit der GZ: BVT-2-1/17487/2018 zur Kenntnis gebracht worden? Wenn ja, wann und von wem?
4. Sind Ihnen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien mit dem Aktenzeichen 705 St 16/16a bekannt?
5. War das Bundeskriminalamt in Ermittlungsschritte betreffend die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien mit dem Aktenzeichen 705 St 16/16a involviert?
a. Wenn ja, um welche Ermittlungsschritte handelte es sich?
b. Wenn ja, wann wurden die einzelnen Ermittlungsschritte gesetzt? Bitte um genaue Auflistung.
6. Wurde die Abteilung 3 im BKA, Bekämpfung der organisierten Kriminalität mit Ermittlungsschritten betreffend „White Milk“, StA Wien AZ 705 St 16/16a eingebunden?
a. Wenn ja, um welche Ermittlungsschritte handelte es sich?
b. Wenn ja, wann wurden die einzelnen Ermittlungsschritte gesetzt? Bitte um genaue Auflistung.
c. Wenn ja, durch wen wurden die einzelnen Ermittlungsschritte gesetzt?
d. Wenn ja, hat Andreas Holzer einzelne Ermittlungsschritte gesetzt?
7. War Andreas Holzer jemals in irgendeiner Form (auch wenn nur indirekt) in die Operation „White Milk“ eingebunden?
a. Wenn ja, in welcher Funktion und für was?
8. Hat das Bundeskriminalamt eine entsprechende Akteneinsicht in dieser Causa erhalten?
9. Sind Ihnen die Vorwürfe betreffend eines Geheimnisverrates durch Andreas Holzer bekannt?
a. Wenn ja, seit wann konkret?
b. Wer hat Sie darüber informiert?
c. Wenn ja, war Ihnen das bereits vor seiner Bestellung zum Leiter des Bundeskriminalamts (BAK) bekannt?
10. Ist Ihnen bekannt, wie Andreas Holzer zu der Information über die Telefonüberwachung von Michael Kloibmüller und Wolfgang Zöhrer kam?
11. Wie erklären Sie sich die Akteneinsicht von Mag. Andreas Holzer in laufenden Verfahren der StA Wien bzw. des BAK zur Causa White Milk und deren Telefonüberwachungen?
12. Ist Ihnen bekannt, ob es ein anhängiges Ermittlungsverfahren gegen Andreas Holzer wegen § 310 StGB gibt?
13. Hat es hier eine interne Aufarbeitung der in der Begründung angeführten Punkte gegeben?
14. Gibt es im BAK Ermittlungsschritte wie es zu diesem mutmaßlichen Geheimnisverrat gekommen ist?
15. Gibt es nach Ihrem Kenntnisstand protokollierte Besprechungen zwischen Beamten des BAK und dem BKA insbesondere mit dem Leiter der Abteilung 3, zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität im Bundeskriminalamt in dieser Causa?
16. Sind Ihnen informelle Besprechungen mit Herrn Holzer und Beamten aus dem BAK bzw. der Justiz bekannt, die im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu „White Milk“ stehen?
17. Herr Holzer hat dazu bereits im Untersuchungsausschuss zur mutmaßlichen Käuflichkeit der Türkis-Blauen Bundesregierung ausgesagt, dass er sich öfters mit Beamten aus Justiz, Ministerien und diversen Abteilungen trifft, um über „strategisch, operative Inhalte“ zu sprechen[7].
a. Führen Sie bitte an welche Gespräche Ihnen bzw. Ihrem Kabinett bekannt sind und mit wem, zu welchem Thema und zu welchem Zeitpunkt.
b. Sind Ihnen Gespräche, AV, usw. bekannt, dass Herr Holzer (informelle) Gespräche mit dem ehem. Leiter der Strafrechtsektion im BMJ Pilnacek zur Causa „White Milk“ geführt hat?
i. Wenn ja, wann, mit wem und mit welchem Inhalt.
18. Sind Ihnen oder Ihrem Kabinett Treffen, ebenso wie oben angeführt, fernab jeder Protokollierung mit dem suspendierten Sektionschef im Justizministerium Mag. Pilnacek bekannt?
a. Führen Sie bitte an welche Gespräche Ihnen bzw. Ihrem Kabinett bekannt sind und mit wem, zu welchem Thema und zu welchem Zeitpunkt.
19. Im h.o. angeführten Fall Holzer/Kloibmüller/Zöhrer hat ein unzuständiger Beamter mutmaßlich unrechtsmäßig Informationen über Zwangsmaßnahmen, in diesem Fall Telefonüberwachung an Dritte weitergegeben. Wurde dieser Umstand angezeigt?
a. Wenn ja, wann?
b. Wurden Ermittlungen eingeleitet?
c. Welche Staatsanwaltschaft leitet die Ermittlungen und welche Ermittlungsbehörde ist dafür zuständig?
Sollte eine detaillierte Beantwortung einzelner Fragen aus Geheimhaltungsgründen nicht möglich sein, so wird dennoch um eine Beantwortung mit möglichst hohem Informationsgehalt im Sinne des parlamentarischen Interpellationsrechts ersucht. Allenfalls ersuchen die Abgeordneten um eine Beantwortung in klassifizierter Weise nach dem Bundesgesetz über die Informationsordnung des Nationalrates und des Bundesrates (InfOG).
[1] orf.at 16.11.2020, BVT soll syrischen Kriegsverbrecher geschützt haben
[2] orf.at 16.11.2020, BVT soll syrischen Kriegsverbrecher geschützt haben
[3] Pilz, Peter (2021): Kurz. Ein Regime, Wien: Kremayr und Scheriau, S. 68
[4] Pilz, Peter (2021): Kurz. Ein Regime, Wien: Kremayr und Scheriau, S. 66
[5] Kronen Zeitung, 31.12.2020, Salzburger übernimmt Bundeskriminalamt-Leitung
[6] Pilz, Peter (2021): Kurz. Ein Regime, Wien: Kremayr und Scheriau, S. 66
[7] XXVII_KOMM_243_1_Stenographisches Protokoll von Andreas Holzer (25.05.2021) Seite 12 ff.: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/KOMM/KOMM_00243/index.shtml