8321/J XXVII. GP

Eingelangt am 22.10.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Empfehlungen der Kindeswohlkommission und Alternativbericht des BMI

 

Die Kindeswohlkommission, welche Anfang des Jahres nach den öffentlichen Diskussionen rund um die Abschiebung von zwei Familien mit in Österreich aufgewachsenen und teils hier geborenen Kindern nach Georgien und Armenien (https://www.derstandard.at/story/2000123744391/die-stilleren-abschiebungen-von-sona-und-ashot) eingesetzt wurde, hat am 13.7.2021 ihren Abschlussbericht präsentiert, welcher auf der Homepage des BMJ öffentlich zugänglich ist (https://www.bmj.gv.at/themen/Kindeswohlkommission.html). Der Bericht hält insbesondere fest, dass, während die Kinderrechte in Österreich zwar ausreichend abgesichert sind, es erhebliche Schwierigkeiten im Vollzug gibt. Insbesondere wurde die rechtliche Anwendungspraxis bei Asyl- und Bleiberechtsverfahren kritisiert, welche laut Kommission den völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Verpflichtungen Österreichs nur unzureichend gerecht wird. Weiters gab es Kritik an den unterschiedlichen Vorgangsweisen der Kinder- und Jugendhilfe in den verschiedenen Bundesländern, die sich aus mangelnden einheitlichen Standards ergeben.

Abschließend beinhaltet der Bericht Empfehlungen an die Bundesregierung in den folgenden Themenbereichen:

Es muss bei allen Kinder betreffenden Entscheidungen eine umfassende Prüfung des Kindeswohls geben. Dies ist besonders notwendig bei Entscheidungen im Zulassungsverfahren (insbesondere bei der Prüfung von Überstellungen im Dublin-Verfahren), Entscheidungen über Asyl im Hinblick auf kindspezifische Fluchtgründe, Entscheidungen über subsidiären Schutz bei der Beurteilung der Situation im Herkunftsland, der Prüfung der Zulässigkeit von Rückkehrentscheidungen (einschließlich der Möglichkeit, auch bei Abschiebungen bis zuletzt aktuelle Entwicklungen und Umstände in der Situation betroffener Kinder gebührend zu berücksichtigen) sowie Entscheidungen über einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen.

Weiters sollen u.a. Handlungsanleitungen erarbeitet werden, die Struktur und Kriterien einer solchen Kindewohlprüfung beinhalten.

Alle Kinder sollen von Anfang an Rechtsberatung erhalten und darüber in einer für sie verständlichen Sprache informiert werden.

Zusätzlich zu medizinischen Faktoren sollen gleichberechtigt psychosoziale und kognitive Faktoren in die Beurteilung einfließen; ebenso soll es eine Möglichkeit geben, die Entscheidung über Altersfeststellung anzufechten.

Hier geht es vorrangig darum, dass die Personen, welche für die Kindeswohlprüfung und Verfahren, die auch Kinder betreffen, zuständig sind, dementsprechende Qualifikationen vorweisen sollen. Kinder sollen kindgerecht beteiligt und gehört werden, auch wenn diese unter 14 Jahre alt sind.

Bei Abschiebungen soll die Prüfung des Kindeswohls immer bis zum letzten Zeitpunkt geprüft werden können, wenn es Anzeichen für geänderte Umstände gibt. Die Menschenrechtsbeobachter_innen, die Verfahren mit Kindern zugezogen werden, müssen ebenfalls für die Arbeit mit Kindern und die Beobachtung von Kinderrechten qualifiziert sein. Schubhaft für Minderjährige sowie die Abschiebung schulpflichtiger Kinder während des Schuljahres sollen nicht mehr möglich sein.

Die Obsorge für UMF muss von Beginn an und für ganz Österreich einheitlich sichergestellt werden.

Es braucht eine angemessene Unterbringung von Minderjährigen, die den Standards der KJH entsprechen, bei Bedarf auch bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres. Es benötigt auch hier einheitliche Standards für alle Bundesländer. Therapieangebote, eine den jeweiligen Bedürfnissen angepasste Tagesstruktur sowie der Zugang zu Lehre und anderen Bildungsabschlüssen müssen zur Verfügung gestellt werden. Ebenso ist die Erarbeitung von Kinderschutzkonzepten mit sozialpädagogischen Strategien und Strukturen in Einrichtungen ein zentraler Faktor, um dem "Untertauchen" von Kindern entgegenzuwirken.

Die aktuelle Regelung zum Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft für hier staatenlos geborene Kinder entspricht nicht den völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs und muss daher angepasst werden.

Das bereits 2012 unterschriebene Fakultativprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention zur Schaffung eines Beschwerdemechanismus für Kinder soll ratifiziert werden, die EU-Kinderrechtsstrategie und die EU-Kindergarantie sichergestellt werden.

