785/J XXVII. GP

Eingelangt am 11.02.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Sonderposten für Edtstadler und andere "Mascherlposten"



Das derzeitige Narrativ der Kurz-ÖVP könnte noch als Musterbeispiel sogenannter Krisen-PR ihren Niederschlag in Lehrbüchern für einschlägige Studienrichtungen finden. So bläst die ÖVP aktuell ungeniert auch aus von Ihnen derzeit bekleideten Regierungsposten zum Angriff auf eine der wenigen Behörden, deren Einfluss sie sich noch nicht zur Gänze sichern hat können, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Der Grund hiefür ist so simpel wie vorhersehbar zugleich, werden doch von der WKStA derzeit die Ermittlungen zur Causa türkis-blauer Postenschacher bei den Casinos Austria geführt. Schien sich hinter diesem Themenkomplex zuerst lediglich - auch anhand des Ibiza-Videos - eine Machenschaft zwischen der Novomatic und der FPÖ zu verbergen, kommt nun Stück für Stück auch die Verstrickung der ÖVP ans Tageslicht. Dass nun eine politische Verschwörung hinter den Ermittlungen oder gar der WKStA selbst seitens der ÖVP vermutet wird, liegt hier eher auf der Hand als der Bevölkerung endlich reinen Wein einzuschenken und zuzugeben, dass man Postenschacher in den letzten drei Jahrzehnten nicht nur betrieben, sondern gar perfektioniert hat.

Besonders perfide muten in diesem Zusammenhang die Behauptungen des Bundeskanzlers Sebastian Kurz an, innerhalb der WKStA hätten sich rote Netzwerke ausgebreitet. Gerade er müsste es besser wissen, verfügt doch eine seiner engsten Vertrauten namens Karoline Edtstadler über jahrelange Erfahrung in der WKStA. Oder zumindest sollte sie über eine solche verfügen.

Am 9. Februar 2020 berichtete der Standard von einer durchwegs brisanten Postenbesetzung in der WKStA. So ist darin über Karoline Edtstadler zu lesen:

"Sie war ab 2008 Richterin am Landesgericht Salzburg, wurde als solche dem Justizministerium dienstzugeteilt, wo sie zunächst bei Pilnacek als Referentin in der Legistik-Sektion und ab 2014 als Referentin im Kabinett von Minister Wolfgang Brandstetter (er war von Ende 2013 bis Ende 2017 Minister) tätig war. Als derart Dienstzugeteilte verdiente sie im Ministerium weiterhin so viel wie als Richterin. Bis 2015.

Im Jänner 2015 wurde Edtstadler dann aber bei der WKStA auf den Posten einer Oberstaatsanwältin ernannt, mit der entsprechenden Gehaltsaufbesserung. Edtstadler hat freilich nie in der Behörde gearbeitet, das war auch nicht beabsichtigt, sie blieb weiterhin dem Ministerium zugeteilt. Bei der WKStA ist sie somit in einer justizintern "Mascherlposten" genannten Position gelandet. Ein nicht unübliches Vorgehen, mit dem, flapsig gesagt, das festgeschriebene Beamten-Entlohnungsschema umgangen wird. Dienstzugeteilte Kabinettsmitarbeiter im Justizministerium können so zu Gehaltsaufbesserungen kommen.

Die Voraussetzungen für die Tätigkeit einer Oberstaatsanwältin in der WKStA hätte die heutige Ministerin eher nicht erfüllt: Sie müssen mindestens fünf Dienstjahre als Strafrichter oder Staatsanwälte vorweisen können, besondere Erfahrung in der Führung von Großverfahren und eine wirtschaftliche Zusatzausbildung absolviert haben."

Dass es sich bei diesem "Mascherlposten" für Karoline Edtstadler um einen "roten Postenschacher", wie ihn der Bundeskanzler an jeder Ecke der WKStA vermutet, handelt, ist nach allen Regeln der Logik auszuschließen. Ebenso auszuschließen wäre diesbezüglich, eine ordnungsgemäße Postenvergabe in der Causa Edtstadler.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Wann und mit welcher Begründung wurde Karoline Edtstadler für die im Standard zitierte Stelle ernannt?

2.    Handelte es sich bei diesem Posten um eine Planstelle einer Stellvertreterin/eines Stellvertreters der Leiterin der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption?

3.    Was waren genau die Ausschreibungskritierien für diese Planstellen und warum jeweils ging Karoline Edtstadler als geeignet hervor? (Bitte um exakte Auflistung der Ausschreibungskriterien sowie der korrespondierenden Kompetenzen Edtstadlers)

4.    Stimmen die vom Standard genannten Ausschreibungskritierien "besondere Erfahrung in der Führung von Großverfahren und eine wirtschaftliche Zusatzausbildung"?

