7817/J XXVII. GP

Eingelangt am 22.09.2021
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DRINGLICHE ANFRAGE

gem. § 93 Abs 2 GOG-NR

 

der Abgeordneten Beate Meinl-Reisinger, Kolleginnen und Kollegen

an den Minister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Schlechte Datenbasis, chaotisches Pandemiemanagement, niedrige Impfquote. Was noch, Herr Minister?

 

Begründung

Einleitung

Die Pandemie hält seit eineinhalb Jahren an und langsam wird es nicht nur Zeit, sondern höchste Zeit aus dem Krisenmodus herauszukommen. Nach Monaten von Lockdowns und Einschränkungen und mehreren Erholungsphasen, die als "Licht am Ende des Tunnels" und "Sommer wie damals" angekündigt wurden, stehen wir erneut vor einem Herbst mit steigenden Infektionszahlen, steigendem Krankenhausbelag, verschobenen Operationen, Clustern in Altersheimen und geschlossenen Schulklassen. Was die Frage aufwirft: Waren wir hier nicht schon? Der Herbst 2020 wiederholt sich und die Bevölkerung ist deshalb aus gutem Grund irritiert. Haben Sie uns allen nicht versprochen, dass die Normalität zurückkehrt? Dass es keine Lockdowns mehr gibt? Dass die Pandemie für Geimpfte vorbei ist und, dass die Wirtschaft sich wieder erholt?

Doch jedes vollmundige Versprechen hat natürlich eine Schattenseite: Die Durchführung. Die Impfkampagne ist nicht nur von einer Partei aus wahltaktischen Gründen unterlaufen worden, sondern die Bundesregierung hat über den Sommer die Impfkampagne nicht nur vernachlässigt, sondern auch de facto ausgesetzt. Und mit dieser praktisch auch wesentliche Teile des Pandemiemanagements. Denn ganz offensichtlich befürchtet die Bundesregierung durch das Verkünden von allzu einschränkenden Maßnahmen Nachteile bei der bevorstehenden OÖ Landtagswahl. Gerade in Oberösterreich, wo die niedrigste Impfquote zu beobachten ist und somit die deutlichsten Einschränkungen notwendig und zu erwarten sind. Wenig überraschend liegt Österreich aufgrund dieser Passivität mittlerweile im westeuropäischen Vergleich bei der Impfquote weit abgeschlagen hinten. Dabei gab es schon im Juni anhand von Daten aus den USA, dem UK und Israel eindeutige Warnhinweise, dass die Impfbereitschaft ab einer Durchimpfungsquote von 60 Prozent stagniert.

Zudem gab es aber schon vor der ersten Impfung in Österreich Bedenken, dass die Impfbereitschaft der Bevölkerung nicht hoch genug sein würde, um dies zu erreichen und bereits damals Überlegungen, mithilfe welcher Mittel "leichter Druck" zur Impfung ausgeübt werden könne (1). Anstatt sich darum zu kümmern und gleich zu Beginn der Impfkampagne Anreize zu setzen, hat die Bundesregierung die Verantwortung aber an die Bundesländer abgegeben und sich im Beschaffungsprozess für unwissend erklärt (2). Diese Unwissenheit ist zwar praktisch, wenn es um Schuld geht, aber sie untergräbt auch das Vertrauen der Bevölkerung, in die Regierung, in ihre Entscheidungen und in Ihre Maßnahmen gegen die Pandemie.

Als Draufgabe hat der Rechnungshof diese Woche in einem Rohbericht das Pandemiemanagement grundlegend kritisiert: von der unzureichenden Datenbasis bis zur fehlenden Koordination der Bundesländer durch die Bundesregierung. Aber erst dann, wenn das Pandemiemanagement funktioniert und die Impfquote ausreichend hoch ist, können alle Einschränkungen fallen. Die Bundesregierung muss dieses Ziel genauso entschlossen verfolgen, wie Dänemark oder Irland. Damit auch in Österreich statt Einreisebeschränkungen ein Ende der Maßnahmen verkündet werden kann, muss diese zögerliche und zerfledderte Politik aber ein Ende finden.

