8276/J XXVII. GP

Eingelangt am 14.10.2021
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Arbeit

betreffend Fragebogen des Arbeitsmarktservice (AMS)

 

Partnerfirmen des Arbeitsmarktservice (AMS) benutzen eine Software, um die Perspektiven von Arbeitssuchenden zu bewerten. Nach entsprechenden Medienberichten des Internetportals www.zackzack.at, hat sich der Direktor des AMS Johannes Kopf auf Twitter dahingehend geäußert, dass das AMS diese Inhalte nicht erfahren würde. Zudem meinte Johannes Kopf, dass die kritisierten Fragen „einen Teil des sog. Work Ability Index (WAI) oder Arbeitsbewältigungsindex“ darstellen würden.

 

Auf www.jobnet.ag rühmt man sich einerseits damit, den Zuschlag durch das AMS bekommen zu haben, auf der anderen Seite präsentieren Sie, Herr Bundesminister Univ.-Prof. Dr. Kocher, in ihrer Funktion als Arbeitsminister ebenso wie AMS-Chef Johannes Kopf, stolz die Zusammenarbeit mit der deutschen Plattform.

 

„Die Jobnet.AG hat als Projektpartner des Arbeitsmarktservice (AMS) Österreich dabei unterstützt, ein in Europa einmaliges Projekt zu realisieren. Unter www.ams.at/allejobs steht jetzt ein Internetportal öffentlich zur Verfügung, in dem beinahe alle in Österreich veröffentlichten Stellenanzeigen gefunden werden können. Mit der neuen Plattform „alle jobs" ermöglichen wir Arbeitssuchenden einen noch umfassenderen Überblick über verfügbare Stellen und steigern dadurch deren Chancen, wieder in Beschäftigung zu kommen. Besonders in herausfordernden Zeiten wie derzeit ist es umso wichtiger, optimale Voraussetzungen zu schaffen, um offene Stellen und Arbeitsuchende zusammen zu führen" so Arbeitsminister Dr. Martin Kocher.[1]

 

Wenig überraschend ist das Auftauchen eines solchen Fragebogens angesichts der seit Monaten laufenden Diskussion und des jahrelangen Wunsches der ÖVP, endlich ein degressives Arbeitslosengeld einzuführen und damit vor allem jenen Personen, die es am Arbeitsmarkt ohnehin schwer haben, jegliche Chancen zu verbauen. In dem Fragebogen wird unter anderem nach einer chronischen Nasennebenhöhlenentzündung oder einer Bronchitis gefragt. Besonders auffallend waren folgende Fragen (dabei sind die Fragen in unterschiedliche Kategorien eingeteilt):

 

Antwortmöglichkeiten: "stimmt gar nicht", "stimmt nicht", "stimmt eher nicht", "stimmt eher", "stimmt", "stimmt genau".

 

1. Ich habe keine Probleme damit, zu neuen Kolleginnen und Vorgesetzten eine gute Beziehung aufzubauen.

8. In der Gruppe achte ich darauf, dass meine Teamkolleginnen wissen, was sie tun müssen.

12. Bei der Zusammenarbeit im Team achte ich auf die Stimmung in der Gruppe.

15. Wenn ich mit anderen zusammen bin, übernehme ich oft die Führung in der Gruppe.

16. Manchmal habe ich das Gefühl, dass meine Meinung gar nicht zählt.

39. Wenn ich aus dem Haus gehe, bin ich immer korrekt angezogen.

62: Ich kann Kritik nur schwer ertragen.

63. Wenn ich kritisiert werde, erlebe ich das manchmal als eine Niederlage. 

64. Wenn ich kritisiert werde, geht mir das noch lange nach.

87. Manchmal fehlt mir einfach der Mut, eine Entscheidung zu treffen.

 

Antwortmöglichkeiten ab hier: "liegt nicht vor", "Diagnose vom Arzt", "eigene Diagnose"

 

111. Unfallverletzungen: Rücken

119. Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems: rheumatische Gelenkbeschwerden

121. Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Hypertonie (Bluthochdruck)

122. Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Koronare Herzkrankheit

127. Atemwegserkrankungen: wiederholte Atemwegsinfektionen (auch Mandelentzündung, Nebenhöhlenentzündung, Bronchitis)

128. Atemwegserkrankungen: chronische Bronchitis

129. Atemwegserkrankungen: chronische Nasennebenhöhlenentzündung

130. Atemwegserkrankungen: Bronchialasthma

131. Atemwegserkrankungen: Lungenemphysem

134. Psychische Erkrankungen: schwere psychische Erkrankungen (z.B. schwere Depressionen, Psychosen, Verwirrtheit, Halluzinationen)

135. leichte psychische Störungen oder Probleme (z.B.: leichte Depressionen, Angespanntheit, Angstzustände, Schlaflosigkeit)