Die Erfassung statistischer Daten im Asyl- und Fremdenrecht soll ausgebaut werden und ein jährlicher Lagebericht der befassten Behörden soll Auskunft über die Situation asylsuchender Kinder und Familien geben.

Ein umfassendes und unabhängiges Kinderrechte-Monitoring für die gesamte Gesetzgebung und Vollziehung soll eingerichtet werden.

Als die Kindeswohlkommission eingesetzt und mit der Erarbeitung eines Berichtes beauftragt wurde, hat das BMI offenbar parallel einen eigenen Beirat mit einem weiteren Gutachten zur Stellung der Kinderrechte in Österreich beauftragt- dies bis zur Veröffentlichung des Gutachtens ohne Wissen der Kindeswohlkommission. Der Bericht des BMI-Beirates unter der Leitung von Walter Obwexer stimmte mit dem Bericht der Kindeswohlkommission nicht in allen Punkten überein und betont die Selbstverständlichkeit: dass das Kindeswohl "keinen absoluten Stellenwert" hätte; weiters ventiliert er, dass "ein übergeordnetes öffentliches Interesse an einem funktionierenden Migrationsmanagement" bestehe (siehe https://www.derstandard.at/story/2000128149646/kindeswohlkommission-praesentiert-abschlussbericht).

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Wann haben Sie welche konkreten Maßnahmen zur Umsetzung der nun schon vor einigen Monaten ergangenen Empfehlungen der Kindeswohlkommission gesetzt bzw. wann werden Sie welche konkreten Maßnahmen setzen?
    1. bzgl. der Kindeswohlprüfung im Asyl- und Fremdenrecht?
    2. bzgl. der Rechtsberatung von Minderjährigen?
    3. bzgl. der Altersfeststellung von UMF?
    4. bzgl. kindgerechten Verfahren?
    5. bzgl. des Kindeswohls bei Abschiebungen?
    6. bzgl. der Obsorge für UMF?
    7. bzgl. der Unterbringung und Betreuung?
    8. bzgl. der Staatenlosigkeit?
    9. bzgl. der rechtlichen Rahmenbedingungen?
    10. bzgl. Statistik und Daten?
    11. bzgl. eines Kinderrechte-Monitorings?
  1. Wer hat das Vorhaben der Einsetzung eines Beirates zur Erarbeitung eines Berichtes zum Kindeswohl in Österreich wann aus welchen Gründen initiiert?
    1. Wurde das Vorhaben vor den Gesprächen über die einzusetzende Kindeswohlkommission initiiert?
    2. Wurde das Vorhaben nach den Gesprächen über die einzusetzende Kindeswohlkommission initiiert?

                                          i.    Wenn ja, aus welchen Gründen wurde der Beirat dennoch eingesetzt und mit der zeitgleichen Erarbeitung eines inhaltlich gleichen Berichtes beauftragt?

  1. Wann wurde der Beirat mit welchem konkreten Auftrag durch wen eingesetzt?
    1. Wer war für die Auswahl der Mitglieder des Beirates zuständig?
  1. Wurde die Kindeswohlkommission über die Beauftragung eines vom BMI eingesetzten Beirates mit der zeitgleichen Erstellung eines zweiten Berichtes zum Kindeswohl in Österreich informiert? 
    1. Wenn ja, wie wurde die Kindeswohlkommission darüber wann von wem informiert?
    2. Wenn nein, warum nicht?
  1. Wurde Ihr Koalitionspartner (Die Grünen) über die Beauftragung eines vom BMI eingesetzten Beirates mit der zeitgleichen Erstellung eines zweiten Berichtes zum Kindeswohl in Österreich informiert?
    1. Wenn ja, welche/r FunktionsträgerIn der Die Grünen wurde darüber wann von wem informiert?
    2. Wenn nein, warum nicht?
  1. Auf welche Höhe beliefen sich die Kosten für die Einsetzung des Beirates und dessen Erstellung eines Berichtes über das Kindeswohl in Österreich?
  2. Aus welchen Gründen war die Beauftragung eines durch Ihr Ministerium eigens eingesetzten Beirates zur zeitgleichen Erstellung eines zweiten Berichtes zum Kindeswohl in Österreich parallel zur Kindeswohlkommission notwendig?
  3. Ist der Bericht des vom BMI eingesetzten Beirates öffentlich verfügbar?
    1. Wenn ja, wo seit wann?
    2. Wenn nein, warum nicht?
  1. Werden Sie die Empfehlungen beider Berichte umsetzen?
    1. Wenn ja, wie werden Sie bei widersprüchlichen Empfehlungen vorgehen? 
    2. Werden Sie Empfehlungen eines der beiden Berichte prioritär umsetzen?

                                          i.    Wenn ja, Empfehlungen welches Berichtes werden Sie warum prioritär umsetzen?

    1. Wenn nein, mit welcher Begründung?
    2. Wenn nein, Empfehlungen welches Berichtes werden Sie mit welcher Begründung umsetzen bzw. nicht umsetzen?