8039/J XXVII. GP

Eingelangt am 23.09.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Systematische Anwendung von illegalen Push-Backs an österreichischer Südgrenze

 

Das Non-Refoulement-Gebot besagt, dass Menschen nicht in Länder zurückgeschickt werden dürfen, in denen ihnen Gefahr von Folter oder einer anderen sehr schweren Menschenrechtsverletzung droht. Push-Backs – also sofortige Zurückweisungen von Fremden an der Grenze ohne die Möglichkeit einen Asylantrag zu stellen – sind ein Verstoß gegen das Non-Refoulement-Gebot und daher menschenrechtswidrig und unzulässig.

Seit Monaten wird von den Medien über solche illegalen Push-Backs an den europäischen Außengrenzen sowie entlang der Balkanroute bis nach Bosnien berichtet. Das Black Book of Pushbacks dokumentiert alleine rund 15.000 illegale und teils gewaltsame Zurückschiebungen entlang der Balkanroute. Insbesondere gibt es zahlreiche Berichte von Menschenrechtsverletzungen an der kroatisch-bosnischen Grenze. Im November 2020 wurde über zwei Fälle von September berichtet, in welchen zwei Gruppen von Asylwerbern von österreichischen Beamt_innen ohne Verfahren an die slowenischen Behörden übergeben wurden. Die Betroffenen wurden von den slowenischen und kroatischen Behörden weiter bis nach Bosnien abgeschoben (https://www.derstandard.at/story/2000121752241/berichte-ueber-illegale-pushbacks-von-migranten-anoesterreichischer-grenze). In der Anfragebeantwortung auf unsere daraufhin eingebrachte Anfrage 4300/J verneinte Innenminister Nehammer das Vorliegen von Absprachen zu Push-Backs mit den slowenischen Behörden und beteuerte, interne Ermittlungen hätten kein Fehlverhalten der österreichischen Beamt_innen ergeben. Von weiteren Abschiebungen der slowenischen Behörden an die kroatischen und dann bis nach Bosnien hätten diese nichts gewusst (https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_04300/index.shtml).

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat im Rahmen einer Entscheidung über eine Maßnahmenbeschwerde in einem oben genannten Fälle Anfang Juli 2021 festgestellt, dass der Asylantrag eines Schutzsuchenden „überhört“ und dieser illegal nach Slowenien zurückgewiesen worden war: „Aus dem geschilderten Verfahrensablauf (…)  kommt das Gericht zum Schluss, dass Push-Backs in Österreich teilweise methodisch Anwendung finden.“  Das Innenministerium dementierte einen systematischen Rechtsbruch weiterhin.

Nun hat die Initiative Push-Back Alarm Austria einen weiteren Fall eines rechtswidrigen Push-Backs an der österreichischen Südgrenze dokumentiert: Am 25. Juli 2021 hat der minderjährige Somali Amin N. gemeinsam mit fünf anderen in Bad Radkersburg Asyl beantragt. Anstatt sie – wie anfangs von der österreichischen Polizei zugesichert – zu einer Erstaufnahmestellte zu bringen, wurden sie getäuscht und nach Slowenien überstellt. Eine Maßnahmenbeschwerde wurde bereits eingebracht.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Welche Maßnahmen setzten Sie nach dem Erkenntnis des LVwG Steiermark von 1. Juli 2021 bezüglich der teilweise methodischen Anwendung illegaler Push-Backs an der österreichischen Südgrenze bzw. welche Maßnahmen werde Sie noch setzen?

a.    Haben Sie sich dafür eingesetzt, dass der Betroffene, Ayoub N., wieder nach Österreich zurückkehren kann und hier zu einem Asylverfahren zugelassen wird?

b.    Inwiefern haben Sie sich wann durch welche Maßnahmen für eine qualitative Verbesserung der internen Ermittlungen in Verdachtsfällen eingesetzt, nachdem diese in dem Fall von Ayoub N. versagt haben?

2.    Wurde von der Landespolizeidirektion Steiermark gegen die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Steiermark ein Rechtsmittel bei den Höchstgerichten eingebracht?

a.    Wenn ja, wurde mit dem Rechtsmittel das gesamte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts resultierend aus eingebrachter Maßnahmen- und Richtlinienbeschwerde bekämpft?

                                  i.    Wenn nein, welche Teile wurden nicht bekämpft und warum nicht?

b.    Wenn ja, entspricht es den Tatsachen, dass das Erkenntnis des LVwG Steiermark von der Landespolizeidirektion Steiermark nur wegen nicht vertretbarer Beweiswürdigung und nicht-mündlicher Urteilsverkündung bekämpft wurde?

