8290/J XXVII. GP
Eingelangt am 14.10.2021
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Anfrage
der Abgeordneten David Stögmüller, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Berichtspflichten innerhalb der Weisungskette
In der letzten Zeit kam es immer wieder zu medialer Berichterstattung über Ermittlungs- und Zwangsmaßnahmen, sowie über geplante Verfahrensschritte während oder sogar im Vorfeld, bevor diese von den zuständigen Ermittlungsbehörden durchgeführt worden sind.
Aber auch die Kommunikation innerhalb der Sicherheitsbehörden kann zur Gefährdung von solchen Maßnahmen führen. Ein Beispiel dafür ist der Chatverlauf zwischen Andreas Holzer – nun der Chef des Bundeskriminalamts – und dem ehemaligen Kabinettschef Michael Kloibmüller, bei dem erster mutmaßlich von einer Überwachung Kloibmüllers berichtete (siehe Anfrage 7793/J).
Auch das Straflandesgericht Wien führt im Moment einen Prozess unter anderem wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses, weil ein Beamter unter dem damaligen Innenminister Kickl mutmaßlich Informationen aus dem polizeiinternen PAD-System betreffend den aktuellen Ermittlungsstand eines Verfahrens weitergegeben haben soll, berichtete am 14. Oktober 2021 die APA[1].
Dass geplante Ermittlungsschritte und angeordnete Zwangsmaßnahmen im Vorfeld bekannt werden, ist oftmals kontraproduktiv für deren Erfolg, was weder von Justiz noch von den Sicherheitsbehörden gewünscht ist.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
1. Welche Dienstvorschriften bestehen im Bereich des BMI über die Berichtspflichten kriminalpolizeilicher Organe in Bezug auf unabhängige Einzelstrafsachen, gegenüber den ihnen jeweils im sicherbehördlichen Apparat übergeordneten Dienststellen?
2. In welchen Fällen haben die Landespolizeidirektoren bzw. die Landespolizeidirektionen oder die ihnen unterstellten Organe nach diesen Dienstvorschriften dem Bundesministerium für Inneres zu berichten?
a. An welche Organisationseinheit des BMI ist der Bericht zu richten?
3. Welche Dienstvorschriften bestehen hinsichtlich der Berichtspflichten des Bundeskriminalamtes (BK), des Bundesamtes zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) und des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT)?
a. In welchen Fällen und welcher Organisationseinheit des BMI gegenüber sind diese jeweils berichtspflichtig?
4. Welche Dienstvorschriften bestehen hinsichtlich der Berichtspflichten von Sonderkommissionen, insbesondere der SOKO „TAPE“?
a. In welchen Fällen und welcher Organisationseinheit gegenüber sind diese jeweils berichtspflichtig?
5. Welche Dienstvorschriften bestehen hinsichtlich der Berichtspflichten in Bezug auf Einzelstrafsachen innerhalb des BMI?
6. Wie verläuft der Berichtszug innerhalb des BMI?
7. In welchen Fällen ist an Ihr Kabinett zu berichten?
8. Über welche Verfahrensschritte ist in den obgenannten Fällen (bezugnehmend auf die Frage 7) zu berichten?
Insbesondere über
a. das Einlangen einer Strafanzeige?
b. die amtswegige Einleitung von Ermittlungen?
c. Ermittlungsaufträge der StA?
d. Aufträge der StA zur Durchführung von Zwangsmaßnahmen?
e. die Durchführung von Zwangsmaßnahmen?
f. die Vornahme von Vernehmungen?
g. neue Ermittlungsergebnisse?
h. die Erstattung von Berichten an die Staatsanwaltschaft nach § 100 f. StPO?
9. Wie ist in den obgenannten Fällen (bezugnehmend auf Frage 7 und 8) der Zeitpunkt der Berichterstattung geregelt?
10. Ist über bevorstehende Ermittlungs- oder Zwangsmaßnahmen, die aus kriminaltaktischen Gründen nicht zu früh bekannt werden dürfen, bereits vor Beginn ihrer Durchführung zu berichten (insbesondere an Ihr Kabinett)?
a. Falls ja, wie wird sichergestellt, dass derartige Maßnahmen nicht zu früh bekannt werden?
b. Besteht für die kriminalpolizeilichen Organe die Möglichkeit, mit der Berichterstattung bis zum Abschluss der Zwangsmaßnahme zuzuwarten, um zu verhindern, dass die Zwangsmaßnahme zu früh bekannt wird?