 

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Quelle: Our World in Data, 19.9.2021

 

Wenig überraschend kritisiert der Rechnungshof das Pandemiemanagement

Die Nachzügler-Position beim Impfen kommt auch nicht von irgendwo. Die ganze Wirkungskette an Schwächen im Pandemiemanagement wurde erst diese Woche vom Rechnungshof in einem Rohbericht detailliert aufgezeigt (3). So hat es die Bundesregierung von Beginn an verabsäumt, eine saubere Datenbasis als Grundlage für die Pandemiebekämpfung zu schaffen. Dazu hätte man zumindest sämtliche relevante Daten aus dem niedergelassenen Bereich, dem stationären Bereich, dem EMS und der Impfdatenbank zusammenspielen müssen. Auf Basis dieser Daten hätte man ein umfassendes, bundesweites Pandemiemonitoring einrichten müssen, mit dem die Bundesländer Fehlentwicklungen schnellstmöglich erkannt hätten und die Bundesebene eingreifen hätte können. Das ist bis heute nicht ausreichend passiert, stattdessen verweist der Gesundheitsminister in Anfragebeantwortungen regelmäßig auf die Zuständigkeit der Bundesländer. Die Folge des chaotischen Pandemiemanagements ist ein völlig unkoordiniertes Vorgehen in den Bundesländern, Intransparenz und der Fakt, dass Fehlentwicklungen zu spät erkannt werden. Wie bereits erwähnt, war schon im Juni klar, dass die Impfbereitschaft stark abnimmt.

Da die Bundesregierung zu diesem Zeitpunkt aber noch damit beschäftigt war, eine hypothetische Bereitschaft von 70 Prozent zu feiern (4), richtete NEOS damals die Anfrage "Übersieht die Bundesregierung das Problem der abnehmenden "aktiven" COVID-Impfbereitschaft?" (5) an den Gesundheitsminister bzw. die Anfrage "Übersieht die Landesregierung das Problem der abnehmenden „aktiven“ COVID-Impfbereitschaft?" (6) an die NÖ Gesundheitslandesrätin. Die 70 Prozent Impfbereitschaft, über die sich Regierung per Aussendung am 1. Juni freute, stellte aber offenbar nur die passive Impfbereitschaft dar. Die passive Impfbereitschaft ist aber nur eine theoretische Größe, da sie auch diejenigen einrechnet, die mit der Impfanmeldung lieber zuwarten. Diese Personen hätten von der Regierung und den Landesregierungen rechtzeitig durch aktives Impfmanagement und eine Impfkampagne abgeholt werden müssen. Diese Annahme, dass unter den 70 Prozent Impfwilligen auch viele abwartende Personen befinden, stütze sich darauf, dass auf der NÖ Impfanmeldeplattform viele Impftermine freiblieben und die Impfquote nur noch sehr langsam stieg (7, 8, 9).

Doch gemäß der Sommerferien scheint es bei den befragten Politiker_innen keine große Konfrontationsbereitschaft gegenüber diesem Problem gegeben zu haben. Die NÖ Gesundheitslandesrätin antwortete sinngemäß, dass alles passen würde. Der Gesundheitsminister schob in der Anfragebeantwortung überhaupt gleich die ganze Verantwortung an die Bundesländer ab. Zumindest hätte man sich vom Bundeskanzler ein Einschreiten erwartet, als sich abzeichnete, dass Österreich bei der Impfquote im westeuropäischen Vergleich zurückfiel. Der war jedoch den Sommer über damit beschäftigt, das Ende der Pandemie für Geimpfte auszurufen - unabhängig von der Faktenlage und Widerspruch seitens Politiker_innen auf Landesebene (10). Problematisch ist aber auch der Vergleich innerhalb Österreichs. So hatte Oberösterreich schon Ende Juni knapp die Hälfte der impfbaren Bevölkerung geimpft (8), seitdem hat sich wenig an dieser Quote verändert.