139. Neurologische und sensorische Erkrankungen: andere neurologische oder sensorische Erkrankungen

140. Erkrankungen des Verdauungssystems: Erkrankungen der Galle, Gallensteine

141. Erkrankungen des Verdauungssystems: Leber und Bauchspeicheldrüsenerkrankungen

143. Erkrankungen des Verdauungssystems: Gastritis- oder Zwölffingerdarmentzündung

146. Geschlechts- oder Harnwegserkrankungen: Harnwegserkrankungen

148. Geschlechts- oder Harnwegserkrankungen: Krankheit der Geschlechtsorgane (z.B. Eileiterinfektion bei Frauen oder Prostatainfektion bei Männern)

149. Geschlechts- oder Harnwegserkrankungen: andere Geschlechts- und Harnwegserkrankungen

150: Hautkrankheiten: allergischer Hautausschlag: Ekzeme

155. Hormon- und Stoffwechselerkrankungen: Fettleibigkeit, Übergewicht

157. Hormon- und Stoffwechselerkrankungen: Kropf oder Schilddrüsenerkrankungen

161.Geburtsfehler

"andere Leiden oder Erkrankungen, welche?"

Danach kommt ein großer, sogenannter „Psycho-Block“:

Antwortmöglichkeit in den Ausprägungen "stimmt gar nicht", "stimmt nicht", "stimmt eher nicht", "stimmt eher", "stimmt", "stimmt genau"

171. Wenn ich keinen Erfolg habe, gebe ich schnell auf. (Ab hier wieder mit

172. Ich schaffe es nicht, Ordnung in mein Leben zu bringen.

173. Ich bin ein Mensch, der eher zu viel als zu wenig nachdenkt, bevor er handelt. 

175. Ich bin ein geselliger Mensch.

180. Ohne gute Beziehungen bekommt man auch nicht die richtig guten Jobs.

184. Gelegentlich bediene ich mich auch schon mal einer Notlüge.

185. Auch in meiner Freizeit suche ich mir immer eine Beschäftigung.

188. Wenn jemand befördert werden will, muss man die richtigen Leute im Unternehmen kennen.

189. Mir passiert es häufiger, dass ich nach Dingen suchen muss, die ich verlegt habe.

191. Der Erfolg von Verkäuferinnen hängt in erster Linie vom Produkt und den Kundinnen ab.

192. Ich bin jemand, mit dem das Schicksal es gut meint.

197. Meistens ist es wichtiger, dass deinem Chef deine Nase passt, als was du wirklich leistest.

198. Wenn die Dinge nicht richtig laufen, bin ich schnell verärgert.

204. Oft fühle ich mich unsicher.

207. Ich habe keine Probleme damit, eigene Fehler immer offen zuzugeben.

211. Ob man einen guten Job bekommt, hängt wesentlich vom eigenen Bemühen ab.

214. Es passiert mir schon mal, dass ich meine schlechte Laune an jemand Unschuldigem auslasse.

215. Es gibt viele Dinge, die mir auf die Nerven gehen.

220. Wenn man viel Geld verdienen will, muss man einfach Glück haben.

225. Andere Meinungen akzeptiere ich, egal ob sie mit meiner Meinung übereinstimmen oder nicht.

226. Ich bin eher ein ängstlicher Typ.

227. Ich habe noch nie etwas beschädigt, ohne es zu melden.

228. Wenn ich einmal in Rente gehe, werde ich schauen, wie ich mich nützlich machen kann.

229. Es gibt Leute, die mich mit ihrem Verhalten wütend machen.

232. Wenn etwas nicht klappt, bin ich häufig deprimiert.

233. Es ist überwiegend Glückssache, wenn man den Job bekommt, den man sich wünscht.

235. Manchmal fühle ich mich vom Pech verfolgt.

236. Wenn ich etwas versprochen habe, dann habe ich es auch immer gehalten.

237. Ich würde mich als Einzelgänger beschreiben.

238. Es macht mir Spaß, mich in Dinge einzuarbeiten, von denen ich bisher keine Ahnung hatte.

239. Ich habe schon mal zu viel Geld herausbekommen und habe nichts gesagt.

240. Damit ich bei meiner Arbeit nicht als unfähig erscheine, beschränke ich mich lieber auf die Aufgaben, die ich gut beherrsche.

