8319/J XXVII. GP

Eingelangt am 21.10.2021
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Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl

Kolleginnen und Kollegen

 

an die Bundesministerin für Justiz

 

betreffend Ermittlungen in der Faymann-Inseratenaffäre

 

Im August 2011 wurde in der Öffentlichkeit bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Wien aufgrund einer Anzeige der FPÖ Ermittlungen gegen Bundeskanzler Werner Faymann und Staatssekretär Josef Ostermayer wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs und der Untreue im Zusammenhang mit Inseratenaufträgen bei ÖBB und Asfinag aufgenommen hat. Erst nach 2 Jahren Ermittlungen wurde das Verfahren von der Staatsanwaltschaft Wien eingestellt, da kein Schaden im strafrechtlichen Sinn nachweisbar gewesen sei.

 

Am 20. Oktober 2021 wurde im Ö1-Morgenjournal die Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Ilse Vrabl-Sanda zu den damaligen Ermittlungen befragt und gab darüber Auskunft, dass die WKStA in dieses Faymann-Verfahren nicht involviert war und dieses auch nicht geführt hatte.

 

Nun regeln allerdings die gesetzlichen Bestimmungen der Strafprozessordnung die Zuständigkeit der WKStA in den §§ 20a und 20b dergestalt, dass im erstgenannten Paragraphen die WKStA für ganz bestimmte Delikte direkt im Gesetz für zuständig erklärt wird, wohingegen sie nach den Bestimmungen des § 20b StPO bestimmte Fälle an sich ziehen kann. In der damals geltenden Fassung BGBl I Nr. 108/2010 lautete dieser:

 

 „§ 20b. (1) Soweit zur wirksamen und zügigen Führung von Wirtschaftsstrafsachen besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens oder Erfahrungen mit solchen Verfahren erforderlich erscheinen, kann die WKStA eine Wirtschaftsstrafsache der zuständigen Staatsanwaltschaft abnehmen und diese an sich ziehen.

(2) Wirtschaftsstrafsachen in diesem Sinn sind Verfahren wegen strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen im Zusammenhang mit unternehmerischer Tätigkeit, die durch ihren Umfang oder die Komplexität oder die Vielzahl der Beteiligten des Verfahrens, die involvierten Wirtschaftskreise oder das besondere öffentliche Interesse an der Aufklärung der zu untersuchenden Sachverhalte gekennzeichnet sind.

(3) Die WKStA kann nach Abs. 1 auch Verfahren wegen § 302 StGB an sich ziehen, an denen wegen der Bedeutung der aufzuklärenden Straftat oder der Person des Tatverdächtigen ein besonderes öffentliches Interesse besteht.

(4) Die Staatsanwaltschaften haben der WKStA unverzüglich über anhängige Verfahren nach den vorstehenden Absätzen zu berichten, die von ihr effizienter und zügiger geführt werden könnten. Bis zur Entscheidung der WKStA haben sie ungeachtet dessen die erforderlichen Anordnungen zu treffen.“

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an die Bundesministerin für Justiz folgende

 

Anfrage

 

1.         Warum hat in den Jahren 2011-2013 die StA Wien die Ermittlungen gegen BK Faymann und StS Ostermayer geführt und nicht die WKStA?

2.         Hat die StA Wien der WKStA gem. § 20b Abs. 4 StPO über das anhängige Verfahren berichtet?

a)    Wenn nein, warum nicht?

b)    Wenn ja, warum wurde die Übernahme der Ermittlungen von der WKStA abgelehnt?

3.         Aus welchen Gründen hat die WKStA die Ermittlungen gegen Faymann und Ostermayer nicht gem. § 20b Abs. 3 StPO an sich gezogen?

4.         Wie ist es erklärbar, dass bei den Ermittlungen gegen den damaligen BK Faymann nicht die Voraussetzungen des § 20b Abs. 3 StPO, nämlich das Vorliegen eines besonderen öffentliches Interesses wegen der Bedeutung der Person des Tatverdächtigen vorlagen?

5.         Gab es in diesem Zusammenhang eine diesbezügliche Weisung der OStA Wien?

a)    Wenn, wie lautete diese?

6.         Gab es in diesem Zusammenhang eine Weisung des Justizministeriums?

b)    Wenn ja, wie lautete diese?

7.         Gem. § 2a Abs. 4 Staatsanwaltschaftsgesetz hat die WKStA dem Bundesminister bis Ende April eines jeden Jahres über die im abgelaufenen Kalenderjahr erledigten und die noch anhängigen Strafsachen zu berichten. Sind in diesen Berichten auch die von der WKStA an sich gezogenen Verfahren gem. § 20b StPO enthalten?

8.         In wie vielen Fällen hat die WKStA seit dem Jahr 2010 von der Möglichkeit des § 20b StPO Gebrauch gemacht (bitte um jährliche Aufschlüsselung)?

9.         In wie vielen Fällen hat die WKStA derartige Verfahren an andere Staatsanwaltschaften wieder abgetreten (bitte um jährliche Aufschlüsselung)?

10.      In wie vielen Fällen hat die WKStA und bei welchen Personenkategorien, bei denen ein besonderes öffentliches Interesse besteht, die Übernahme nach § 20b Abs. 3 StPO abgelehnt?

11.      Gibt es eigene Durchführungsregeln, die § 20b Abs. 3 StPO näher definieren?

a)    Wenn ja, wie sieht diese Regelung aus?

c)    Wenn nein, warum nicht?