11. Wie ist in den obgenannten Fällen (bezugnehmend auf die Fragen 7 und 8) die Form der Berichterstattung geregelt?
12. Kann die Berichterstattung (bezugnehmend auf die Fragen 7 und 8) auch in mündlicher Form erfolgen?
a. Ist die Berichterstattung detailliert aktenmäßig zu dokumentieren?
b. Ist aktenmäßig nachvollziehbar, welche konkreten Organwalter Kenntnis von den berichteten Vorgängen hatten?
13. In wie vielen Fällen wurde dem BAK bislang in dieser Legislaturperiode eine Berichterstattung zu einer Einzelstrafsache an eine übergeordnete Organisationseinheit des BMI angeordnet?
14. In wie vielen Fällen wurde dem BVT bislang in dieser Legislaturperiode eine Berichterstattung zu einer Einzelstrafsache an eine übergeordnete Organisationseinheit des BMI angeordnet?
15. In wie vielen Fällen wurde dem Bundeskriminalamt bislang in dieser Legislaturperiode eine Berichterstattung zu einer Einzelstrafsache an eine übergeordnete Organisationseinheit des BMI angeordnet?
16. In wie vielen Fällen wurde der SOKO „TAPE“ seit ihrer Einrichtung die Berichterstattung an eine übergeordnete Organisationseinheit zu den bei ihr geführten Ermittlungsverfahren angeordnet?
17. An welche konkreten Organisationseinheiten des BMI ergingen die Berichte der SOKO „TAPE“?
18. Hat der Leiter der SOKO „TAPE“ diesbezüglich unmittelbar an Sie bzw. an Ihr Kabinett berichtet?
19. Welche Dienstvorschriften bestehen im Bereich Ihres Ministeriums (BMI) über die Ausübung des Weisungsrechts durch Organe des Innenressorts in Bezug auf die Führung der Ermittlungen, durch die ihnen nachgeordneten kriminalpolizeilichen Organe in konkreten Einzelstrafsachen?
20. Ist die Erteilung mündlicher Weisungen nach diesen Dienstvorschriften (bezugnehmend Frage 19) zulässig?
a. Wenn ja: In welchen Fällen?
21. Sind erteilte Weisungen nach diesen Dienstvorschriften (bezugnehmend Frage 19) aktenmäßig zu dokumentieren?
22. In wie vielen Fällen haben Sie (bzw. in Ihrem Namen Ihr Kabinett) bisher in dieser Legislaturperiode in Bezug auf eine Einzelstrafsache eine Weisung erteilt?
23. In wie vielen Fällen hat Ihr Kabinett in dieser Legislaturperiode bisher Ersuchen in Bezug auf eine Einzelstrafsache an den Beamtenapparat des BMI gerichtet?
24. In wie vielen Fällen hat eine Organisationseinheit des BMI bislang in dieser Legislaturperiode eine Weisung in einer Einzelstrafsache an das BAK gerichtet?
25. In wie vielen Fällen hat eine Organisationseinheit des BMI bislang in dieser Legislaturperiode eine Weisung in einer Einzelstrafsache an das Bundeskriminalamt gerichtet?
26. In wie vielen Fällen hat eine Organisationseinheit des BMI bislang in dieser Legislaturperiode eine Weisung in einer Einzelstrafsache an das BVT gerichtet?
27. In wie vielen Fällen hat eine Organisationseinheit des BMI bislang eine Weisung an die SOKO „TAPE“ gerichtet?
28. Inwiefern werden in den oben abgefragten Dienstvorschriften „clamoröse Fälle“ (vgl. § 8 Abs 1 StAG) anders behandelt, und wie viele derartiger Fälle gab es in dieser Legislaturperiode?