5.    Über welche besonderen Kenntnisse im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts, bzw. in der Führung von wirtschaftsstrafrechtlichen Großverfahren verfügte Karoline Edtstadler zum Zeitpunkt ihrer Ernennung?

6.    Über welche wirtschaftliche Zusatzausbildung verfügte Karoline Edtstadler zum Zeitpunkt ihrer Ernennung?

7.    Konnte Karoline Edtstadler während ihrer Tätigkeit bei der WKStA ihre Kompetenzen unter Beweis stellen?

a.    Wenn ja, inwiefern?

8.    Erfüllte Karoline Edtstadler zum Zeitpunkt der Ernennung zur Oberstaatsanwältin, die in § 205 Abs 4 des Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz zwingend verankerte Voraussetzung, dass die Betreffende eine achtjährige Praxis als Richter oder Staatsanwalt aufweisen muss?

a.    Wenn nein, wie erklärt das Ministerium dann Edtstadlers Ernennung zur Oberstaatsanwältin?

9.    Welches Gehalt bezog Karoline Edtstadler jeweils vor und nach dieser Ernennung?

10. Wie viele Tage versah Karoline Edtstadler ihren Dienst in der WKStA jeweils vor, bzw. nach der Ernennung?

11. War bei der Ernennung bereits klar, dass Karoline Edtstadler niemals tatsächlich ihren Dienst in der WKStA versehen wird?

a.    Wenn ja, wieso war das bereits klar?

b.    Wenn nein, inwiefern war das noch nicht klar?

12. Erachten Sie es für sinnvoll, der WKStA zugeteilte Ressourcen für Personal aufzuwenden, welche dort ohnehin nicht arbeiten?

13. Ist Karoline Edtstadler derzeit im BMJ mit einem Posten betraut, wenn auch karenziert?

a.    Wenn ja, welchen Posten bekleidet sie seit wann und in welchem Status befindet sich ihr Dienstverhältnis?

b.    Wenn ja, bezieht diese nach wie vor ein Einkommen seitens des BMJ?

c.    Wenn nein, wann wurde das Dienstverhältnis aufgelöst?

14. Ist Karoline Edtstadler nach wie vor mit diesem Posten betraut?

a.    Wenn ja, gedenken Sie dies zu ändern?

b.    Wenn nein, seit wann nicht mehr?

15. Wurde im Rahmen dieser Ernennung eine Reihenfolge ausschließlich anhand der Kompetenzen der jeweiligen Bewerber_innen erstellt?

a.    Wenn ja, verfügten tatsächlich keine anderen Bewerber_innen über praktische Erfahrungen in diesem Rechtsgebiet?

b.    Wenn nein, welche Kriterien waren dann für diese Postenbesetzung maßgebend?

16. Wie viele Personen haben sich für diese Posten beworben?

17. Wie viele Posten waren insgesamt zu vergeben?

18. War Karoline Edtstadler die Erstgereihte?

a.    Wenn nicht, warum erhielt sie letztendlich den Posten?

b.    Wenn nicht, wer entschied, sie erstzureihen?

19. War Karoline Edtstadler vor Ihrer Ernennung auf ihren “Mascherlposten” mit einem Sondervertrag als Kabinettsreferentin ausgestattet?

a.    Wenn ja, entsprach dieser dem üblichen Schema?

b.    Wenn ja, inwiefern?

c.    Wenn nein, auf wessen Betreiben hin erhielt Karoline Edtstadler diesen Vertrag?

20. Wurde Karoline Edtstadler für ihre Tätigkeit am EGMR vom BMJ karenziert oder auf Kosten des Ressorts entsandt?

21. Für den Fall der Entsendung: Behielt sie ihre Einstufung als Oberstaatsanwältin und wie hoch waren Gesamtkosten der Entsendung für das Ministerium?

22. In wie vielen Fällen kamen in den letzten 10 Jahren Personen in den Genuss von "Mascherlposten", während sie Mitglied eines Kabinetts im Ministerium waren? (Bitte um exakte Auflistung der Personen, der Zeiträume und der "Mascherlposten"-Beschreibung.) 

23. Sind in Ihrem aktuellen Kabinett Personen beschäftigt, die auf Grund ihrer Einstufung als Richter_innen oder Staatsanwält_innen höher entlohnt werden als Kabinettsreferent_innen?

24. Planen Sie, die Praxis der Vergabe von “Mascherlposten” zu beenden?

a.    Wenn ja, wann und wie?

b.    Wenn nein, was spricht Ihrer Ansicht nach für deren Beibehaltung?