8034/J XXVII. GP
Eingelangt am 23.09.2021
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Anfrage
des Abgeordneten Erwin Angerer
und weiterer Abgeordneter
an den Bundesminister für Inneres
betreffend der Flüchtlingszuteilung nach St. Egyden
113 Einwohner inklusive Kinder zählt das Dorf Ranach in der Gemeinde Schiefling. Dort sollen im ehemals gutbürgerlichen Hotel „Lorenzihof“ 80 unbgeleitete jugendliche Asylwerber untergebracht werden.1 Nachdem bereits im August 35 unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien im Sepp-Springer-Heim in Ledenitzen untergebracht wurden, sollen nun in den kommenden Wochen die weiteren Asylwerber im Lorenzihof eintreffen. Das Bundesheer – welches aktuell den Lorenzihof bewohnt – wird dazu ausquartiert.2 Die minderjährigen Flüchtlinge werden von anderen Bundesländern umverteilt. Das heißt, es handelt sich dabei um Flüchtlinge, die nicht aufgrund der aktuellen politischen Situation aus Afghanistan kommen, sondern die aufgrund der steigenden Flüchtlingszahlen in Österreich umverteilt werden müssen.3
„Laut Auskunft des Landes liege Kärnten mit einer Unterbringungsquote von Flüchtlingen von über 97 Prozent4 an zweiter Stelle nach Wien und noch vor Niederösterreich.“3 Bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen liege die Quote sogar weit über 100 Prozent.5
Die Flüchtlingsbeauftragte des Landes, Barbara Roschitz meinte: „Wenn das frühere Gasthaus nun belegt werde, gebe es in Kärnten keine sofort verfügbaren freien Flüchtlingsunterkünfte mehr. Derzeit sind in Kärnten 1.550 Asylwerber aufhältig, zum Höhepunkt der Flüchtlingswelle waren es 5.500.“5
„Überfallsartig“ seien Bürgermeister und Bevölkerung mit den Tatsachen konfrontiert und darüber informiert worden, dass das Bundesheer abrücken muss und dafür weitere Flüchtlinge einquartiert werden.1
Auch SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser und SPÖ-Integrationslandesrätin Sara Schaar sprachen sich gegen die Unterbringung der Flüchtlinge aus: „Dass Nehammer uns weiter Flüchtlinge zuteilt, obwohl ÖVP-geführte Bundesländer massiven Nachholbedarf bei der Unterbringung haben, ist wohl nur mit parteiklienteltaktischen Gründen zu erklären.“ Landeshauptmann Kaiser und Landesrätin Schaar hätten dies auch bereits in einem gemeinsamen Brief an das BMI deutlich gemacht. Schaar forderte den Bundesminister auf, „solange keine weiteren Flüchtlinge nach Kärnten zu schicken, bis auch andere Bundesländer ihrer Pflicht nachkommen.“2
In einem Schreiben von Landeshauptmann Peter Kaiser, das unter anderem an Wolfgang Wakonig, Sprecher der Bürgerinitiative „Gemeinsam für St. Egyden“, ging, führte er folgendes aus: „Auch wir sind, wie die Gemeinde selbst, in der KW 35 von Seiten des Bundesministeriums für Inneres über die Tatsache informiert worden, dass der Lorenzihof in St. Egyden als Flüchtlingsquartier des Bundes aktiviert werden soll. In Anbetracht der Tatsache, dass Kärnten nach Wien seit Monaten seine Quote bei der Verteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden stets aus Eigenem gut erfüllt und erst unmittelbar zuvor die Einrichtung in Finkenstein wieder in Betrieb genommen wurde, waren wir entsprechend erstaunt und auch verärgert, über diese Nachricht. Bedauerlicherweise bedarf es für das Vorgehen des Bundes hierzu jedoch keiner Zustimmung durch das Land oder die betroffene Gemeinde. Ebenso sehen wir keine rechtlichen oder faktischen Möglichkeiten die Inbetriebnahme der genannten Einrichtungen zu verhindern – so bleibt uns lediglich der diplomatische Weg.“