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Quelle: Impfdashboard, 19.9.2021, Impfquote (Vollimmunisierte)

Offenbar hat in Oberösterreich während des Sommers der Wahlkampf an Relevanz gegenüber der Impfkampagne gewonnen, bei genauerer Betrachtung ein eindeutiges Beispiel für Politik auf dem Rücken der Bürger_innen. Als wäre die Situation nicht schon problematisch genug, unterlässt die Bundesregierung hier ihre Aufsichtsfunktion. Der dortige ÖVP-Landeshauptmann streift das heikle Thema aus Angst vor der FPÖ nicht einmal ansatzweise, was es dem mitregierenden FPÖ-Vize-Landeshauptmann leichter macht, in zahlreichen Interviews die Impfkampagne zu unterlaufen. Sich nicht impfen zu lassen ist die eine Sache, ABER aus wahltaktischen Gründen offen gegen die COVID-Impfungen zu polemisieren, geht eindeutig zu weit und gefährdet die Gesundheit der Bevölkerung massiv. Hier wäre das Eingreifen der Bundesregierung längst nötig gewesen, aber auch die Bundesregierung befürchtet offenbar dadurch Nachteile am Wahlabend. Die Gesundheit der Bevölkerung darf für den Gesundheitsminister aber keine nachrangige Rolle spielen, nur weil der Koalitionspartner einen Landeshauptmannsposten behalten will. In Folge dessen führt die niedrige Durchimpfungsquote gekoppelt mit der hohen Infektionsrate schon Mitte September wieder zu einer Abriegelung des Bezirks Braunaus und es ist zu befürchten, dass dies nur der Anfang eines erneut sehr anstrengenden Herbsts sein wird.

Impfen wirkt: 2200 Todesfälle verhindert - Angebot muss niederschwelliger werden

Dabei haben die Covid-Impfungen bisher über 2.200 Todesfälle und 5.800 Hospitalisierungen verhindert (11) und alleine aufgrund dieser Tatsache muss es die Aufgabe aller Parteien gemeinsam sein, die Impfbereitschaft und in weiterer Folge die Immunisierungsquote zu erhöhen. In Portugal wurde allen Bürger_innen automatisch ein Impftermin zugeteilt (12), was das Land zum Spitzenreiter bei den Durchimpfungsquoten in Europa gemacht hat (13). Ebenso muss das Angebot noch niederschwelliger werden. Neben Kirchen, Einkaufszentren und Schulen müssen auch endlich die Apotheken zu Impfzentren werden, denn auch dort ist die Bevölkerung zu finden.

Impfen in den Apotheken immer noch nicht umgesetzt

Bereits in 14 europäischen Ländern werden Impfungen auch in Apotheken mit speziell geschultem Apothekenpersonal angeboten. Dieses zusätzliche niederschwellige Impfangebot erhöht nicht nur die COVID-Impfquote, sondern sämtliche Impfquoten (z.B. FSME). Außerdem kommt es günstiger, wenn für die COVID-Auffrischungsimpfungen auf bestehendes Angebot zurückgriffen wird, anstatt teure Impfzentren zu errichten. Die Bedenken für die Gefährdung der Patientensicherheit durch das Impfen in der Apotheke wurden im Impf-Expert_innenhearing (Gesundheitsausschuss: 16.9.2021, 14) zudem ausgeräumt. Unmittelbare Impfreaktionen sind zudem laut den BASG-Nebenwirkungsberichten absolute Ausnahmen und können im Fall des Falles in den Impfapotheken gleichwertig erstversorgt werden wie in den Ordinationen. Zudem besteht auch bei den Impfapotheken immer noch die Wahlfreit für den Impfort (Ordination oder Impfapotheke).

