8160/J XXVII. GP
Eingelangt am 06.10.2021
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Anfrage
der Abgeordneten Mag. Christian Drobits und Genoss:innen
an den Bundesminister für Arbeit
betreffend AMS-Projekt „Jobimpuls“
Eine überaus tiefgehende Nabelbeschau bei AMS-Klient:innen kommt seit 2018 bei zahlreichen vom AMS beauftragten Betreuungs- bzw. Trägereinrichtungen zum Einsatz: 272 Fragen sind von Arbeitslosen bei vom AMS beauftragten Betreuungs- bzw. Trägereinrichtungen für das Projekt „Jobimpuls“ ausfüllen. Mittels persönlichem Login-Profil auf der Website der deutschen „Jobnet AG“ ist online ein umfangreicher Fragebogen zu absolvieren. Dabei werden auch überaus suggestive Fragen gestellt und intimste Daten abgefragt – wie zB Geschlechtskrankheiten oder Geburtsfehler. Experten bezweifeln die gesetzliche Deckung vieler gestellter Fragen. Entgegen aller anderslautenden Beteuerungen dürfte es den AMS-Klient:innen nicht immer freigestellt sein, diesen Fragebogen auszufüllen und zu beantworten.
Das Projekt Jobimpuls läuft bereits seit 2018; damit sollen laut AMS „weitere Ressourcen und Ansatzpunkte für die Beratung“ gewonnen werden. Laut AMS wisse man aber nicht, wie viele AMS-Klient:innen den Fragebogen bereits ausgefüllt haben – obwohl „man alleine 2021 erwarte, 30.000 bis 35.000 Lizenzen (Kostenpunkt pro Lizenz 40€ ) für die „JobIMPULS-Methode“ der Jobnet AG abzurufen“.
Die erhobenen Daten landen offensichtlich unter dem Klarnamen der ausfüllenden Person bei der deutschen „Jobnet AG“ in Berlin und werden dort ausgewertet. Die Jobnet AG schreibt auf ihrer Homepage: „Wir haben im Herbst des Vorjahres sehr intensiv an einer erfolgreichen Markteinführung gearbeitet......Sehr profitiert haben wir dabei durch die hervorragende Zusammenarbeit mit itworks Personalservice und Beratung, unserem ersten Kunden in Österreich.....Die österreichischen Kooperationspartner – allen voran das Arbeitsmarktservice (AMS) – setzen dabei vor allem auf den Einsatz der JobIMPULS Methode bei renommierten Kurs- und Rehabilitationsträgern des Landes.........Mittlerweile arbeiten wir neben Wien auch in den Bundesländern Oberösterreich, Niederösterreich, Salzburg und Vorarlberg mit dem AMS und von ihnen beauftragten Trägereinrichtungen zusammen".
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen nachstehende
Anfrage:
1. Seit welchem
Zeitpunkt ist das Projekt Jobimpuls und damit der Fragebogen genau im Einsatz?
Wann und mit welchen Konditionen erfolgte die Ausschreibung? Wer hat den
Auftrag zum Erwerb und Einsatz des Produkts Jobimpuls erteilt?
2. Inwieweit
waren Sie bzw. das Ressort oder Mitarbeiter:innen des Kabinetts eingebunden?
3. Welche
anderen Fragebögen wurden vom AMS oder den beauftragten Betreuungs- und
Trägerorganisationen im Zeitraum von 2012 bis 2018 verwendet (bitte um
Übermittlung dieser Fragebögen)?
4. Zu
welchem Zweck wurden dabei diese Daten verwendet? Wann wurden diese
gelöscht? Wenn nicht, werden diese noch immer verwendet bzw. verarbeitet?
5. Wurde
vor Beginn des Projekts Jobimpuls und des Einsatzes des Fragebogens mit der DSB
Kontakt aufgenommen? Wenn nein, warum nicht?
6. Wurde
vor Beginn dieses Projekts und des Einsatzes des Fragebogens mit dem hauseigenen
Datenschutzbeauftragten Kontakt aufgenommen? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja,
welche Stellungnahme wurde von ihm abgegeben?
7. Wer
ist bei dieser Konstruktion der Datenschutzrechtlich Verantwortliche, das AMS, die
Jobnet AG oder jemand anderer?
