819/J XXVII. GP

Eingelangt am 13.02.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst

und weiterer Abgeordneter

an den Bundeskanzler

betreffend Grüner Postenschacher

 

Am 3. Juni 2019 wurde die ehemalige Präsidentin des Verfassungsgerichtshof (VfGH) Dr. Brigitte Bierlein als erste Bundeskanzlerin Österreichs angelobt, wodurch ihr Posten als Präsidentin des VfGH vakant wurde. Obwohl das Bundeskanzleramt diese Stelle bereits am 2. Juli ausgeschrieben hatte und verpflichtet gewesen wäre, diesen Posten neu zu besetzen ist dies bisher nicht geschehen.  Das Ende der Bewerbungsfrist war bereits der 2. September 2019. Bis heute wurde kein Nachfolger gefunden. Der Vizepräsident des VfGH, DDr. Christoph Grabenwarter, hat diesen Posten interimsmäßig übernommen. Dieser wird laut unterschiedlichen Medienberichten nunmehr auch als künftiger Präsident des VfGH gehandelt, wodurch seine Stelle als Vizepräsident des VfGH frei werden würde.

 

Die Tageszeitung „Standard“ berichtet dazu in einem Gastkommentar vom 29. Jänner 20201: „Bereits am 4. Jänner, wenige Tage vor seiner Angelobung als Vizekanzler, hat Werner Kogler beim Bundeskongress der Grünen voller Stolz verkündet, dass es den Grünen obliegen wird, eine Richterstelle am Verfassungsgerichtshof (VfGH) zu besetzen. Zu diesem Zeitpunkt war weder eine solche Stelle ausgeschrieben, noch konnte der Grünen-Parteichef Kenntnis oder gar Einblick in die laufenden Bewerbungen für den VfGH-Präsidenten haben (außer die zu diesem Zeitpunkt amtierende Regierung hätte ihr Amtsgeheimnis gebrochen).“

 

Weiters wird berichtet: „Was hat nun Kogler da im Überschwang der kommenden Regierungsbeteiligung am 4. Jänner eigentlich verkündet? Der herrschenden politischen Gerüchtelage nach scheint hübsch klar zu sein, wer der kommende, nächste Präsident des VfGH sein wird – nämlich der derzeitige Vizepräsident. Wenn dem so ist, kann Kogler wohl nur gemeint haben, dass der dann frei werdende Vizeposten der grünen Personalpolitik zusteht. Wie das mit der allzeit verkündeten Transparenz bei Postenbesetzungen einhergehen soll, ist jedenfalls nicht nachzuvollziehen. Die betreffende Stelle ist noch nicht einmal ausgeschrieben, man weiß daher auch noch gar nicht, wer sich alles bewerben wird. Aber eines steht offensichtlich spätestens seit dem 4. Jänner fest: Es wird eine grüne Kandidatin. Komme was wolle beziehungsweise Transparenz hin oder eher. Früher nannte man so eine Vorgehensweise schlicht Postenschacher.“[...] „Stattdessen ließ man die Position seit Anfang Juni unbesetzt. Wohl wissend, dass man damit der kommenden Regierung ein nicht zu unterschätzendes Geschenk bereitet. Und so kam es denn auch. Offensichtlich wurde in den Tagen der Regierungsverhandlungen nicht nur an der Ausformulierung des Regierungsprogramms gefeilt, sondern auch schon mal vorab über künftige Postenbesetzungen gesprochen.“

 

Am 30.01.2020 berichtet die Tageszeitung „Kurier“ von zwei mögliche Kandidatinnen2: „Wer kommt also für den Vize-Präsidenten in Frage?

Formal ist der Kreis eng: Die Bundesregierung darf nur Kandidaten nominieren, die Beamte, Richter oder Jus-Professoren sind – so steht's in der Verfassung.

Realpolitisch beschränkt sich die Suche auf Kandidaten, die weiblich und grünaffin sind. Zwei Favoritinnen kristallisieren sich heraus: Die eine ist Verena Madner.

Die WU-Professorin gilt als Expertin im öffentlichen und Umweltrecht, war Vorsitzende des unabhängigen Umweltsenats und ist zudem Beirätin der Grünen Bildungswerkstatt.