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Quelle: Apothekerkammer

Gratistests unterlaufen Impfquote

Die impfskeptische Bevölkerung muss weiter aufgeklärt werden, Informationsstände müssen neben die Teststraßen gestellt werden, an denen sich die Bevölkerung am Wochenende anstellt. Eine verbindliche Information, wie lange es diese Teststationen für Ungeimpfte noch geben wird, wäre so eine Maßnahme. Denn so wie es jetzt aussieht, zahlt die Allgemeinheit der Steuerzahler_innen jede Woche Unmengen an Antigentests für Impfverweigerer. Dabei treffen diese ja eine bewusste Entscheidung gegen die Impfung. Wer bewusst Entscheidungen trifft, kann für diese aber auch einstehen und muss die Folgen nicht auf die Steuerzahler_innen abwälzen. Da sich gezeigt hat, dass die Pandemie nicht einfach verschwinden wird, sondern die Gesellschaft mit diesem Virus als bleibendes Element umgehen muss, kann es nicht das Ziel sein, weiterhin und langfristig alle Konsequenzen für Entscheidungen der Bürger_innen zu übernehmen. Aus diesem Grund ist es Zeit für ein Ende der Gratistests für Menschen, die aktiv die Impfung verweigern. Wer nicht geimpft werden kann, darf nicht darunter leiden und soll natürlich weiterhin testen können. Aber nach mehr als eineinhalb Jahren Pandemie wird es Zeit, dass der Staat zumindest mithilfe von Nudging seine Aufgabe übernimmt und Bürger_innen die richtigen Entscheidungen auch attraktiver macht. Immerhin haben alleine die Screeningprogramme bisher 267 Millionen Euro gekostet und auch in der Schweiz und in Deutschland - trotz des dortigen Wahlkampfes, schafft die Regierung es, ihren Bürger_innen gegenüber so ehrlich zu sein und ein Datum für das Ende der Gratistests zu nennen.

Nach wie vor Anerkennungsprobleme für Genesene, 40 Prozent der Bevölkerung könnten bei 2G oder 1G eingeschränkt werden

Allerdings zeigte die Regierung schon mehrmals absichtlich Ignoranz gegenüber zielorientierter Vorgehensweisen. So gehören zu den Ungeimpften oftmals Genesene, die aufgrund der Vielzahl an Stellungnahmen Angst vor einer Impfung haben. Da unklar ist, wie viele Menschen ohne Diagnose eine Covid Infektion durchlebt haben, könnten diese Personen bei Information über und Anerkennung von ihrem Antikörperstatus de facto aber leichter zur immunisierten Bevölkerungsgruppe gezählt werden, in öffentlichen Diskussionen entspricht dies der 2G-Regel, die von der Bundesregierung offenbar immer wieder vergessen wird. So wurde im Mai zwar seitens des Parlaments beschlossen, dass Genesene und Geimpfte gleichgestellt sind (15), in der Praxis ist dies aber mit vielen Problemen verbunden. So scheitert es im ersten Schritt schon oft am mangelnden Angebot von Antikörpertests - ein Mangel, der ganz klar auf das Versagen der Regierung zurückzuführen ist. Denn schon im April wurde im Gesundheitsausschuss über einen Antrag von NEOS diskutiert, infolge dessen Antikörpertests für die breite Bevölkerung zugänglich gewesen wären und die Oppositionsparteien nahmen diesen geschlossen an (16).

In weiterer Folge kam es auch beim Grünen Pass zu Anerkennungsproblemen für Genesene (17), die sich aufgrund der mangelnden Einbindung von Labors an das EMS-System bis heute nicht mithilfe eines Antikörpertests freitesten können oder einen Nachweis erhalten, dass eine Impfung gegen Covid für sie einen ausreichenden Schutz darstellt. Das Gesundheitsministerium verpasst aufgrund dieser Ignoranz für Genesene die Möglichkeit, die Immunitätsquote in der Bevölkerung zu steigern und nicht länger an einer nicht nachvollziehbaren These einer 1G-Regel festzuhalten. Da aufgrund der hohen Dunkelziffer an Covid-Infektionen im Falle weiterer Einschränkungen bis zu 40 Prozent der Bevölkerung erneut eingeschränkt werden könnten, sind schon alleine für den Erhalt einer Normalität für möglichst weite Teile von Bevölkerung, das Bildungssystem und auch der Wirtschaft leichter zugängliche Antikörpertests unumgänglich. Da besonders für Kinder noch keine Impfungen verfügbar sind und diese oftmals kaum bis keine Symptome aufweisen, würden besonders diese von einer Erhebung des Antikörperstatus profitieren. Aufgrund aktueller Empfehlungen der Corona-Kommission (18) ist allerdings zu hoffen, dass es zumindest im Rahmen von Studien zu einer breiteren Erhebung des Immunitätsstatus der Bevölkerung kommen wird.