8. Wurde
vor Beginn dieses Projekts und des Einsatzes des Fragebogens eine
Risikoabschätzung und eine Datenschutzfolgenabschätzung durch das AMS
durchgeführt? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welche Ergebnisse wurden
erzielt?
9. Wie
war die Verarbeitung personenbezogener Daten aus dem Fragebogen im
vorgeschriebenen Datenverarbeitungsverzeichnis beschrieben?
10.
Wo finden die höchst sensiblen
Gesundheitsfragen in diesem Fragebogen ihre gesetzliche Deckung (bitte um
Bekanntgabe der Gesetzesbestimmungen)?
11. Kommt der kritisierte Fragebogen Jobimpuls auch direkt im AMS bzw. in dessen Länderstellen zum Einsatz? Wenn ja, zu welchem Zweck und in welchen Bundesländern bzw. in wie vielen und welchen Geschäftsstellen des AMS?
12.
Wie viele Betreuungs- bzw. Trägereinrichtungen
des AMS nutzen Jobimpuls? Welche Einrichtungen sind das konkret (bitte namentlich
und nach Bundesländern gegliedert anführen)?
13.
In wie vielen und welchen Projekten der Betreuungs-
bzw. Trägereinrichtungen kommt Jobimpuls zum Einsatz (bitte nach Projekten
und Bundesländern gegliedert anführen)?
14.
Bei welchen Klient:innen-Gruppen des AMS kommt
Jobimpuls zum Einsatz? Wie erfolgt die Entscheidungsfindung, welche
Klient:innen den Fragebogen zu Jobimpuls ausfüllen sollen?
15.
Wie viele Personen haben den Fragebogen
Jobimpuls bereits seit Einführung des Projekts ausgefüllt (bitte nach
Jahren gegliedert anführen)? Falls ihrem Ressort dies -wie medial
kolportiert nicht bekannt ist – was ist der Grund dafür? Wie viele
Lizenzen wurden für Jobimpuls seit Einführung bezahlt?
16.
Ist es richtig, dass pro online
ausgefülltem Fragebogen Lizenzkosten von 40 € entstehen? Welche
Gesamtkosten für die Implementierung und Nutzung von Jobimpuls sind seit
Einführung des Projekts entstanden?
17.
Wie schätzt Ihr Ressort das Kosten-Nutzenverhältnis
des Projekts Jobimpuls ein? Erfolgte bereits eine Evaluierung des Projekts
Jobimpuls? Wenn ja, mit welchem Resultat? Wenn nein, werden Sie eine
Evaluierung beauftragen?
18.
Ist es richtig, dass die über Jobimpuls
online eingegebenen Daten mit Klarnamen der AMS-Klient:innen bei der deutschen
Jobnet AG landen? Zu welchem Zeitpunkt werden die eingegebenen
Daten anonymisiert, dh. ab wann kann der Fragebogen keiner einzelnen Person
mehr zugeordnet werden? Oder werden diese Daten nur pseudonymisiert?
19.
Wie und durch wen erfolgt die Auswertung der
Angaben aus den Jobimpuls-Fragebögen? Wem werden die Resultate zur
Verfügung gestellt?
20.
Wie lautet die Datenschutzvereinbarung und die
freiwillige Einwilligungs/Einverständniserklärung der AMS-Klient:innen
für die Teilnahme an der Beantwortung des Online-Fragebogens? (bitte um
Übermittlung des genauen Wortlauts zum Zeitpunkt der Einbringung der
Anfrage)
21.
Hat nach ihrem Informationsstand die deutsche
Jobnet AG mit dem zuständigen Berliner Datenschutzbeauftragten
bezüglich der Verwendung dieses Fragebogens und der Datenverarbeitung Kontakt
aufgenommen?
22.
Gab es eine Risikoabschätzung bzw. eine
Datenschutzfolgenabschätzung durch die Jobnet AG?
23.
Hat der Datenschutzbeauftragte der Jobnet AG der
Verwendung dieses Fragebogens zugestimmt?
24.
Wie lautet die vorgeschriebene schriftliche
Vereinbarung zwischen dem AMS und der Jobnet AG als Auftragsverarbeiter?
