7829/J XXVII. GP

Eingelangt am 22.09.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS

Genossinnen und Genossen,

an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

betreffend weltweite Versorgung mit Covid-19 Impfstoffen

 
Medizinerinnen und Mediziner weltweit sind sich einig: Eine Pandemie ist ein globales Problem und kann nur global besiegt werden. Eine solidarische Impfstoffverteilung ist damit auch aus Sicht der Pandemiebekämpfung das Gebot der Stunde. 
 

Das „Licht am Ende des Tunnels“, der „Gamechanger“ in der Pandemiebekämpfung, sollte die COVID-19 Impfung werden. Im Rahmen des gemeinsamen Beschaffungsvorgangs der Europäischen Kommission und der 27 Mitgliedstaaten von COVID-19 Impfstoffen konnte das bislang weltweit größte Portfolio an COVID-19 Impfstoffen einer Einkaufsgemeinschaft aufgestellt werden. Während die Impfkampagnen innerhalb der Europäischen Union nach Anfangsschwierigkeiten großteils erfolgreich sind, halten die Warnungen weiterhin an, dass die Impfstoffe im Globalen Süden noch immer ein viel zu knappes Gut sind. Während in der EU knapp 70 Prozent der Erwachsenen vollimmunisiert sind, sind es auf dem afrikanischen Kontinent gerade einmal drei Prozent, die laut der panafrikanischen Gesundheitsbehörde Africa vollimmunisiert sind. Nur 5 Prozent erhielten eine Erstimpfung. Während in Österreich bereits über die Auffrischungsimpfung diskutiert wird, stehen die Chancen schlecht, dass die 1,3 Milliarden Menschen in Afrika im nächsten Jahr eine ausreichende Immunisierung erfahren.

Schon oft wurden Vorwürfe laut, dass seit der Einführung der Corona-Impfungen deren Verteilung weltweit zu einer "Impfstoff-Apartheid" führt. Die WHO hat sich gegen die Auffrischungsimpfungen ausgesprochen, solange in vielen ärmeren Staaten nur wenige Menschen – und zudem nicht einmal medizinisches Personal und Hochrisikogruppen – geimpft sind. Auch die Kommissionpräsidentin Von der Leyen forderte dazu auf, stärkere Unterstützung für vergleichsweise arme Länder außerhalb der EU zu leisten. "Es muss noch mehr getan werden", sagte sie. "Die Pandemie ist noch nicht überwunden." (https://www.sn.at/panorama/international/eu-erreichte-wichtiges-ziel-bei-corona-impfkampagne-108787024; Stand: 13.09.2021)

Die G20 haben sich zuletzt beim Treffen in Rom darauf verständigt, dass die Corona-Impfung kein Privileg sein darf. Deutschland will laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bis Jahresende 100 Millionen Impfdosen der internationalen Corona-Impfkampagne zur Verfügung stellen. "Das ist so viel wie wir bisher auch in unserem Land verimpft haben", sagte Spahn am Rande der G20-Konferenz in Rom. Angestrebt werde, dass bis zum Ende des Jahres mindestens 40 Prozent der Weltbevölkerung geimpft seien. Die Pandemie sei erst vorbei, wenn sie auf der ganzen Welt vorbei sei. Ansonsten könnten Varianten entstehen, die dann auch Deutschland wieder erreichten und zu Problemen führten. "Wir sind erst sicher, wenn alle sicher sind", twitterte Spahn. (vgl. https://www.dw.com/de/g20-corona-impfung-darf-kein-privileg-sein/a-59093666; Stand: 08.09.2021).

"Der Pakt von Rom wurde von allen G20-Ländern einstimmig angenommen", verkündete Speranza auf einer Pressekonferenz als Gastgeber des Treffens. Um die Gesundheitssysteme zu stärken, sollen Investitionen in die Gesundheitssysteme getätigt werden. "Menschen haben das Recht, unabhängig von ihrer Klasse oder Rasse behandelt zu werden", sagte Speranza. Um die Covid-19-Impfstoffe in die ärmsten Länder der Welt zu bringen, sollen Voraussetzungen geschaffen werden, um die Produktion der Vakzine auch in anderen Teilen der Welt zu ermöglichen. (https://www.sn.at/panorama/international/g20-laender-beschlossen-pakt-zur-impfung-der-ganzen-welt-109102663; Stand: 09.09.2021)