Die Vorgehensweise in Bezug auf Antikörpertests zeigt allerdings nicht nur die medizinische Inkompetenz im Gesundheitsministerium, sondern auch die mangelnde wirtschaftliche Kompetenz. So meldet die AGES bald 680.000 Genesene (19), je nach Angaben kann diese Zahl basierend auf der Dunkelziffer aber verdoppelt werden (20). Wäre all diesen Genesenen nach Auslaufen des Bescheides ein Antikörpertest zur Verfügung gestanden, hätte der Staat sich wohl Millionen für Antigen- und PCR-Tests erspart, damit diese Personen regulär am öffentlichen Leben teilnehmen konnten.

Missmanagement beseitigen

Mangelndes Bewusstsein für die Konsequenzen des eigenen Handelns zeichnet aber nicht nur das wirtschaftliche Vorgehen des Gesundheitsministeriums aus, sondern das gesamte Pandemiemanagement der Regierung. So hat die Regierung sich im Pandemiemanagement besonders durch eine chaotische und unübersichtliche Vorgehensweise ausgezeichnet, wie auch der bereits zitierte Rechnungshofrohbericht erst kritisiert hat (3). Der aktuelle Rohbericht zeigt, dass Österreich im Datenmanagement versagt hat und im Laufe des Jahres hat sich gezeigt, dass alleine das, das Vertrauen in die Regierung und die Maßnahmen massiv untergräbt. Wie soll die Sinnhaftigkeit von Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie erfasst werden, wenn es erstens nicht einmal festgelegte Richtwerte gibt, wann welche Maßnahmen greifen und wenn zweitens nicht einmal erfasst wird, welche Konsequenzen die einzelnen Maßnahmen haben? Kein Wunder, dass die Bevölkerung sich nicht ernst genommen und bevormundet fühlt und die Compliance der Bürger_innen sinkt. Stattdessen gab es „in unterschiedlichen Formaten zu unterschiedlichen Zeitpunkten Daten mit unterschiedlichen Auswertungszeitpunkten und unterschiedlichem Detailgrad, die sich mitunter auch in ihrer Definition unterschieden“ (3). Natürlich kennen da jetzt alle schon die Antwort des Ministeriums, dass es zu viele unterschiedliche Kompetenzen gab, aber im Krisenfall darf auch ein Ministerium keine Angst haben, einmal durchzugreifen und Länder zu entmachten und für zielgerichtete Handlungsweisen zu sorgen.

Kinder dürfen nicht den Preis für ungeimpfte Erwachsene zahlen

Damit hätte Österreich sich auch viele der negativen Folgen der Pandemie erspart. Wir sind eines der Länder mit den meisten Schulschließungstagen für die Oberstufen (21), dabei sind gerade die Jugendlichen auch auf die soziale Komponente der Bildungseinrichtungen angewiesen. Nicht umsonst kämpft jedes dritte Kind und jeder dritte Jugendliche mit psychischen Folgen der Pandemie (22). Und so werden Klassen reihenweise geschlossen in Quarantäne geschickt, auch wenn nur ein Kind erkrankt ist. Gleichzeitig stellt die Erkrankung für Kinder und Jugendliche nur eine minimale Gefahr dar, laut aktuellen Daten wurden lediglich 0,14 Prozent der Kinder bis neun Jahre auf der Intensivstation behandelt und von den zehn bis 19-Jährigen nur 0,05 Prozent - das sind 18 Jugendliche (23). Kinder und Jugendliche dürfen nicht den Preis in Form von überschießenden Maßnahmen zahlen, nur weil sich viel sich viele Erwachsene mit erhöhten Risiko für schwere Verläufe nicht impfen lassen.

