7909/J XXVII. GP

Eingelangt am 22.09.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Krainer, GenossInnen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Aktenlieferung an den Untersuchungsausschuss

Am 22. Jänner 2020 setzte der Nationalrat den Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) ein. Mit grundsätzlichem Beweisbeschluss vom selben Tag wurde der Bundesminister für Finanzen aufgefordert, dem Untersuchungsausschuss alle seine Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes vorzulegen.

Infolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 2020, UA1/2020, fasste der Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates am 9. März 2020 einen ergänzenden grundsätzlichen Beweisbeschluss, mit der der Bundesminister für Finanzen erneut zur Vorlage aller seiner Akten und Unterlagen – nunmehr im vollen Umfang des Untersuchungsgegenstandes – verpflichtet wurde.

Art. 53 Abs. 3 B-VG lautet:

„Alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen (…)“

Der Bundesminister für Finanzen legte dem Ibiza-Untersuchungsausschuss zunächst eine Vielzahl von Akten und Unterlagen vor, deren Vollständigkeit vom Untersuchungsausschuss jedoch bezweifelt wurde.

So forderte der Untersuchungsausschuss den Bundesminister für Finanzen u.a. am 30. September 2020 sowie am 11. November 2020 mittels ergänzender Beweisanforderung auf, ihm weitere Akten und Unterlagen vorzulegen.

Der Bundesminister für Finanzen verweigerte in beiden Fällen die Vorlage.

Am 13. Jänner 2021 setzte der Untersuchungsausschuss dem Bundesminister für Finanzen eine zweiwöchige Frist, um seinen verfassungsgesetzlichen Verpflichtungen gegenüber dem Untersuchungsausschuss nachzukommen.

Auch diese Nachfrist ließ der Bundesminister für Finanzen verstreichen, ohne weitere Akten und Unterlagen vorzulegen.

Am 11. Februar 2021 stellte ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beim Verfassungsgerichtshof den Antrag, dass dieser aussprechen möge, dass der Bundesminister für Finanzen zur Vorlage der vom Untersuchungsausschuss begehrten Akten und Unterlagen verpflichtet ist.

Am selben Tag fand eine von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft angeordnete und gerichtlich genehmigte Hausdurchsuchung bei Mag. Gernot Blümel statt, da dieser als Beschuldigter im sogenannten Casinos-Verfahren im Verdacht steht, zur Bestechung von Amtsträgern – im Konkreten des damaligen Bundesministers Kurz – durch Vertreter der Novomatic AG beigetragen zu haben.

Am 3. März 2021 entschied der Verfassungsgerichtshof:

„Der Bundesminister für Finanzen ist verpflichtet, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss die E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien der Bediensteten der Abteilung I/5 E.G., A.M. und G.B. sowie von Bediensteten des Bundesministeriums für Finanzen empfangene E-Mails von T.S., E.H.-S., M.K., B.P. und M.L. aus dem Untersuchungszeitraum vorzulegen.“

Der Bundesminister für Finanzen kam diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht nach.

Auf Grund der fortgesetzten Weigerung des Bundesministers für Finanzen, dem Untersuchungsausschuss die ihm zustehenden Akten und Unterlagen vorzulegen, regte ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses am 22. März 2021 beim Verfassungsgerichtshof die Exekution des genannten Erkenntnisses durch den Bundespräsidenten gemäß Art. 146 Abs. 2 B-VG an.

Am 5. Mai 2021 beantragte der Verfassungsgerichtshof beim Bundespräsidenten schlussendlich gemäß Art. 146 Abs. 2 B-VG die Exekution seines Erkenntnisses. Dies stellt einen historisch bislang einzigartigen Fall dar.

Als Reaktion auf diesen Antrag und eine entsprechende Ankündigung des Bundespräsidenten legte der Bundesminister für Finanzen dem Untersuchungsausschuss weitere Akten und Unterlagen vor. Diese waren im Finanzministerium bereits in Kartons bereitgehalten worden und pauschal als „Geheim“ eingestuft.