241. Wenn ich einen Fehler mache, dann gebe ich das auch immer offen zu,.

242. Ich bin leicht frustriert, wenn etwas nicht auf Anhieb klappt.

243. Manchmal lasse ich Aufgaben liegen, weil ich keine Lust dazu habe.

244. Wenn ich in Schwierigkeiten gerate, ist immer jemand da, der mir hilft.

245. Ich fühle mich oft angespannt, obwohl es keinen ersichtlichen Grund dafür gibt.

246. Ohne Arbeit komme ich mir nutzlos vor.

248. Ich sage manchmal Dinge, die mir gerade in den Sinn kommen, ohne über die Konsequenzen nachzudenken.

249. Was ich einmal begonnen habe, führe ich auch zu Ende.

251. Manchmal lasse ich mich zu leichtsinnigem Verhalten verleiten.

252. Mir geht es meistens gut!

258. In meinem Umfeld gibt es Menschen, auf die ich mich voll verlassen kann.

259. Wenn ich an meine Zukunft denke, macht mich das mutlos.

260. Ohne Arbeit hat das Leben keinen Sinn.

263. Bei mir sind alle wichtigen Dinge an ihrem Platz.

265. Es gibt jeden Tag etwas, worüber man sich freuen kann.

266. Meine Freizeit verbringe ich lieber mit anderen Leuten als alleine.

268. Bei meiner Arbeit möchte ich mich nicht durch dumme Fragen oder Fehler blamieren.

269. Ich gerate schnell unter Stress.

270. Wenn ich mir etwas vorgenommen habe, halte ich auch durch.

271. Wenn ich Rat und Hilfe brauche, ist niemand für mich da.

272. Ich habe keine Angst vor der Zukunft.

Ich habe schon mal etwas nicht zurückgegeben, was ich ausgeliehen habe.

Zum Abschluss wird darauf verwiesen, dass eine Beratungsfachkraft die arbeitsuchende Person kontaktieren und mit ihr die Ergebnisse besprechen wird.

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Arbeit folgende

 

ANFRAGE

 

1.    Ist Ihnen der Fragebogen, der von diversen Partnern des AMS benutzt wird, bekannt?

2.    Wenn ja, wann haben Sie als zuständiger Bundesminister für Arbeit erstmals davon erfahren?

3.    Seit wann wird dieser Fragebogen eingesetzt?

4.    Wer hat den Auftrag zur Verwendung dieses Fragebogens erteilt?

5.    Wie hoch belaufen sich die Kosten je ausgefüllten Fragebogen?

6.    Wie viele Fragebögen wurden seit der Einführung ausgefüllt? (aufgeschlüsselt nach Monaten)

7.    Wie stellen Sie sicher, dass der Datenschutz nicht verletzt wird?

8.    Wie lange werden die Fragebögen aufbewahrt?

9.    Wer stellt sicher, dass diese Fragebögen gelöscht werden?

10. Wie stellen Sie sicher, dass Personen nicht unter Druck gesetzt werden, diesen Fragebogen auszufüllen?

11. Wie hoch waren die Kosten für die Entwicklung, den Ankauf und die Software dieses Fragebogens?

12. Welchen Sinn machen Fragen nach akuten Erkrankungen?

13. Wie fließen akute Erkrankungen, wie beispielsweise ein Harnwegsinfekt oder eine Nasennebenhöhlenentzündung, in einen Arbeitsvermittlungsprozess des AMS ein?

14. Welchen Unterschied für die Arbeitsvermittlung des AMS macht es, ob eine Person die Nasennebenhöhlenentzündung mit „eigene Diagnose“ oder „Diagnose vom Arzt“ ankreuzt?

15. Beim ersten Fragenblock gibt es sechs unterschiedliche Antwortmöglichkeiten. Wie wirken sich diese jeweils aus?

16. Zu Frage 1: Was bedeutet es, wenn eine Person mit "stimmt gar nicht" antwortet?

17. Zu Frage 1 im Fragebogen: Was bedeutet es, wenn eine Person mit "stimmt nicht" antwortet?

18. Zu Frage 1 im Fragebogen: Was bedeutet es, wenn eine Person mit "stimmt eher nicht" antwortet?

19. Zu Frage 1 im Fragebogen: Was bedeutet es, wenn eine Person mit "stimmt eher" antwortet?

20. Zu Frage 1 im Fragebogen: Was bedeutet es, wenn eine Person mit "stimmt" antwortet?

21. Zu Frage 1 im Fragebogen: Was bedeutet es, wenn eine Person mit "stimmt genau" antwortet?

22. Zu Frage 1 im Fragebogen: Welche Personen bekommen diesen Test vorgelegt?

23. Wie lange sind Personen durchschnittlich arbeitslos, die diesen Test ausfüllen sollen?

24. Welche Ausbildung haben jene Personen, welche bisher diesen Test ausgefüllt haben (in Prozentangaben und in absoluten Zahlen)?

25. Wie ist der Test mit dem Behindertengleichstellungsgesetz in Einklang zu bringen, wenn dermaßen ausführlich (psychische) Erkrankungen dargelegt werden müssen?

26. Wie deuten Sie die Aussage von AMS-Chef Johannes Kopf auf „Twitter“, der behauptet, selbst manche Fragen nicht für sinnvoll zu befinden?

27. Wer hat die inhaltliche Prüfung dieses Tests im AMS bzw. im Bundesministerium für Arbeit vorgenommen?

 



[1]https://www.jobnet.ag/JobnetAG/Aktuelles/2021/AMS_Oesterreich_launcht_neue_Jobboerse_mit_fast_allen_Stellen_Oesterreichs_mit_Unterstuetzung_der_Jobnet.AG.php