Aber unter den Quarantäneregelungen leiden ja nicht nur Kinder und Jugendliche. Eltern müssen in Sonderbetreuungszeit zu Hause bleiben, wenn wir bei den Schulen wieder versagen. Das kostet erstens den Staat noch einmal 2,5 Millionen Euro und zweitens die Unternehmen, deren Mitarbeiter_innen zu Hause bleiben müssen. Als hätten Unternehmen nicht ohnehin schon genug Probleme. Immerhin gab es schon zu Beginn des Härtefallfonds Probleme mit den Auszahlungen, Unternehmen mussten monatelang auf ihre Zuschüsse warten (24). Und auch jetzt, nach über eineinhalb Jahren häufen sich die Meldungen von Bürger_innen, dass die Zuschüsse nicht ausbezahlt werden und die Unternehmen am Rande ihrer Existenz stehen. Die Pleitewelle wurde damit im vergangenen Jahr zwar verhindert (25), deren jetzigen Auftauchen kann aber niemanden überraschen (26). Nicht nur, weil die Stundungen auslaufen, sondern auch, weil die Ausgestaltung der Hilfen den nötigen Strukturwandel unserer Wirtschaft verhindert hat. Das zeigt sich ja auch am Arbeitsmarkt, wo Arbeitskräfte in der Kurzarbeit gebunden sind, während an anderen Orten händeringend nach genau diesen Arbeitskräften suchen (27).

Impfwerbung statt Eigenwerbung

Wie bereits so oft, beweist die Regierung hier ein vollkommen falsches Verständnis für notwendigen Mitteleinsatz. Anstatt die Kurzarbeit zu beenden, machen Sie einfach weiter damit. Anstatt sich um die Impfkampagne zu kümmern, lassen Sie zu, dass das Bundeskanzleramt diese über den Sommer einfach auslaufen lässt (28). Nachdem die veranschlagten 21,68 Millionen Euro bis Juli bereits ausgegeben waren, ist dies nicht verwunderlich. Die eigenen Kampagnen der Ministerien werden allerdings nicht vor diesem Problem stehen. Für die wurden alleine im ersten Halbjahr knapp 25 Millionen ausgegeben und wir wissen, dass diese Zahl noch höher werden wird. 2020 wurde schließlich auch fast dreimal so viel für Eigenwerbung wie für die Covid-Kampagne ausgegeben (29, 30). Als Regierungsmitglied ist dies aus einer PR-Perspektive für den Gesundheitsminister vielleicht praktisch, als Arzt muss dieses schiefe Verhältnis aber ganz klar gegen Ihre beruflichen Interessen gehen.

Denn die Impfquoten zeigen, dass dies eine tragische Fehlinvestition der Bundesregierung ist. Stecken wir das Geld in die Impfkampagne. Schicken wir allen Bürger_innen einen Impftermin, den sie aktiv verweigern müssten. Bringen wir die Impfungen in die Apotheke, um die Menschen dort abzuholen, wo sie sind. Machen wir die Antigentests unattraktiver und betonen wir endlich die wichtigste Tatsache: Die Impfung wirkt und sie ist unser wichtigster Schlüssel zurück in die Normalität. Denn andernfalls frotzeln Sie weiterhin die Geimpften und die Unternehmen, die Angst vor einem Lockdown haben, weil sie kein Vertrauen in die Politik mehr haben. Zeigen wir den Bürger_innen Österreichs endlich, wie verantwortungsbewusste Politik aussieht.

 

(1) https://www.derstandard.at/story/2000122646010/covid-impfungen-der-sanfte-zwang-zur-spritze

(2) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_05911/index.shtml

(3) https://orf.at/stories/3229167/

(4) hhttps://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20210601_OTS0159/kurz-und-mueckstein-erfreut-ueber-steigende-impfbereitschaft

(5) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_06913/index.shtml

(6) https://noe-landtag.gv.at/gegenstaende/XIX/XIX-1692

(7) https://www.kleinezeitung.at/service/newsticker/6001121/Kreative-Impfmotivatoren_Bundeslaendern-fehlen-langsam-die

(8) https://www.heute.at/s/jetzt-kommen-die-pop-up-impfstellen-100150408

(9) https://steiermark.orf.at/stories/3110728/#15473

(10) https://www.nachrichten.at/politik/innenpolitik/kurz-erwartet-neue-welle-fuer-geimpfte-ist-die-pandemie-vorbei;art385,3426823

