7820/J XXVII. GP
Eingelangt am 22.09.2021
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ANFRAGE
der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Eva Maria Holzleitner, Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Kindeswohl im österreichischen Asylwesen
Die Kindeswohlkommission, die am 13.07.2021 ihren Bericht[1] veröffentlicht hat, konstatiert, dass im Asylwesen Kinderrechte zu kurz kommen und diese verfassungsrechtlich unzureichend exekutiert werden. Gerade die Ausstellung von Asylbescheiden seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gleicht laut dem Bericht vor allem bei unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten einer Lotterie, wo einzelne Beamt*innen in einer nicht nachvollziehbaren Weise wesentliche Entscheidungen treffen. Hier werde das Kindswohl außer Acht gelassen, obwohl dies in der Verfassung verankert ist. Denn gerade auch beim Thema Kindeswohlsicherung und damit einhergehend dem fortwährenden Schutz unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter stellt die Kommission einen "Fleckerlteppich" fest, zumal die Verantwortlichkeiten je nach Bundesland unterschiedlich ausfallen. Um eine „umfassende Prüfung des Kindeswohls und der Auswirkungen der Entscheidungen auf die Rechte des Kindes“ zu gewährleisten, fordert die Kommission eine einheitliche Lösung für ganz Österreich, die einheitliche Standards umfasst, wie z.B. ein Abschiebestopp während des Schuljahres. Ebenso verlangt die Kindeswohlkommission verpflichtende Aus- und Weiterbildungsprogramme für alle Personen bzw. Institutionen, die mit der Prüfung des Kindeswohls betraut werden, darunter auch die Mitarbeiter*innen des BFA sowie des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG). Diese brauchen laut der Studie klar definierte Kriterien und Anleitungen, um das Kindeswohl auch von allen Seiten beleuchten und so eine fundierte Entscheidung treffen zu können. Zentraler Punkt dabei ist, die Integration vom Kind bzw. den Kindern auch in den Mittelpunkt zu rücken: „Eine Verletzung des Kindeswohls durch eine aufenthaltsbeendende Maßnahme kann meist nicht dadurch aufgewogen werden, dass die Einheit der Familie gewahrt bleibt“, so die Kommission.
Ein weiterer wesentlicher Punkt, den die Kommission anspricht, ist der Zugang zu Information. So haben die Kinder „ein Recht auf Zugang zu kindgerechter Information über das Verfahren in einer für sie verständlichen Sprache“.
Die Studie der Kindeswohlkommission ist sehr ausführlich und gründlich durchgeführt. Sie beleuchtet die Thematik von verschiedenen Seiten und setzt dabei immer das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt: Vom Recht auf Zugang zu Informationen über Obsorge bis hin zu Aus-und Weiterbildung für die zuständigen Stellen bietet die Kommission zahlreiche Handlungsanleitungen an.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Inneres folgende
Anfrage
1. Werden die Ergebnisse der Kindeswohlkommission künftig in die Arbeit der betroffenen Einheiten (z.B. des BFA) einfließen?
a. Wenn ja, in welcher Form konkret?
b. Wenn ja, in welchem Zeitraum?
c. Wenn nein, warum nicht?
2. Wird es demnach im BFA zu einer Umstrukturierung bzw. einer Neu-Orientierung kommen, damit der Fokus künftig verstärkt auf das Kindeswohl gelegt wird?
a. Wenn ja, wie genau soll dieser Prozess aussehen?
b. Wenn ja, wird dafür das von der Kommission kritisierte „Controlling System“ geändert bzw. gänzlich abgeschafft?
c. Wenn nein, warum nicht?
3. Sind für alle Organisationseinheiten, die mit der Prüfung des Kindeswohls befasst sind, Aus-und Weiterbildungen vorgesehen?
a. Wenn ja, um welche Organisationseinheiten handelt es sich hier? Bitte um Auflistung.
b. Wenn ja, um welche Art von Aus-und Weiterbildungen handelt es sich? Bitte um Auflistung der Themen/Inhalte.
c. Wenn ja, welche Institution(en) wurde(n) für die Durchführung dieses Weiterbildungsprogramm beauftragt? Bitte um Auflistung.
d. Ist es vorgesehen, diese Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen verpflichtend einzuführen?
4. Sowohl die Kommission als auch zahlreiche NGOs fordern seit Jahren, bei Rückkehrentscheidungen eine Prüfung des Kindeswohls durchzuführen. Findet eine solche Prüfung im Allgemeinen und im Einzelfall statt, wenn es um Entscheidungen über den Aufenthalt in Österreich, den Asylbescheid sowie um Abschiebungen geht?
a. Wenn ja, finden diese Entscheidungen unter Einbindung von Sozialarbeiter*innen, Obsorgeberechtigten, Lehrer*innen, Ärzt*innen und Psycholog*innen statt?
i. Wenn ja, bitte um Auflistung aller Beteiligten.
ii. Wenn nein, warum nicht?
b. Wenn ja, wer ist für diese Prüfung verantwortlich?
c. Wenn ja, in welchem Zeitraum findet die Prüfung des Kindeswohls statt?
d. Wenn ja, wird diese dokumentiert?
e. Wenn nein, warum nicht?
f. Wenn nein, wer ist für die Prüfung letztlich zuständig?
5. Ist es vorgesehen, künftig die Prüfung des Kindeswohls unter Einbindung von Sozialarbeiter*innen, Obsorgeberechtigten, Lehrer*innen, Ärzt*innen und Psycholog*innen durchzuführen?
a. Wenn ja, (ab) wann soll dies in der oben genannten Konstellation stattfinden?
b. Wenn nein, warum nicht?
6. Finden Kindeswohlprüfungen bei Abschiebungen nach Afghanistan statt?
a. Wenn ja, in welcher Form?
b. Wenn nein, warum nicht?
7. Finden Kindeswohlprüfungen bei Abschiebungen nach vermeintlich sicheren Drittstaaten, wie z.B Georgien, statt?
a. Wenn ja, in welcher Form?
b. Wenn nein, warum nicht?
8. Anhand welcher Kriterien können Sie aktuell eine „umfassende Prüfung des Kindeswohls und der Auswirkungen der Entscheidungen auf die Rechte des Kindes“ gewährleisten?
9. Anhand welcher Kriterien können Sie künftig eine „umfassende Prüfung des Kindeswohls und der Auswirkungen der Entscheidungen auf die Rechte des Kindes“ gewährleisten?