797/J XXVII. GP
Eingelangt am 12.02.2020
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Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesministerin für Justiz
betreffend "Mascherlposten" für Alexander Pirker als Oberstaatsanwalt
Während Bundeskanzlers Kurz angebliche "roten Netzwerke" in der Justiz kritisiert, wird auch mediale über "Mascherlposten" für Freunde und Mitglieder der ÖVP berichtet. Historisch betrachtet wäre ein Bestehen roter Netzwerke wohl verwunderlich, gab es doch seit 1983 lediglich eine SPÖ-Justizministerin, welche knapp zwei Jahre im Amt war. Jedenfalls wurde das Ressort in den letzten 20 Jahren von FPÖ/BZÖ und Minister_innen der ÖVP geführt. Seit Dezember 2008 wurde das Ressort, bis zu den Ibiza Aufdeckungen, durchgehend von ÖVP-Minister_innen geführt.
"Der Standard" veröffentlichte dazu bereits am Samstag den 8.2.2020 brisante Informationen, nach denen Karoline Edtstadler im Jahr 2015 selbst auf einen sogenannten "Mascherlposten" gesetzt wurde, noch dazu in der WKStA.
Am Montag, den 10.2.2020 erschien ein weiterer Artikel im "Der Standard", welcher erneut ein Licht auf eine bereits vor Jahren getätigte, kritische Personalentscheidung im BMJ wirft. Dabei handelt es sich ebenso um die Vergabe eines "Mascherlpostens". Wieder ist der Begünstigte ein ÖVP-Mann. Sein Name: Alexander Pirker.
Alexander Pirker ist Mitglied in der jungen ÖVP sowie im Cartellverband. Zur Zeit seiner Beförderung bestand ein Großteil der Regierungsbank seitens der ÖVP aus Cartellbrüdern. Nach der Richteramtsprüfung- für eine Tätigkeit, die er Berichten zufolge nie ausgeübt habe- begann eine steile Karriere im BMJ. Vom Ministerium wechselte er ab 19.3.2012 ins Kabinett der Justizministerin Beatrix Karl, um schon nach einem Jahr stellvertretender Kabinettschef und schließlich im Februar 2014 Kabinettschef zu werden.
Wäre eine derart steile Karriere bereits Grund genug für eine kritische Nachfrage, ist es damit noch bei weitem nicht genug.
Im Jahre 2013 wurde Pirker zum Oberstaatsanwalt der OStA Graz ernannt. Die gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen für diese Stelle erfüllte er zu keinem Zeitpunkt. Dies führte zu erheblichen Unruhen innerhalb der Justiz. Dabei wurde auch das vom Standard zitierte Schreiben zahlreicher Richter_innen und Staatsanwält_innen erstellt. Darauf befand sich auch der Name von Karoline Edtstadler. Nicht wissend um die spätere Betrauung mit einem ähnlichen "Mascherlposten" unterstützte diese damals noch den Widerstand gegen politische Willkür. Unter anderem heißt es in diesem Schreiben:
"Die Ausschreibung und Besetzung im finanziellen Interesse eines Einzelnen demotiviert alle anderen JustizmitarbeiterInnen, die bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften täglich ein immenses Arbeitspensum erbringen und so ebenfalls einen wichtigen Beitrag für die Justiz leisten."
2014 stieg Alexander Pirker gar zum Generalsekretär des BMJ auf. Einem Posten, den es bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht gab. Nach seinem Ausscheiden aus dem Kabinett 2017 wurde Pirker bereits zwei Jahre später zum Sektionschef der Sektion III ernannt.
Alexander Pirker wurde im Rahmen des BVT-Untersuchungsausschusses zu seinen Treffen mit Werner Amon und B.P. (dem ÖVP-Vertrauensmann im BVT und Beschuldigter im "BVT-Verfahren") befragt. Amon bezeichnete Pirker in einer SMS-Kommunikation mit B.P. als "gemeinsamen Freund", es gab gemeinsame Treffen mit Pirker, die ursprünglich auf der "Bude" einer Studentenverbindung geplant waren und dann auf Grund eines Heizungsausfalls ins Büro von Amon verlegt wurden; laut Aussagen von Auskunftspersonen ging es hierbei um die Reform des PStSG. P. wiederum traf sich mit Pirker während dessen Zeit im Kabinett des Justizministeriums und verrechnete zu diesen Treffen dem BVT Dienstspesen unter Anführung von Kosten in Zusammenhang mit der "Causa Asta/Kasachstan", also mutmaßlich in Zusammenhang mit der Causa Lansky. Unzweifelhaft ist, dass es ein Naheverhältnis zwischen Amon, B.P. und Pirker gab.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
1. Wann und wie lange übte Alexander Pirker das Richteramt oder eine Tätigkeit als Staatsanwalt aus?
2. Wann und wie lange war Alexander Pirker mit welchen Posten im BMJ betraut?
3. Wann und mit welcher Begründung wurde Alexander Pirker in folgende Stellen ernannt?
a. Stellvertreter des Leiters/der Leiterin der OStA Graz
b. Generalsekretär des BMJ
c. Sektionschef III
4. An welchen weiteren Stellen war Alexander Pirker tätig?
a. Wann und mit welcher Begründung wurde Alexander Pirker jeweils an diese Stellen ernannt?