(11) https://www.krone.at/2506462

(12) https://orf.at/stories/3228927/

(13) https://vaccinetracker.ecdc.europa.eu/public/extensions/COVID-19/vaccine-tracker.html#uptake-tab

(14) https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2021/PK0993/index.shtml

(15) https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2021/PK0534/index.shtml

(16) https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/I/I_00805/fnameorig_946762.html

(17) https://www.kleinezeitung.at/steiermark/6004151/Zahlreiche-Faelle_Probleme-mit-Gruenem-Pass_Ich-hatte-Corona-aber

(18) https://corona-ampel.gv.at/sites/corona-ampel.gv.at/files/Kommission_20210916_Sitzungsergebnis.pdf

(19) https://covid19-dashboard.ages.at/

(20) https://www.tt.com/artikel/30799784/1-2-oder-3-g-einheitliche-covid-regeln-fehlen-weiter

(21) https://orf.at/stories/3228781/

(22) https://www.kleinezeitung.at/politik/6026796/Folgen-der-Pandemie_Immer-mehr-junge-Menschen-kaempfen-mit

(23) https://www.derstandard.at/story/2000129769737/heikle-lage-an-den-schulen-wie-viele-kinder-an-covid

(24) https://www.derstandard.at/story/2000117417978/wochenlanges-warten-auf-geld-unternehmer-bewerten-haertefonds-mit-nicht-genuegend

(25)https://www.trend.at/wirtschaft/wenn-pleitegeier-extrarunde-11688614

(26) https://kurier.at/wirtschaft/firmenpleiten-nehmen-nach-auslaufen-von-stundungen-wieder-zu/401741061

(27) https://www.diepresse.com/5930100/agenda-austria-kurzarbeit-schrittweise-beenden

(28) https://www.derstandard.at/story/2000129357234/rotes-kreuz-kritisiert-vorlaeufiges-einschlafen-der-impfkampagne

(29) https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2021/PK0266/index.shtml

(30) https://www.falter.at/zeitung/20210310/73-millionen-euro-tuerkisgruene-werbeausgaben/_47f9904872?ref=related

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

Dringliche Anfrage

 

  1. Wie begründen Sie, dass Sie spätestens ab Juni bei der COVID-Impfquote den Anschluss an süd-, west- und nordeuropäische Länder verloren haben?
  2. Wie viele Besprechungen wurden seit Mai mit Bundesländern bezüglich COVID-Impfen abgehalten?
    1. Wann fanden diese Besprechungen konkret statt?
    2. Wie viele davon fanden im Rahmen der wöchentlichen Abstimmung mit den Bundesländerkoordinator_innen statt?
    3. Welche Best Practice-Beispiele wurden bei diesen Besprechungen ausgetauscht (vgl. 6849/AB)?

                                          i.    Welche dieser Beispiele wurden in anderen Bundesländern übernommen und mittlerweile umgesetzt?

  1. Wurde dabei die langsame Impfgeschwindigkeit gegenüber süd-, west- und nordeuropäischen Ländern besprochen?
    1. Wenn ja, weshalb wurde dennoch der Anschluss an diese Länder verloren?
    2. Welche Maßnahmen wurden dabei besprochen, um die Impfgeschwindigkeit zu steigern?
    3. Welche Maßnahmen, die besprochen wurden, werden mittlerweile in Österreich umgesetzt?
    4. Gibt es konkrete Pläne, wie den Bundesländern bei der Erhöhung der Impfquote geholfen werden kann?
    5. Haben Sie technische Vorarbeiten eingeleitet, damit die Bundesländer anhand des Impfstatus allen Ungeimpften einen konkreten Impftermin vorschlagen können?
  1. Mit welcher Begründung überlässt die Bundesregierung beim Impfen die Verantwortung zur Gänze den Bundesländern, obwohl es eine Aufsichtsverantwortung gibt und auch seitens der Regierung ein Lockdown um jeden Preis verhindert werden sollte?
  2. Wie viele angebotene COVID-Impftermine wurden in den Bundesländern seit Jänner nicht gebucht oder wurden nach der Buchung nicht wahrgenommen? (Bitte um getrennte Aufschlüsselung nach Bundesland und Monat)
  3. Welche Maßnahmen setzen Sie der (offensichtlich) sinkenden aktiven Impfbereitschaft entgegen, um schnellstmöglich die von Ihnen in der Anfragebeantwortung (vgl. 6849/AB) angestrebte COVID-Durchimpfung von 70 Prozent zu erreichen?
    1. Im Sommer ist das Ministerium davon ausgegangen, dass rund 12% der Bevölkerung noch aufklärungsbedürftige Impfskeptiker_innen sind - welche Aufklärungsmaßnahmen wurden für diese Bevölkerungsgruppe eingeleitet?
    2. Welche Maßnahmen wurden gesetzt, um herauszufinden, wie die Impfbereitschaft erhöht werden kann?