Die andere: Iris Eisenberger. Eisenberger leitet das rechtswissenschaftliche Institut an der Universität für Bodenkultur und hat insbesondere im Innovations-, Technologie-, Umwelt- und Lebensmittelrecht exzellente Expertise.

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den

Bundeskanzler folgende

 

Anfrage

 

1)    Warum hat die damalige Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Dr. Bierlein den Posten des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs nicht nachbesetzt?

 

2)    Hat es in der Zeit vom 2. Juli 2019 bis 2. September 2019 Bewerber für die Stelle des Präsidenten des VfGH gegeben?

a.    Wenn ja, wie viele?

b.    Wenn ja, welche?

c.    Wenn ja, warum wurde dann diese Stelle bislang nicht nachbesetzt?

 

3)    Gilt es als gesetzt, dass der Vizepräsident des VfGH, Herr DDr. Christoph Grabenwarter, den Posten des Präsidenten des VfGH übernehmen wird?

a.    Falls ja, wird die Stelle des Vizepräsidenten neu ausgeschrieben?

b.    Falls ja, wird einer der bestehenden VfGH-Richter als Vizepräsident nachrücken?

 

4)    Inwiefern stimmen die Informationen, dass die beiden, laut Zeitungsberichten von den Grünen gewünschten, Univ.Prof. Dr. Verena Madner bzw. Univ.Prof. Mag.iur. Dr. Iris Eisenberger, M.Sc. (LSE), diesen Posten bekleiden werden?

 

5)    Wie bewertet ihr Ressort die kolportierten Vorwürfe, dass die damalige Bundesregierung unter Bundeskanzlerin Dr. Bierlein den Posten des VfGH- Präsidenten bewusst nicht besetzt hat, um der nächsten Regierung im Hinblick auf die Postenbesetzung nicht vorzugreifen?

 

6)    Gibt es einen sachlichen Grund, dass der Posten des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes bislang nicht nachbesetzt wurde?

 

7)    Was sagt ihr Ressort zu den kolportierten Vorwürfen, dass während der Regierungsverhandlungen bereits diverse Postenbesetzungen, insbesondere im Hinblick auf den Verfassungsgerichtshof, besprochen und gehandelt worden seien?

 

8)    Wie bewertet ihr Ressort die oben genannten Ausführung des derzeitigen Vizekanzlers Mag. Werner Kogler?

 

9)    Welche Personen in Ihrem Ressort bzw. Kabinett sind über die eingelangten Bewerbungen für den Posten des Präsidenten des VfGH informiert? (Bitte Name und Funktion angeben)

 

10) Werden andere Minister bzw. Ressorts über die eingelangten Bewerbungen informiert?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt? (Bitte je Ministerium die informierte Person anführen)

 

11) Auf welcher Rechtsgrundlage wird Personen Auskunft über die eingelangten Bewerbungen erteilt?

 

12) Welche datenschutzrechtlichen Normen sind einschlägig für die Auskunftserteilung über eingelangte Bewerbungen für den Posten des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes?

 

13) Ist die Erteilung von Auskünften über eingelangte Bewerbungen für den Posten des Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes an Dritte mit dem Amtsgeheimnis vereinbar?

 

14) Hatte der nunmehrige Vizekanzler Mag. Werner Kogler Einblick in die laufenden Bewerbungen?

a.    Wenn ja, wie ist das möglich?

b.    Wenn ja, wann wurde Vizekanzler Mag. Kogler über den Stand der Bewerber informiert?

c.    Wenn ja, hat Ihr Ressort datenschutzrechtliche Bedenken im Hinblick auf eine solche Auskunftserteilung?

d.    Wenn ja, ist eine solche Auskunftserteilung mit der Amtsverschwiegenheit vereinbar?

e.    Wenn ja, hat sich Vizekanzler Mag. Kogler zu den eingelangten Bewerbungen geäußert? (Bitte Zeitpunkt und Tenor der Äußerung anführen)

 

15) Wie konnte Vizekanzler Mag. Werner Kogler bereits am 4. Jänner verkünden, dass die Grünen eine Richterstelle am VfGH zustehen würde, ohne dass eine solche Stelle ausgeschrieben wurde?

 

Weiterführende Informationen:

1 https://www.derstandard.at/story/2000113929013/gruener-postenschacher

2 https://kurier.at/politik/inland/verfassungsgericht-wer-kommt-als-praesident/400740468