Die Aussage, dass weder das Land noch die Gemeinde eine Zustimmung zur Unterbringung der Flüchtlinge erteilen müssen, bezog sich auf den erteilten Bescheid, der sich wiederum auf das Durchgriffsrecht des Bundes beziehen soll. Dieses trat am 1. Oktober 2015 in Kraft: „Damit kann das Innenministerium künftig auf Grundstücken des Bundes oder in angemieteten Gebäuden auch ohne gesonderte Widmung Flüchtlingsquartiere bereitstellen, wenn die Länder bzw. Gemeinden ihrer Unterbringungsverpflichtung nicht nachkommen. Ziel des neuen Durchgriffsrechts des Bundes bei der Bereitstellung von Flüchtlingsquartieren ist eine gleichmäßigere Verteilung von AsylwerberInnen in Österreich und eine adäquate Unterbringung. Als Richtwert für die Gemeinden ist eine Flüchtlingsquote von 1,5 % der Wohnbevölkerung vorgesehen, die im Bedarfsfall allerdings variabel ist.“ Das Gesetz war bis Ende 2018 befristet.6
In Anbetracht dieser Ereignisse ist die Flüchtlings-Zuteilungspolitik des Innenministeriums sowie das diesbezügliche Mitspracherecht der Länder und des Landeshauptmannes, was Flüchtlings-Quoten und die Flüchtlings-Verteilung im Land betrifft, zu hinterfragen. Zudem muss geklärt werden, auf welcher Grundlage der Bescheid in St. Egyden erteilt wurde, wenn das Durchgriffsrecht des Bundes mit Ende 2018 auslief.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Inneres folgende
ANFRAGE
1. Wie viele Flüchtlinge wurden in den letzten Monaten den einzelnen Bundesländern in Österreich zugeteilt? (Mit der Bitte um Angabe der Zahlen, aufgeschlüsselt nach Bundesländern und Gemeinden in den Monaten Juni bis Oktober 2021)
2. Wie hoch war die Unterbringungsquote von Flüchtlingen in Kärnten in den Monaten Juni bis Oktober? (Mit der Bitte um Aufschlüsselung nach Gemeinden und Monaten)
3. Wie hoch war die Unterbringungsquote von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Kärnten in den Monaten Juni bis Oktober? (Mit der Bitte um Aufschlüsselung nach Gemeinden und Monaten)
4. Wie viele Flüchtlinge waren im September dieses Jahres in Kärnten untergebracht? (Mit der Bitte um Angabe einer Gesamtzahl und Aufschlüsselung nach Gemeinden)
5. Wie viele unbegleitete minderjährige Flüchtlinge waren im September dieses Jahres in Kärnten untergebracht? (Mit der Bitte um Angabe einer Gesamtzahl und Aufschlüsselung nach Gemeinden)
6. Sind weitere Standorte für Flüchtlingsunterkünfte in Kärnten geplant?
a. Wenn ja, wann und wo?
b. Wenn nein, warum nicht?
7. Warum wurden die 80 Flüchtlinge nach Kärnten umverteilt und nicht in andere Bundesländer?
8. Ist es geplant, weitere Flüchtlinge in die Gemeinde Schiefling umzuverteilen?
a. Wenn ja, warum und wann?
b. Wenn nein, warum nicht?
9. Bedarf es für die Zuteilung von Flüchtlingen durch das BMI einer Zustimmung bzw. Genehmigung durch das Land oder die zuständige Gemeinde?
a. Wenn ja, warum?
b. Wenn nein, warum nicht?
10. Gibt es ein Mitspracherecht der Bundesländer bzw. des Landeshauptmannes bei der Verteilung von Flüchtlingen im jeweiligen Bundesland?
a. Wenn ja, wie sieht dieses Mitspracherecht aus?
b. Wenn nein, warum nicht?
