8227/J XXVII. GP

Eingelangt am 13.10.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

des Abgeordneten Peter Wurm,

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesministerin für Justiz

betreffend die Rechte von Pensionisten und ihren Angehörigen

 

Ein verzweifelter Bürger wendete sich unlängst mit einem Schreiben an uns. Dabei geht es um die Rechte von schutzbedürftigen Senioren. In seinem konkreten Fall hat er folgenden Sachverhalt mit dazugehörigen Fragen an uns übermittelt:

 

Wer setzt sich für die Rechte von schutzbedürftigen Senioren ein? Welche Stelle hilft, wenn Streitigkeiten in der Familie auf dem Rücken und zum Leidwesen der (Groß)Eltern ausgetragen werden?

 

Mein Großvater, Jahrgang 1927, wohnt mit einer 24 Std-Pflegekraft in „seinem“ Haus in Wien. Er wünscht sich regelmäßigen Kontakt zu seinen Töchtern und zu seinen Enkelkindern. Ich, als sein Enkelsohn, würde ihm diesen Wunsch gerne erfüllen und ihn wieder wöchentlich besuchen kommen. Ich bin bei ihm aufgewachsen, habe meine halbe Jugend dort gewohnt. Wöchentliche Besuche und mehrmals wöchentliche Telefonate waren bis nach dem Tod meiner Großmutter 2018 eine Selbstverständlichkeit für alle Beteiligten.

 

Seitdem ist leider alles anders. Eine meiner Tanten, welche auch das Haus bereits 2011 überschrieben bekommen hat, hat eine Vorsorgevollmacht für meinen Großvater. Welche Aufgabengebiete diese Vollmacht abdeckt und wann der Vorsorgefall eingetreten ist, weiß ich leider nicht. Was ich weiß, ist das meine Tante diese Vorsorgevollmacht als Druckmittel der gesamten Familie gegenüber nutzt. Sie instrumentalisiert meinen Großvater und missbraucht ihn, um ihre persönlichen Befindlichkeiten der Familie gegenüber auszuleben. Wer nicht nach ihrer Pfeife tanzt, darf den (Groß)Vater nicht mehr sehen. Sie bestimmt nach Belieben wann wer wie lange auf Besuch kommen darf und ob überhaupt jemand auf Besuch kommen darf. Das hat auch mit COVID19 nichts zu tun – das war schon vorher so. COVID wird jetzt nur immer wieder vorgeschoben, um Termine zu verweigern. Warum mein Großvater trotz seines hohen Alters noch immer nicht geimpft worden ist, will sie nicht erklären. Die Wünsche meines Großvaters – vor allem nach sozialem Kontakt zu seinen Angehörigen - spielen für meine Tante offensichtlich keine Rolle.

 

Es gibt keine gesetzliche Regelung wieviel Kontakt zwischen Großeltern und Enkelkindern angebracht ist, wenn die Enkelkinder einmal erwachsen sind. „Frequenz, Art und Ausgestaltung von Besuchsterminen sind anhand des Naheverhältnis und dem Wohl des Großvaters in der Familie abzustimmen“ – das sagt zumindest das Bezirksgericht Liesing in ihrem Beschluss vom 29.04.2021 an dem sie die Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters für meinen Großvater ablehnen. Die umfangreich dokumentierte Vielzahl an Gesetzesübertritten meiner Tante, und ihre Verwechslung von Pflichten als Vorsorgevollmachtnehmerin mit einer uneingeschränkten Befehlsgewalt über jeden Aspekt des Privatlebens meines Großvaters, haben das Bezirksgericht nicht interessiert. Es soll innerhalb der Familie eine Lösung gefunden werden. Das Bezirksgericht sei dafür nicht zuständig.

 

Meine Tante, welche über Jahre meine eMails, Briefe, Anrufe und Kontaktversuche einfach ignoriert hat, lässt mittlerweile nur mehr über einen Rechtsanwalt kommunizieren. Dieser wirft mit Drohungen, Bußgeldforderungen und Unterlassungserklärungen um sich. Er weist mir aber dankenswerterweise auch einmal im Monat unter strenger Aufsicht für zwei Stunden einen Besuchstermin bei meinem Großvater zu. Privatsphäre gibt es bei diesen Besuchen nicht. Ich solle mich darüber freuen, weil ich als Angehöriger zweiten Grades kein Anrecht auf mehr Besuchstermine habe.

Das sich mein Großvater regelmäßigen Besuch wünscht, spielt für meine Tante und ihren Anwalt keine Rolle.

 

Ich war schon beim Bezirksgericht Liesing, beim Vertretungsnetzwerk Erwachsenenvertretung, beim Bundesministerium für Justiz, beim Bürgeranwalt, beim Seniorenbund bzw. allen Organisationen welche sich mit den Rechten von Senioren und Missbrauchsschutz auseinandersetzen, und habe mich bei einer Rechtsanwaltskanzlei umfangreich beraten lassen. Das Ergebnis – es gibt für einen solchen Fall keine Handhabe. Es gibt juristisch eine Regelungslücke. Der Fall ist nicht streitig, es soll in der Familie ausgemacht werden wer wann den (Groß)Vater besucht. Eine offizielle Schlichtungsstelle dafür gibt es nicht. Ich habe meiner Tante Mediation angeboten, habe einen geistlichen Seelsorger eingeschaltet, um zu vermitteln. Keine Chance. Meine Tante stellt sich stur. Ihr Rechtsanwalt droht mir laufend. Keine offizielle Stelle fühlt sich zuständig hier einzugreifen. Es ist zum Verzweifeln.

