7804/J XXVII. GP

Eingelangt am 15.09.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Dienstrechtliche Aufarbeitung der Verurteilung sechs Polizisten wegen Amtsmissbrauchs und Körperverletzung

Am Wiener Landesgericht sind Medienberichten zufolge am 12. Juli 2021 sechs Polizisten zu bedingten Haftstrafen verurteilt worden. Die Polizei war am 13. Jänner 2019 wegen eines angeblichen Raufhandels in ein Lokal in Wien-Favoriten gerufen worden. Dort soll ein Mann tschetschenischer Herkunft in einem Spiellokal von den Polizisten ohne ersichtlichen Grund geschlagen worden sein. Acht Beamte fanden sich in dem Zwei-Zimmer-Lokal ein, wo sich neben dem Mann tschetschenischer Herkunft nur ein weiterer Mann aufhielt. Obwohl die beiden in keinen Streit verwickelt waren, führte die Polizei dessen ungeachtet eine Ausweiskontrolle durch. Als der Mann tschetschenischer Herkunft seinen Führerschein herzeigte, sei er von einem Beamten beleidigt worden. Der Polizeibeamte habe ihn anschließend zu einer Couch gezogen und aufgefordert, die Hände aus den Jackentaschen zu nehmen. Der Mann tschetschenischer Herkunft habe wegen einer Operation an der Hand diese nicht aus der Tasche nehmen wollen.
Als die Polizei feststellte, dass der Mann tschetschenischer Herkunft ein zweites Handy dabei hatte und er dieses nicht entsperren wollte, sondern stattdessen auf den Boden warf, sei die Situation eskaliert. Er sei von einem Polizeibeamten am Nacken gepackt worden, habe einen Kniestoß in den Unterleib und Schläge mit der Faust zugefügt bekommen. Ein weiterer Polizeibeamter habe ihm obendrein gedroht, er werde ihn die ganze Nacht verprügeln, wenn er das Handy nicht entsperre. Nachdem er wieder zu sich gekommen war, habe er angekündigt, Anzeige erstatten zu wollen, daraufhin habe ihm ein zweiter Polizeibeamter mit der Faust auf den Kiefer geschlagen.

Von acht angeklagten Polizeibeamten wurden sechs schuldig erkannt, die beiden Hauptangeklagten erhielten wegen Amtsmissbrauchs und Körperverletzung bedingte Freiheitsstrafen von zwölf bzw. zehn Monaten. Sämtliche Urteile fielen so aus, dass sie für keinen schuldig gesprochenen Polizisten den zwingenden Amtsverlust bedeuten (Polizeigewalt: Sechs Beamte verurteilt - wien.ORF.at).

Zwei Mitangeklagte wurden wegen Amtsmissbrauchs jeweils acht Monate bedingt verurteilt, bei ihnen ging der Schöffensenat davon aus, dass sie die Übergriffe ihrer beiden Kollegen mitangesehen hatten und nicht dagegen eingeschritten waren. Zwei weitere Beamte wurden wegen Missbrauchs der Amtsgewalt und Fälschung eines Beweismittels zu je zehn Monaten bedingt verurteilt. Sie hatten nicht nur zugesehen, sondern darüber hinaus die aus dem Ruder gelaufene Amtshandlung nicht den Vorschriften entsprechend verschriftlicht. Einer von ihnen schickte das Opfer der Polizeigewalt weg, als dieses am nächsten Tag auf einer Polizeiinspektion Anzeige erstatten wollte.

Zwei Polizisten wurden im Zweifel freigesprochen. Ihnen hielt das Gericht zugute, dass sie nicht von Anfang an im Lokal waren und daher das Wesentliche womöglich nicht wahrgenommen hatten. Die Hauptangeklagten nahmen die Urteile an, die Staatsanwältin gab zu sämtlichen Entscheidungen keine Erklärung ab. Die Urteile sowie die Freisprüche sind somit nicht rechtskräftig.

Der Vorfall wurde erst öffentlich bekannt, nachdem im Juli 2020 ein Video aus einer im Lokal angebrachten Überwachungskamera den Medien zugespielt wurde. Medien berichteten am 17. Juli 2020, dass nach Bekanntwerden des Videos die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen die beteiligten Polizeibeamten aufgenommen habe und im Zuge dessen die acht involvierten Polizeibeamten vorläufig suspendiert wurden (https://www.kleinezeitung.at/oesterreich/5841014/Wegen-Polizeigewalt_Staatsanwaltschaft-ermittelt-gegen-Wiener-Polizei).  