Eine immer größere Riege internationaler Politikerinnen und Politiker sowie anderer Akteure und Akteurinnen sprechen sich dafür aus, Möglichkeiten zu nutzen, die eine schnellere Impfstoffproduktion sicherstellen. Vom US-Präsidenten Joe Biden bis zum EU-Parlament, von Indiens Premier Narendra Modi bis zur Weltgesundheitsorganisation WHO. In diesem Zusammenhang hat sich insbesondere auch das Unterstützerfeld für ein Aussetzen von handelsbezogenen geistigen Eigentumsrechten zur Prävention, Eindämmung und Behandlung von Covid-19 in der WTO seit Herbst 2020 immer stärker ausgeweitet (sog. TRIPS-Waiver, vgl. EU_Infobrief_2021_2.pdf (arbeiterkammer.at); Stand 13.9.2021). Das Unterstützerfeld von mehr als 100 WTO-Mitgliedstaaten wurde zuletzt um Australien erweitert (Australia to support vaccine waiver after months of pressure from human rights groups | Vaccines and immunisation | The Guardian), Stand 13.9.2021). Darüber hinaus haben im September über 140 frühere Regierungschefs/innen sowie NobelpreisträgerInnen zu einer Freigabe des Patentschutz sowie anderer geistiger Eigentumsrechte zur Pandemiebekämpfung aufgerufen und unterstrichen, dass „sowohl eine schnellere Herstellung von COVID-19-Impfstoffen als auch den Zugang zu Technologien“ durch die Blockade des TRIPS-Waivers nicht länger behindert werden dürfen (vgl. Ehemalige Staats- und Regierungschef:innen und Nobelpreisträger:innen fordern: Regeln zum Schutz des geistigen Eigentums für COVID-Impfstoffe aufheben | by People's Vaccine Alliance | Sep, 2021 | Medium; Corona-Impfstoffpatente: Ex-Präsidenten und Nobelpreisträger appellieren an Kanzlerkandidaten - DER SPIEGEL; Stand 13.9.2021).

Vor dem Hintergrund dieser anhaltenden Ausnahmesituation wurde in den letzten Monaten also ausgiebig argumentiert, dass die vorübergehende Aussetzung von Patenten und sonstigen Rechten des geistigen Eigentums auf Covid-19-Impfstoffe und andere Medikamente und Geräte im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Covid-19, einen wichtigen Hebel dafür darstelle die Pandemie schneller zu überwinden. Die weltweiten Produktionspotentiale für Impfstoffe müssten gerade auch im Globalen Süden endlich voll ausgeschöpft werden können und dafür sei ein umfassender Transfer von Know-How und Technologie zur Pandemiebekämpfung sicherzustellen. Die nach wie vor gegebenen Engpässe lassen sich demnach auch nicht durch bloße Spendendiplomatie lösen und verlangen nach einem solidarischen Teilen von Produktionstechnologien, damit Impfstoffe sowie andere lebensnotwendiger medizinische Güter zur Pandemiebekämpfung umfassender produziert werden und gerechter verfügbar sind(vgl. https://www.profil.at/wirtschaft/engpaesse-beim-corona-impfstoff-sollen-patente-freigegeben-werden/401417244; Stand 13.09.2021; https://awblog.at/globale-impfungleichheit/, Stand 14.9.2021).

Die österreichische Bundesregierung hat in den letzten Monaten einige Millionen Dosen des Covid-19 Impfstoffes an andere Länder bzw. Regionen gespendet: Am 1. September wurde durch eine Aussendung bekannt, dass Österreich 1 Million Dosen Covid-19 Impfstoff an den Iran gespendet hat. Wie das Außenministerium am 16. August 2021 bekannt gab, wurden dem Libanon 100.000 Impfdosen aus Österreich gespendet. „Wir lassen die libanesische Bevölkerung in dieser schwierigen Situation nicht im Stich“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz in einer Aussendung. Am 22.08.2021 spendete Österreich eine halbe Millionen Impfdosen an die Ukraine, am 29.07. 50.000 an Tunesien, ebenso Impfstoffdosen nach Georgen und Bosnien und Herzegowina. Eine umfassende Unterstützung von Drittstaaten mit Impfstoffen auf bilateraler Ebene und über bereits bestehende europäische und internationale Mechanismen, ist weiterhin zentral.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage

1.      Wieviel Impfdosen hat Österreich bislang bilateral gespendet?

2.      Wann erfolgten diese Spenden?

3.      An welche Länder bzw. Regionen wurden wie viele Impfdosen gespendet (mit der Bitte um Aufschlüsselung nach Land/Stückzahl und Marke des Impfstoffes).

4.      Nach welchen Kriterien bzw. Prioritäten erfolgten die Impfstoffspenden?

a.       Nach welchen Kriterien wurden die Länder ausgewählt, die diese Impfstoffspenden erhalten haben?

b.       Welches Ressort hat diese Auswahl getroffen?

c.       Welche Ressorts waren in die Koordinierung, Auswahl und Lieferung in wieweit eingebunden?