 

Der Herr wurde mehrmals darauf hingewiesen, dass die Diskussion um den Schutz der Rechte von Senioren, auf eine politische Ebene gehoben werden müsste, damit sich hier etwas verändern kann.

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Justiz folgende

 

ANFRAGE

 

1.    Ein Vorsorgebevollmächtigter/Erwachsenenvertreter ist offiziell nicht dafür zuständig private Besuchskontakte von Angehörigen des Vollmachtgebers zu regeln. Gesetzt dem Falle, dass die Vorsorgebevollmächtigten/Erwachsenenvertreter dies trotzdem regeln, welche juristische Handhabe gibt es dafür bzw. dagegen?

 

2.    Das entsprechende Bezirksgericht berücksichtigt bei Prüfungen nur die Grundversorgung des Vollmachtgebers. Eine Vollmacht wird nur entzogen wenn es dabei grobe Missstände gibt. Die Angehörigen haben im Verfahren keine Parteistellung. Welche Handhabe gibt es für die Angehörigen, wenn das Gericht § 246 Abs 3 Z 1 ABGB nicht anwendet und die Vorsorgevollmacht trotz pflichtwidrigem Verhaltens des Vertreters nicht entzieht?

 

2.a    Wie wird sichergestellt, dass derartige Entscheidungen vom Bezirksgericht überprüft werden können?

 

3.    Wenn der Vollmachtgeber nicht mehr mobil ist oder der Bevollmächtigte ihm seine Ausweise abgenommen hat, kann der Vollmachtgeber die Vollmacht nicht mehr - wie erforderlich bei einem Rechtsanwalt oder Notar - widerrufen. Wie kann der Vollmachtgeber dennoch die Vollmacht zurücknehmen?

 

4.    Das Gericht beruft sich in seinem Entscheid vom 29.04.2021 (7 P 108/18m) darauf, dass Besuchskontakte in der Familie zu regeln sind. Wenn sich die Vorsorgebevollmächtigte allerdings weigert mit den Angehörigen zu kommunizieren, gibt es für diese keine Möglichkeit eine Aussprache und Einigung herbei zu führen. Warum gibt es keine Schlichtungsstelle dafür?

 

5.    Werden Sie sich dafür einsetzen, dass in Zukunft eine Schlichtungsstelle (wie in anderen Ländern üblich) für diese Angelegenheiten eingerichtet wird?

 

6.    An welche andere offizielle Stelle können sich derzeit nahe Angehörige (mangels Parteistellung im Pflegschaftsverfahren) wenden, wenn sie Bedenken bzgl. der Wahrung der Interessens ihres vertretenen Angehörigen haben?

 

7.    Die Beauftragung eines Rechtsanwalts durch den Vorsorgebevollmächtigten/Erwachsenenvertreter im Namen des Vertretenen kann mit weitreichenden Konsequenzen verbunden sein bzw. ist juristisch oder faktisch mitunter gar nicht notwendig (z.B. um Besuchstermine beim Vertretenen zu vereinbaren). Warum ist in derartigen Fällen die Bestellung eines Kollisionskurators nicht zwingend vorgesehen?

 

8.    Was können Angehörige unternehmen, wenn der Vorsorgebevollmächtigte dem Vertretenen die e-Card abgenommen hat?

 

9.    Der Vorsorgebevollmächtigte ist Eigentümer des Grundstücks, auf dem der Vertretene wohnt/für das der Vertretene ein Wohnungsgebrauchsrecht hat. Was können Angehörige unternehmen, wenn der Vorsorgebevollmächtigte den Angehörigen das Betreten des Grundstücks verbietet?

 

10. Wie können Angehörige sicherstellen, dass die finanziellen Angelegenheiten des Vertretenen zu seinen Gunsten "verwaltet" werden und der Vorsorgebevollmächtigte sich nicht unrechtmäßig/ungebührlich bereichert?

 

11. Warum haben nahe Angehörige keine Parteistellung im Verfahren zur Bestellung eines Erwachsenenvertreters?

 

12. Warum haben nahe Angehörige kein Auskunftsrecht bzgl. dem Gesundheitszustand und der medizinischen Versorgung eines vertretenen Angehörigen?

 

12.a Wie soll zB. eine Verletzung des §92(2) StGB durch medizinische Vernachlässigung oder Schädigung (zB durch unterlassene oder falsche Medikamentierung) aufgedeckt werden, wenn die medizinische Versorgung den Angehörigen gegenüber nicht offengelegt wird?

 

13. Während für die Wahrung der finanziellen Interessen eines Vertretenen Schutzbestimmungen existieren (Verpflichtung, bei Insichgeschäften Kollisionskurator beizuziehen sowie Untreue gemäß §153 StGB), hat der Gesetzgeber keine vergleichbare Vorsorge für die Wahrung der persönlichen und sozialen Bedürfnisse vertretener (typischerweise älterer) Menschen getroffen. Wie ist dies mit der Menschenwürde älterer Menschen vereinbar?

 

14. Das BG Liesing hat in ihrem Beschluss vom 15.09.2021 (7 P 108/18m) darauf hingewiesen, dass alle Anträge des Enkelsohnes rund um die Pflege und das Kontaktrecht zum Großvater wegen der fehlenden Parteistellung zurückgewiesen/abgelehnt werden. Rechtsmittel gibt es keine. Wie können von Angehörigen dann umfassend dokumentierte Missstände angezeigt werden, wenn dazu vor dem BG Liesing offenbar eine Parteistellung nötig wäre um überhaupt „gehört“ zu werden?