                                          i.    Wurden Studien zur Wirksamkeit von Impflotterien oder Anreizmodellen durchgeführt?

  1. Welche Koordination gibt es mit anderen Ministerien, um die Impfbereitschaft zu erhöhen?
  2. Mit welcher Begründung schreitet die Bundesregierung in Oberösterreich nicht ein, wo eine Landesregierung wahlkampfbedingt das Problem der bundesweit niedrigsten COVID-Impfquote Österreichs seit Wochen nicht thematisiert?
  3. Wie hoch ist die COVID-Impfquote im Bundesschnitt?
    1. Welches Bundesland weist die höchste COVID-Impfquote auf und wie hoch ist diese?
    2. Wie hoch ist die aktuelle COVID-Impfquote in Oberösterreich?
  1. Wie hoch ist die COVID-Immunisierungsquote (Erstgeimpfte + ungeimpfte Genesene) im Bundesschnitt?
    1. Welches Bundesland weist die höchste COVID-Immunisierungsquote (Erstgeimpfte + ungeimpfte Genesene) auf und wie hoch ist sie?
    2. Wie hoch ist die aktuelle COVID-Immunisierungsquote (Erstgeimpfte + ungeimpfte Genesene) in Oberösterreich?
  1. Werden Genesene in der Impfstatistik eigens erfasst?
    1. Fall ja: wie viele Genesene gelten nach einer Impfung als vollständig immunisiert?
    2. Warum wird diese Anzahl nicht gemeinsam mit der Impfquote kommuniziert?
  1. Wie hoch ist die potentielle COVID-Impfquote: Erstgeimpfte + Anmeldungen für Erstimpfungen?
  2. Wie viele Menschen liegen derzeit COVID-bedingt auf den Intensivstationen und wie viele davon sind nicht vollimmunisiert?
  3. Hält das Gesundheitsministerium das "Impfen in der Apotheke" immer noch für ein Problem für den Patientenschutz (3260/AB XXVII. GP), wenngleich bereits in 14 europäischen Ländern in Apotheken geimpft werden darf?
  4. Bis wann planen Sie für das Impfen in der Apotheke eine Gesetzesvorlage vorzulegen?
  5. Die Corona-Kommission empfiehlt eine bevölkerungsweise Antikörperstudie. Warum wurde noch keine derartige Studie durchgeführt?
  6. Warum haben wir bisher keine flächendeckenden Antikörpertests angeboten?
  7. Wann wird welche Art von Antikörperstudie in der gesamten Bevölkerung durchgeführt?
    1. Bekommen die Teilnehmer_innen im Falle neutralisierender Antikörper einen Immunitätsstatus im Grünen Pass eingetragen?

                                          i.    Falls ja, wie soll eine derartige Studie an den Grünen Pass gekoppelt werden?

    1. Gibt es in weiterer Folge Antikörpertests für die gesamte Bevölkerung?
    2. Wann starten die flächendeckenden Antikörpertests, die vor allen Kindern im nicht-impffähigen Alter helfen?
  1. Welche Maßnahmen werden seitens des BMSGPK gesetzt, um für die gestoppte Impfkampagne des BKA einzuspringen?
    1. Welche Gespräche gibt es mit dem BKA, um die Impfkampagne im Herbst wieder aufzunehmen?
  1. Ab wann sollen die Corona-Tests für Ungeimpfte kostenpflichtig werden?

 

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.