                                  i.    Wenn ja, ist Ihnen bekannt, dass der VwGH als Rechtsinstanz grundsätzlich nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung berufen ist und welches andere Ergebnis wäre zu erwarten, wenn es eine mündliche Verkündung gegeben hätte?

c.    Wenn ja, wurde dies von der Landespolizeidirektion Steiermark selbst entschieden?

d.    Wenn ja, gab es dazu einen Austausch mit dem Bundesministerium für Inneres?

e.    Wenn ja, hat das Bundesministerium für Inneres es gewünscht, den Auftrag erteilt oder eine Weisung erteilt, ein Rechtsmittel einzubringen?

3.    Wann haben Sie von diesem push-back durch wen erfahren?

4.    Welche Maßnahmen haben Sie in der Folge wann gesetzt?

5.    Ein weiterer Fall eines rechtswidrigen Push-Backs eines minderjährigen somalischen Asylwerbers wurde akribisch dokumentiert.

a.    Haben Sie sich dafür eingesetzt, dass der Betroffene, Amin N, wieder nach Österreich zurückkehren kann und hier zu einem Asylverfahren zugelassen wird?

b.    Inwiefern haben Sie sich wann durch welche Maßnahmen für eine qualitative Verbesserung der internen Ermittlungen in Verdachtsfällen eingesetzt, nachdem diese in dem Fall von Amin N versagt haben?

6.    Wann haben Sie von diesem push-back durch wen erfahren?

7.    Welche Maßnahmen haben Sie in der Folge wann gesetzt?

8.    Haben Sie sich dafür eingesetzt, dass die rechtswidrige Praxis der Push-Backs von Asylwerber_innen durch österreichische Beamt_innen beendet wird?

                                  i.    Wenn ja, wann inwiefern?

                                ii.    Wenn nein, warum nicht?

9.    Gibt es eine interne Weisung Ihres Ministeriums für Push-Backs

a.    nach Slowenien?

                                  i.    Wenn ja, seit wann und an welche nachgeordneten Dienststellen ist diese gerichtet? Wie ist der Wortlaut der Weisung?

                                ii.    Wenn nein, aufgrund welcher von Ihnen durchgeführten Nachforschungen können Sie eine Weisung ausschließen?

                               iii.    Wenn nein, wie kann es ohne Ihr Wissen zu systematischen Rechtsbrüchen durch Ihnen untergeordnete Behörden kommen? Wie werden Sie dagegen vorgehen?

b.    in welche anderen Nachbarstaaten?

                                  i.    Wenn ja, seit wann und an welche nachgeordneten Dienststellen ist diese gerichtet? Wie ist der Wortlaut der Weisung?

                                ii.    Wenn nein, aufgrund welcher von Ihnen durchgeführten Nachforschungen können Sie eine Weisung ausschließen?

                               iii.    Wenn nein, wie kann es ohne Ihr Wissen zu systematischen Rechtsbrüchen durch Ihnen untergeordnete Behörden kommen? Wie werden Sie dagegen vorgehen?

c.    weiter entlang der Balkanroute?

                                  i.    Wenn ja, seit wann und an welche nachgeordneten Dienststellen ist diese gerichtet? Wie ist der Wortlaut der Weisung?

                                ii.    Wenn nein, aufgrund welcher von Ihnen durchgeführten Nachforschungen können Sie eine Weisung ausschließen?

                               iii.    Wenn nein, wie kann es ohne Ihr Wissen zu systematischen Rechtsbrüchen durch Ihnen untergeordnete Behörden kommen? Wie werden Sie dagegen vorgehen?

10. Nach gerichtlicher Klärung, dass es sich bei den vorliegenden Fällen tatsächlich um rechtswidrige Push-Backs handelt: Inwiefern dürfen die betroffenen Asylwerber_innen wieder für ihr Asylverfahren einreisen?

a.    Werden diese kontaktiert, um eine Rückeinreise zu ermöglichen?

                                  i.    Wenn ja, wann inwiefern?

                                ii.    Wenn nein, wird der Asylantrag der Betroffenen bearbeitet, sofern diese wieder in Österreich einreisen?

b.    Wie wurde in dem Fall von Ayoub N. konkret verfahren?

                                  i.    Wo befindet dieser sich zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung?

c.    Wie wurde in dem Fall von Amin N. konkret verfahren?

                                  i.    Wo befindet dieser sich zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung?

d.    Wie wurde in welchen anderen Ihnen durch Ihre Nachforschungen bekannt gewordenen jeweils konkret verfahren?

                                  i.    Wo befinden diese Personen sich zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung?