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Welchen Stellen bei der Polizei wurde der Vorfall, der zur Verurteilung des Landesgerichtes von sechs Polizisten am 12. Juli führte, jeweils wann bekannt?
  2. Wann sind beim BMI an welcher Stelle konkret Misshandlungsvorwürfe zum bezeichneten Vorfall eingegangen?
  3. Welche Schritte unternahm Ihr Ministerium zur Aufarbeitung des Vorfalles jeweils wann (um Angabe einer chronologischen Auflistung aller wesentlichen Verfahrensschritte bei der Aufklärung wird ersucht)?
  4. Wann wurden die involvierten Beamten einvernommen?
  5. Wann wurde das Opfer als solches einvernommen?
  6. Aus welchem Grund wurde das Opfer am Tag nach dem Vorfall, als es Anzeige erstatten wollte, von dem Beamten weggeschickt?
  7. Handelte der Beamte eigenständig oder nach Rücksprache?
    1. Wenn zweiteres: nach Rücksprache mit wem?
  1. Wann wurde das Referat für besondere Ermittlungen (RBE) von diesem Vorfall in Kenntnis gesetzt?
  2. Welche Maßnahme setzte das RBE wann in weiterer Folge (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?
  3. Wann und in welcher Form wurde die Staatsanwaltschaft informiert?
  4. Welche disziplinarrechtlichen Schritte wurden wann und gegen welchen der involvierten Polizeibeamten gesetzt?
  5. Wurde die Suspendierung eines Polizeibeamten beschlossen?
    1. Wenn ja, wann erfolgte sie und aus welchem präzisen Grund?
    2. Wenn nein, weshalb wurde von einer Suspendierung Abstand genommen?
    3. Wenn nein, inwiefern wurde das Ansehen des Amtes nicht als gefährdet eingeschätzt?
    4. Wenn nein, inwiefern wurde kein anderer Grund für eine Suspendierung als gegeben erachtet?
  1. Befindet sich die involvierten Polizeibeamten derzeit im Polizeidienst?
    1. Wenn ja, ist er im Außendienst oder im Innendienst tätig?
    2. Wenn er nur mehr im Innendienst tätig sind - für welche Tätigkeiten wird er genau eingesetzt?
  1. Befinden sich alle anderen involvierten Polizeibeamten derzeit im Polizeidienst?
    1. Wenn ja, sind diese im Außendienst oder im Innendienst tätig?
    2. Wenn die involvierten Polizeibeamten nur mehr im Innendienst tätig sind - für welche Tätigkeiten werden diese genau eingesetzt?
  1. Wie viele Misshandlungsvorwürfe, Beschwerden o.ä. lagen bzw. liegen insgesamt (d.h. aus allen möglichen anderen Verfahren) je gegen den/die involvierten Beamten (ausführender Beamter und passive Beamten im Video) vor?
  2. Wie viele solcher Vorwürfe lagen zum Zeitpunkt der Entscheidung über eine mögliche Suspendierung insgesamt je gegen diese involvierten Polizeibeamten vor?
  3. Sollte es bereits in der Vergangenheit Vorwürfe gegen die involvierten Polizeibeamten gegeben haben: Welchem der Vorgesetzten wurden diese bzw. vorherige Verfehlungen wann bekannt?
  4. Welche Maßnahmen wurden in der Folge wann von wem gesetzt?
  5. Für das Jahr 2020 wird um folgende Daten gegliedert nach Bundesländern ersucht:
    1. Anzahl der Strafanzeigen gegen Polizeibeamten_Innen wegen Misshandlungsvorwürfen (aufgeschlüsselt nach Delikten und Versuch- und Vollendungsstadium)
    2. Anzahl der Maßnahmenbeschwerden wegen Misshandlungsvorwürfen gegenüber Polizist_innen
    3. Anzahl der Richtlinienbeschwerden wegen Misshandlungsvorwürfen gegenüber Polizist_innen
    4. Wie viele Aufsichtsbeschwerden gemäß § 89 SPG gingen in den Jahren an die zuständigen Dienstbehörden zur Ermittlung des Sachverhalts und der Prüfung der Frage von Rechtsverstößen?
  1. In wie vielen von allen Fällen von Vorwürfen polizeilicher Misshandlung von 2019 bis zum heutigen Zeitpunkt wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet (um Auflistung nach Jahren und Landespolizeidirektionen wird ersucht)?
  2. Ergeben sich für das Innenministerium rückblickend aus dem Vorfall konkrete Handlungsweisen, Taktiken, Strategien der Polizei, die einer Verbesserung zugeführt werden sollen?
    1. Wenn ja, welche sind dies (um detaillierte Erläuterung wird ersucht)?
    2. Wenn ja, welche konkreten Handlungsweisen, Taktiken, Strategien seitens der Polizei, sollen durch welche Maßnahmen wann verbessert werden?
    3. Wenn nein, weshalb nicht?
  1. Schon seit mehreren Jahren üben internationale und nationale Organisationen sowie Expert_innen aus dem Menschenrechtsbereich Kritik am derzeitigen System der Untersuchung von Vorwürfen polizeilicher Misshandlung. Daran schließt sich auch eine Kritik an der generellen Folgenlosigkeit bei Beschwerden über polizeiliches Verhalten an. In ihrer Anfragebeantwortung 605/AB unserer Anfrage (566/J) wird ausgeführt, dass für die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle ein umsetzungsfähiges Konzept bis Herbst 2020 vorliegen wird. Ein solches wurde bis dato nicht erstellt. Wer ist dafür federführend verantwortlich bzw. welche sonstigen Stellen sind in die Konzeption der unabhängigen Beschwerdestelle eingebunden?
    1. Gibt es mittlerweile einen konkreten Zeitplan für die Reform?
    2. Wenn ja, wie sieht dieser aus?
    3. Welche Organisationen werden sonst in die Reform eingebunden?
    4. Wird die Volksanwaltschaft eingebunden?
    5. Werden ExpertInnen eingebunden? 

                                          i.    Wenn ja, welche und inwiefern?