25. Ist den Jobimpuls nutzenden Klient:innen des AMS die konkrete Funktionsweise des Fragebogens (wie kommt die Einschätzung zustande) transparent? In welcher Form werden die Klient:innen darüber aufgeklärt?
26. Was passiert
mit den eingegebenen Fragebogen-Daten nach deren Auswertung? Von wem werden
diese zu welchem Zweck verwendet?
27. Wie
wird sichergestellt dass die erhobenen Daten von der Jobnet AG nach der Auswertung
für die Beratung auch gelöscht werden?
28. Im Fragebogen
für Jobimpuls sind zahlreiche Fragen zu Gesundheitsdaten zu beantworten;
so wird ua. nach psychischen Erkrankungen, Geburtsfehlern oder
Geschlechtskrankheiten gefragt, die nach der DSGVO einen besonderen Schutz
genießen. Dabei handelt es sich um Gesundheitsdaten, die offensichtlich
für die Verarbeitung bei der Jobnet AG in Deutschland gespeichert werden. Ist
es aus Sicht ihres Ressorts notwendig, sinnvoll und rechtlich zulässig,
derart sensible medizinische Daten zu erheben, nur um „weitere Ressourcen
und Ansatzpunkte für die Beratung“ zu erhalten?
29. Im Fragebogen
für Jobimpuls sind auch zahlreiche Suggestivfragen enthalten, deren ehrliche
Beantwortung manche Klient:innen nicht immer im besten Licht erscheinen lassen
könnte. Wo liegt hier der Mehrwert, um „weitere
Ressourcen und Ansatzpunkte für die Beratung“ zu erhalten? Sehen Sie
hier nicht einen Verstoß nach dem Kopplungsverbot im Datenschutzgesetz?
30.
§ 25 Arbeitsmarktservicegesetz beinhaltet
jene personenbezogenen Daten im Sinne des Datenschutzgesetzes, zu deren
Verarbeitung das AMS insoweit ermächtigt ist, als diese zur Erfüllung
der gesetzlichen Aufgaben eine wesentliche Voraussetzung sind. Die im Rahmen
von Jobimpuls erhobenen Daten gehen weit über die in § 25
Arbeitsmarktservice angeführten Daten hinaus. War dies der Grund, dass
diese bis in sensibelste Bereiche hineingehende Erhebung von Daten an eine
externe Firma in Deutschland ausgelagert wurde? Auf welcher rechtlichen Basis
ist das AMS berechtigt, diese Dienstleistung auszulagern?
31.
Seitens des AMS wird betont, dass Jobimpuls zur
Feststellung des Work Ability Index (WAI) oder
Arbeitsbewältigungsindex eingesetzt wird und die Nutzung für die
Klient:innen freiwillig ist. Nun dürfte die Botschaft der Freiwilligkeit
aber nicht immer klar kommuniziert worden sein bzw. haben Klient:innen des AMS
oft Angst, ihren Anspruch auf Leistungen zu verlieren, wenn sie die Fragen
nicht beantworten. Sind ihrem Ressort Fälle bekannt, in denen arbeitslose
Personen Leistungsansprüche wegen der Weigerung zur Teilnahme an Jobimpuls
verloren haben? In welcher Form wird die Freiwilligkeit der Teilnahme an
Jobimpuls kommuniziert?
32.
Wie viele Beschwerden
über diesen Fragebogen wurden dem AMS bekannt und wie wurde darauf
reagiert?
33.
Wie viele Beschwerden
über diesen Fragebogen wurden wegen Datenschutzverletzungen an die DSB
gerichtet? Wie viele Verfahren sind zur Zeit anhängig und wie viele
Erledigungen liegen bereits vor?
34.
Sind dem Ressort
deswegen auch Beschwerden bekannt geworden, die am ordentlichen Rechtsweg
geltend gemacht wurden?
35.
Ist es richtig, dass
gegen das AMS bei Datenschutzverstößen nach § 30 Abs. 5 DSG
durch die DSB keine Geldbuße verhängt werden kann? Wenn ja, halten
Sie dies für gerechtfertigt?
36. Werden Sie die weitere Notwendigkeit des Einsatzes des Projekts Jobimpuls überprüfen? Soll der Fragebogen weiterhin eingesetzt werden? Wenn nein, welche anderen Schritte werden sie veranlassen?