5. Was waren genau die Ausschreibungskritierien für diese unter Frage 3 und 4 genannten Planstellen und warum jeweils ging Alexander Pirker als bestgeeigneter hervor? (Bitte um exakte Auflistung der Ausschreibungskriterien sowie der korrespondierenden Kompetenzen Pirkers.)
6. Wurde im Rahmen der Ernennungen zum OStA zum Generalsekretär bzw. zu anderen in der Beantwortung von Frage 4 genannten Posten eine Reihenfolge ausschließlich anhand der Kompetenzen der jeweiligen Bewerber_innen erstellt?
a. Wenn nein, welche Kriterien waren dann für diese Postenbesetzung maßgebend?
7. Wie viele Personen haben sich für diese Posten beworben?
8. War Alexander Pirker jeweils bei diesen Posten der Erstgereihte?
a. Wenn nicht, warum erhielt er jeweils letztendlich den Posten?
b. Wenn nicht, wer entschied jeweils, ihn erstzureihen?
9. Konnte Alexander Pirker während seiner Tätigkeit bei der OStA seine Kompetenzen unter Beweis stellen?
a. Wenn ja, inwiefern?
10. Erfüllte Alexander Pirker zum Zeitpunkt der Ernennung zur Oberstaatsanwalt die in § 205 Abs 4 des Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz zwingend verankerte Voraussetzung, dass der/die Betreffende eine achtjährige Praxis als Richter oder Staatsanwalt aufweisen muss?
a. Wenn nein, wie erklären Sie sich die Ernennung Pirkers zum Oberstaatsanwalt?
b. Wenn nein, wurde damit die Besetzung rechtswidrig durchgeführt und wurde wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch § 302 StGB ein Ermittlungsverfahren eingeleitet?
11. Welches Gehalt bezog Alexander Pirker jeweils vor und nach den Ernennungen zum Oberstaatsanwalt bzw. Generalsekretär?
12. Wie viele Tage versah Alexander Pirker seinen Dienst bei der OStA Graz jeweils vor bzw. nach der Ernennung?
13. Wie viele Tage übte Alexander Pirker überhaupt seinen Dienst als Staatsanwalt aus oder wurde dieser tatsächlich ohne einen einzigen Tag als Staatsanwalt gearbeitet zu haben zum Oberstaatsanwalt ernannt?
14. War bei der Ernennung bereits klar, dass Alexander Pirker niemals tatsächlich seinen Dienst in der OStA Graz versehen wird?
a. Wenn ja, wieso war das bereits klar?
b. Wenn nein, inwiefern war das noch nicht klar?
15. Wie viele Stellen als Stellvertreter des Leiters/der Leiterin der OStA waren insgesamt zu vergeben?
16. Erachten Sie es für sinnvoll, der OStA zugeteilte Ressourcen für Personal aufzuwenden, welches dort dann ohnehin nicht arbeiten?
17. Wie konnte seitens der Ressortführung Alexander Pirker, trotz gewaltigen Widerstands aus der Belegschaft, lediglich zu seinem eigenen Profit zum Oberstaatsanwalt ernannt werden (siehe Dokument)?
18. Gab es Druck und Einschüchterungsversuche aus dem Kabinett auf jene Personen, welche sich offen gegen diese Besetzung aussprachen?
a. Wenn ja, inwiefern?
b. Wenn nein, inwiefern haben Sie das verifiziert?
19. Planen Sie, die Praxis der Vergabe von “Mascherlposten” zu beenden?
a. Wenn ja, wann und wie?
b. Wenn nein, was spricht Ihrer Ansicht nach für deren Beibehaltung?
20. Wurde seitens der Ressortführung jemals in Frage gestellt, warum Alexander Pirker in regelmäßigem Austausch mit einer ÖVP-Vertrauensperson aus dem BVT stand?
a. Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?
b. Wenn nein, warum nicht?
21. Wurden seitens der Ressortführung die Kontakte zwischen Pirker, B.P. (ehemaliger Referatsleiter im BVT) und Werner Amon in Frage gestellt?
a. Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?
b. Wenn nein, warum nicht?
22. Wurde seitens der Ressortführung die Erkenntnisse der strafrechtlichen Ermittlungen in der Causa BVT sowie des BVT-Untersuchungsausschusses jemals herangezogen, um sich bei Alexander Pirker über die Frage nach dessen Interesse an den Ermittlungen zu Gabriel Lansky im BVT zu erkundigen?
a. Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?
i. Wurde dabei auch berücksichtigt, dass es laut Aktenstand ein dienstliches Treffen zwischen B.P. (BVT) und Pirker gab, das von B.P. zur Causa Asta/Kasachstan abgerechnet wurde?
1. Wurde dabei hinterfragt, welche Inhalte zur Causa von Pirker an einen BVT-Mitarbeiter in der Causa flossen, und auf welcher rechtlichen Basis dies in laufenden Verfahren geschah?
b. Wenn nein, warum nicht?