5.      Sind weitere Impfstoffspenden geplant?

a.       Falls ja, wann und wie viele?

b.       Falls ja, an welche Länder?

6.       Wie viele Impfdosen hat Österreich bislang über bestehende europäische und internationale Mechanismen an Drittstaaten gespendet?

7.       Wie viele Überkontingente an unverbrauchten Impfstoffen werden derzeit in Österreich gelagert?

8.       Wie viele Überkontingente bzw. Impfdosen wurden bislang entsorgt?

9.       Wie viele Mittel hat Österreich bisher für die COVAX Initiative zur Verfügung gestellt?

a.       Ist eine Aufstockung der COVAX-Mittel geplant?

b.       Falls ja, wann, falls nein, weshalb nicht?

10.   Bislang wurden laut Reuters nur knapp 177 Millionen Dosen über die Covax Initiative verteilt. Dies entspricht erst weniger als 10 Prozent des Zielwertes.

a.       Aus welchem Grund ist die Covax Initiative bislang nicht erfolgreich gewesen?

b.       Haben Sie sich dafür eingesetzt, dass die österreichischen Mittel für diese Initiative angehoben werden und, dass es auf europäischer und internationaler Ebene mehr Anstrengungen geben soll, diese Initiative breiter zu unterstützen?

11.   Die G-20 haben sich bei ihrem letzten Treffen darauf verständigt „Voraussetzungen zu schaffen, um die Produktion der Vakzine auch in anderen Teilen der Welt zu ermöglichen“.

a.       Welche Position vertritt die österreichische Bundesregierung in Bezug auf die Aussetzung der Patente für Impfstoffe?

b.       Gibt es zu dieser Frage bereits eine akkordierte Position der österreichischen Bundesregierung?

c.       Gab es diesbezüglich Gespräche auf europäischer Ebene bzw. in europäischen Gremien?

-          Wie hat sich die österreichische/r Vertreter/in dahingehend positioniert?

12. Zuletzt wurde bekannt, dass nun auch Australien aus dem Block der TRIPS-Waiver-Blockierer in der Welthandelsorganisation ausgeschieden ist und die Forderung nach einer Freigabe von Patenten sowie Technologien zur Pandemiebekämpfung von mehr als 140 früheren Staatschefs/innen und Nobelpreisträgern/innen unterstützt wird (siehe oben).

a.       Wie verhalten sich die Mehrheiten dazu in der WTO?

-          Welche Regerungen haben sich für den TRIPS-Waiver ausgesprochen?

-          Welche Regierungen dagegen?

b.       Wie verhalten sich die Mehrheiten innerhalb der Europäischen Union?

-          Welche Regerungen haben sich für den TRIPS-Waiver ausgesprochen?

-          Welche Regierungen dagegen?

c.       Haben Sie sich zum Vorschlag des TRIPS-Waivers zur Pandemiebekämpfung und der diesbezüglichen österreichischen Position in EU- und WTO-Gremien mit Bundesministerin Schramböck, Bundesminister Schallenberg und Bundesministerin Gewessler ausgetauscht?

d.       Gibt es zu dieser Frage eine akkordierte Position der österreichischen Bundesregierung?

e.       Wie haben sich die österreichische/r Vertreter/innen dahingehend in der EU sowie WTO positioniert?

13. Im Profil wurden Sie folgendermaßen zitiert: „Zum Wohle der global vernetzten Welt müssen wir auch unkonventionelle Wege gehen. Die Aufhebung von Patenten kann so ein Weg sein.“[1] 

a.       Haben Sie diesbezüglich das Gespräch mit dem Koalitionspartner insbesondere Bundesministerin Schramböck, Bundesminister Schallenberg und Bundesministerin Gewessler gesucht? Falls ja mit welchem Ergebnis und falls nein, aus welchem Grund nicht?

14. In der WHO gibt es seit über 1,5 Jahren eine Initiative zum besseren Teilen von Know-How und Technologien bezüglich Impfstoffen, wie z.B. den COVID-19 technology access pool . Spanien, Belgien, Niederlande, Luxemburg und Portugal, aber auch das Europäische Parlament unterstützen diese Initiative in der WHO (Solidarity Call to Action (who.int), Stand 13.9.2021).

a.       Unterstützt auch Österreich dies Initiative?

b.       Wenn nein, aus welchem Grund nicht?

c.       Wenn ja, seit wann?

d.       Welches Engagement legt Österreich generell an den Tag, wenn es um die Unterstützung von Know-How und Technologietransfer zur Pandemiebekämpfung im Globalen Süden geht?



a.        [1] https://www.profil.at/wirtschaft/engpaesse-beim-corona-impfstoff-sollen-patente-freigegeben-werden/401417244