Auf Grund der massiven Kritik an dieser Vorgangsweise legte der Bundesminister für Finanzen dem Untersuchungsausschuss diese Akten und Unterlagen wenige Tage später nochmals – nunmehr jedoch in niedrigerer Geheimhaltungsstufe – vor.

Nach Durchsicht der gelieferten Akten und Unterlagen wandten sich SPÖ, FPÖ und NEOS an den Bundespräsidenten und stellten fest, dass die Aktenlieferung weiterhin nicht vollständig war.

Am 23. Juni 2021 gab der Bundespräsident bekannt, die Exekution des VfGH-Erkenntnisses nunmehr tatsächlich anzuordnen, was am folgenden Tag auch geschah. Der Bundespräsident beauftragte das Landesgericht für Strafsachen mit der Sicherstellung der geschuldeten Akten.

Bereits am 9. Juli 2021 übergab das Landesgericht für Strafsachen als Ergebnis der Sicherstellung umfangreiche Aktenbestände. Bereits bei erster Durchsicht ließ sich feststellen, dass diese deutlich über die bislang dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Akten hinausgehen. Dieser Befund bestätigte sich in weiterer Folge: so wurden zB bislang nicht bekannte Unterlagen zu mehreren Gesetzgebungsprojekten, Privatisierungsplänen und Absprachen mit der Novomatic im Finanzministerium sichergestellt, die dem Untersuchungsausschuss bislang vorenthalten wurden.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehende

Anfrage

1)    Welche Weisungen und Anordnungen haben Sie in Zusammenhang mit Aktenlieferungen an den Ibiza-Untersuchungsausschuss erteilt?

2)    Welche Anordnungen haben MitarbeiterInnen des Kabinetts in Zusammenhang mit Aktenlieferungen an den Untersuchungsausschuss erteilt?

3)    Welche MitarbeiterInnen Ihres Kabinetts waren mit Fragen der Aktenlieferungen an den Untersuchungsausschuss befasst?

4)    Welche Anordnungen haben MitarbeiterInnen Ihres Kabinetts insbesondere in Hinblick auf die Umsetzung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 2021 an den zuständigen Verbindungsdienst gegeben?

5)    Wer erteilte die Anordnung, die vom Erkenntnis des VfGH umfassten Akten pauschal in Stufe 3 – Geheim einzustufen?

6)    An welchem Tag waren die vom Erkenntnis des VfGH umfassten Akten fertig ausgedruckt?

7)    Wann wurde von Ihnen oder Ihren KabinettsmitarbeiterInnen der Auftrag erteilt, die vom Erkenntnis des VfGH umfassten Akten an den Untersuchungsausschuss tatsächlich zu liefern?

8)    Welche Kosten entstanden durch den Transport der Akten?

9)    Wurde vorab überprüft, ob die MitarbeiterInnen des Transportunternehmens über die für die Beförderung von Stufe 3 – Geheim eingestuften Unterlagen erforderliche Sicherheitsfreigabe verfügen?

10) Wie lautete Ihr Auftrag an die Finanzprokuratur in Zusammenhang mit den Aktenlieferungen an den Untersuchungsausschuss?

11) Wie viele Anwaltsstunden fielen bei der Finanzprokuratur in Zusammenhang mit den Aktenlieferungen an den Untersuchungsausschuss an?

12) Welche Aufträge wurden an Dritte in Zusammenhang mit den Aktenlieferungen an den Untersuchungsausschuss vergeben?

13) Welche Gutachten wurden von wem angefordert?

14) Welche Kosten entstanden jeweils durch die einzelnen Gutachten?

15) Beauftragte das BMF die Gutachten direkt oder wurde dies von der Finanzprokuratur durchgeführt?

16) Welche externen Personen hat die Finanzprokuratur in Zusammenhang mit den Aktenlieferungen an den Untersuchungsausschuss beigezogen und welche Kosten entstanden dadurch?

17) Nach welchen Kriterien erfolgte die Auswahl der externen Personen?