11. Haben die Bundesländer, der Landeshauptmann oder die Gemeinde die rechtliche Möglichkeit eines Vetos bei der Zuteilung von Flüchtlingen?
a. Wenn ja, wie sieht dieses Vetorecht aus?
b. Wenn nein, warum nicht?
12. Welche Möglichkeiten hat der Landeshauptmann, um auf die Flüchtlingsverteilung Einfluss zu nehmen?
13. Inwieweit ist der Landeshauptmann in die Flüchtlingszuteilung des Bundes in sein Bundesland eingebunden?
14. Wann werden die jeweiligen Landeshauptmänner über eine Flüchtlingszuteilung in ihr Bundesland informiert.
15. Wann wurde SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser über die Flüchtlingszuteilung nach St. Egyden informiert?
16. Hat Landeshauptmann Peter Kaiser beim Bund bezüglich der Flüchtlingszuteilung nach St. Egyden interveniert?
a. Wenn ja, wann und in welcher Form?
17. Wird bei der Zuteilung von Flüchtlingen das Verhältnis von Einwohnerzahl der betroffenen Gemeinde bzw. Ortschaft zu Flüchtlingen berücksichtigt?
a. Wenn ja, inwiefern wird das Verhältnis berücksichtigt?
b. Wenn nein, warum nicht?
18. Warum wurden über 130 Flüchtlinge nach St. Egyden zugeteilt, obwohl es dort nur so wenige Einwohner gibt?
19. Wurde bei der Zuteilung der insgesamt rund 135 Flüchtlinge in die Gemeinde Schiefling die Zahl der Einwohner berücksichtigt bzw. spielte diese eine Rolle?
a. Wenn ja, inwiefern wurde die Einwohnerzahl berücksichtigt?
b. Wenn nein, warum nicht?
20. Bezog sich der Bescheid für die Zuteilung der Flüchtlinge nach St. Egyden auf das Durchgriffsrecht des Bundes?
a. Wenn ja, wie war dies möglich, wenn das Durchgriffsrecht des Bundes bis Ende 2018 befristet war?
b. Wenn nein, auf welcher rechtlichen Grundlage basierte der Bescheid?
21. Laut Innenministerium kostet die Betreuung eines minderjährigen Fremden 5.068 Euro pro Monat. Dies bedeutet, dass die Unterbringung der 80 Flüchtlinge in St. Egyden pro Monat über 400.000 Euro und pro Jahr knapp fünf Millionen Euro kosten wird. Gilt bei der Abdeckung dieses Aufwandes der Kostenschlüssel in der Grundversorgung von 60:40 zwischen Bund und Land?
a. Wenn ja, warum?
b. Wenn nein, warum nicht und wie sieht die Aufteilung der Kosten zwischen Bund und Land aus?
22. Gibt es seitens des Bundes eine budgetäre Vorsorge für den hohen zusätzlichen Aufwand?
a. Wenn ja, wie sieht diese aus?
b. Wenn nein, warum nicht?
23. Hat das Land Kärnten die Möglichkeit, um finanzielle Unterstützung beim Bund für die Betreuung der minderjährigen Fremden anzusuchen?
a. Wenn ja, wie sieht diese finanzielle Unterstützung aus?
b. Wenn nein, warum nicht?
24. Welche Vorsorgen wurden für die Ausbildung der minderjährigen Fremden getroffen?
25. Wurde bei der Zuteilung der minderjährigen Fremden darauf geachtet, dass es genügend Kapazitäten in den ortsnahen Pflichtschulen gibt?
a. Wenn ja, in welchen Pflichtschulen werden die minderjährigen Fremden unterrichtet werden und wie sieht der Verteilungsschlüssel aus?
b. Wenn nein, warum nicht?
26. Wurde eine gründliche Überprüfung durchgeführt, ob das von den minderjährigen Fremden angegebene Alter auch den Tatsachen entspricht und sie zu Recht die damit verbundenen Betreuungsleistungen beanspruchen dürfen?
a. Wenn ja, wie sah diese Überprüfung genau aus?
b. Wenn nein, warum nicht?