11. Anlässlich des Bekanntwerdens des Erkenntnis des Landesverwaltungsgericht Steiermark hat das Bundesministerium für Inneres auf die Landespolizeidirektion Steiermark verwiesen. Anlässlich des neu bekannt gewordenen Push-Back-Vorwurfs vom 25.07.2021 hat das Bundesministerium für Inneres wiederum auf die Landespolizeidirektion Steiermark verwiesen.

a.    Ist in den Diskussionen zu dem Vorfall das Thema aufgekommen, dass Sie das oberste Weisungsorgan der Sicherheitsbehörden und damit auch der Landespolizeidirektion Steiermark gegenüber weisungsberechtigt sind?

b.    Haben Sie nach dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark eine Weisung an nachgeordnete Dienststellen, insbesondere die Landespolizeidirektion Steiermark, gerichtet mit dem Ziel, die bekannt gewordenen Missstände bzw. gesetzwidriges Verfahren zu unterbinden und aufzuklären?

                                  i.    Wenn ja, wann?

                                ii.    Wenn ja, wie lautet der Wortlaut der Weisung?

                               iii.    Wenn nein, warum nicht?

c.    Haben Sie nach den nunmehrigen Vorwürfen bezüglich des Push-Back-Vorwurfs vom 25.7.2021 eine Weisung an nachgeordnete Dienststellen, insbesondere die Landespolizeidirektion Steiermark, gerichtet mit dem Ziel, die bekannt gewordenen Missstände bzw gesetzwidriges Verfahren zu unterbinden und aufzuklären? Wie lautet der Wortlaut der Weisung?

                                  i.    Wenn nein, warum nicht?

12. Sind Ihnen bzw der Landespolizeidirektion Steiermark die Identitäten der BeamtInnen, die in die Vorfälle vom 28.09.2021 und vom 25.7.2021 involviert waren bekannt?

a.    Wieviele BeamtInnen waren in die Amtshandlungen jeweils involviert?

b.    Gab es BeamtInnen, die sowohl beim Vorfall vom 28.9.2021 als auch beim Vorfall am 25.07.2021 involviert waren?

c.    Wurden disziplinarrechtliche Schritte eingeleitet? Wenn ja, gegen wie viele BeamtInnen und mit welchem Ergebnis bzw wie ist der Stand der Verfahren?

                                  i.    Wenn nein, warum nicht?

d.    Falls bis dato keine disziplinarrechtlichen Schritte eingeleitet wurden, ist die Einleitung geplant, falls das Rechtsmittel bei den Höchstgerichten nicht erfolgreich ist?

                                  i.    Wenn nein, warum nicht?

e.    Wurde von Ihnen eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft bezüglich des Verdachts des Amtsmissbrauchs übermittelt, um den Sachverhalt aufzuklären? Wenn nein warum nicht? Ist Ihrem Kenntnisstand zufolge ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen Sie oder BeamtInnen der LPD Steiermark bezüglich der Push-Back-Vorwürfe bei einer Staatsanwaltschaft anhängig?

13.  Der Sprecher der LPD Steiermark wird in Zeitungsberichten vom 6.7.2021 dahingehend zitiert, dass, sollte Fehlverhalten seitens der Polizei festgestellt werden, werde man das "so zur Kenntnis nehmen und in unsere Ausbildung und unser Vorgehen einfließen lassen", meinte Lamb.

a.    Welche Schulungsmaßnahmen sind hier angedacht?

b.    Wurden hier bereits Schritte eingeleitet?

                                  i.    Wenn ja, welche?

                                ii.    Wenn nein, warum nicht?

14. Die Landespolizeidirektion Steiermark wies den Vorwurf der methodischen beziehungsweise regelmäßigen Praxis der Zurückweisungen „entschieden zurück.“

a.    Teilten Sie diese Auffassung nach dem Erkenntnis des LVwG Anfang Juli

2021?

b.    Wenn ja, teilen Sie diese Auffassung noch immer?

c.    Wenn ja, ab wie vielen bekannten Push-Back-Fällen sehen Sie Handlungsbedarf noch urgenter, weil eine regelmäßige Praxis der Zurückweisungen vorliegt?

15. Wie viele Beamt_innen aus welchen anderen Staaten unterstützen Österreich beim Grenzschutz?

a.    Wofür sind diese Beamt_innen jeweils konkret zuständig? Bei welchen Amtshandlungen werden die österreichischen Beamt_innen unterstützt?

                                  i.    Werden die österreichischen Beamt_innen beim Durchführen von Push-Backs unterstützt?

1.    Wenn nein, wie stellen Sie dies sicher?