Eingelangt am 10.11.2021
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Anfrage
der Abgeordneten Dr.
Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen
an
den Bundesminister für Inneres
betreffend Sicherheitspartnerschaft
des BMI mit Vorarlberg
Der Website des
Innenministeriums ist zu entnehmen, dass am 23.9.2021 dessen
Sicherheitspartnerschaft mit dem Land Vorarlberg bis 2025 verlängert wurde.
Die Maßnahmen der Sicherheitsvereinbarung sind:
- "Die Initiative
GEMEINSAM-SICHER, die als Klammer zwischen Polizei, Gemeinden und
Bürgern fungiert,
- die intensive Pflege der
grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Polizeibehörden im
Bodenseeraum,
- weiterhin
Unterstützung durch den Polizeihubschrauber neben der täglichen
Polizeiarbeit bei der Katastrophenvorsorge, bei Katastropheneinsätzen
sowie bei Bergungsaktionen,
- enge Kooperation bei der
konsequenten Umsetzung des Wett- und Glückspielgesetzes mit Bezirkshauptmannschaften
und Finanzpolizei,
- kein Gastrecht
für gerichtlich verurteilte straffällige Asylwerbende oder
Schutzberechtigte,
- Errichtung eines
Seestützpunktes am Bodensee,
- Zugang zu leistbarem
Wohnraum für Polizistinnen und Polizisten"
§§6 und 7 Asylgesetz
(AsylG) legen die Gründe für den Ausschluss von der Zuerkennung eines
Schutzstatus und für die Aberkennung eines Schutzstatus fest und
stützen sich dabei auf die Genfer Flüchtlingskonvention. Demnach sind
Personen von der Zuerkennung des Asylstatus ausgenommen, wenn aus schwer
wiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist,
- dass sie ein Verbrechen
gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die
Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen
haben, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich
dieser Verbrechen zu treffen;
- dass sie ein schweres
nichtpolitisches Verbrechen außerhalb des
Aufnahmelandes begangen haben, bevor sie dort als Flüchtling
aufgenommen wurden;
- dass sie sich Handlungen
zuschulden kommen ließen, die den Zielen und
Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen.
Ebenso ist nach §6
AsylG die Zuerkennung ausgeschlossen, wenn
- aus stichhaltigen
Gründen angenommen werden kann, dass der Fremde eine Gefahr
für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt, oder
- er von einem
inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens
rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren
Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer
Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung
durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den
Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl.
Nr. 60/1974, entspricht.
Eine Gefahr für die
Sicherheit der Republik Österreich kann auch ohne strafrechtliche Verurteilung
bestehen, jedoch wird hier eine Gefahrenprognose erstellt. Es muss sich um
schwerwiegende Anhaltspunkte halten, damit eine Gefahr für die Sicherheit
der Republik gegeben ist. So wurde nach dieser Bestimmung im Fall eines
russischen Staatsangehörigen tschetschenischer
Volksgruppenzugehörigkeit mit Bescheid des Bundesamts für
Fremdenwesen und Asyl (BFA) der Status des Asylberechtigten aberkannt und
festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht
mehr zukomme. Das BFA hat unabhängig vom Gang eines
allfälligen parallel laufenden Strafverfahrens Feststellungen zum
Verhalten des Betroffenen als Obmann zweier Moscheevereine und zu seiner
Verbindung zu den wegen Beteiligung als Mitglieder an einer terroristischen
Vereinigung bzw. kriminellen Organisation rechtskräftig
verurteilten Vereinsmitgliedern getroffen (s. Entscheidung des VwGH Ro
2018/01/0014 vom 4. April 2019).
Aus denselben Gründen
kann gemäß §7 AsylG auch der Schutzstatus aberkannt werden,
zusätzlich zu einigen anderen, in der Genfer Flüchtlingskonvention
enthaltenen, Gründen wie z.B. die freiwillige Rückkehr und
Niederlassung im Herkunftsland.
Der Begriff des
"Gastrechts" ist kein juristischer. Während das Asylrecht in
Österreich verfassungsrechtlich verankert ist und einen Anspruch auf
Zugang zu einem Asylverfahren beinhaltet, beruht ein Gastrecht, also das Recht
auf die Gastfreundschaft anderer, alleine auf Freiwilligkeit. In
asylpolitischen Debatten den Begriff des Gastrechts zu verwenden, ist
unsachlich und juristisch inkorrekt und wird meistens für populistische
Zwecke verwendet: Damit soll das Bild etabliert werden, der Flüchtling
"verwirke" sein "Gastrecht", welches wir ihm
freundlicherweise gewähren, wenn er sich nicht so verhält, wie wir es
wollen. Dabei ist das Asylrecht keine Gastfreundschaft des Aufnahmelandes,
sondern eine rechtliche Verpflichtung. Ebenso ist die Aberkennung des
Asylstatus und die Abschiebung der Betroffenen bei einer strafrechtlichen
Verurteilung rechtlich bereits möglich, was eine Debatte darüber
entbehrlich macht und deren populistischen Zweck offenlegt.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
Anfrage:
- Auf welcher rechtlichen Grundlage basiert
das "Gastrecht", welches in Ihrer der Sicherheitsvereinbarung
mit Vorarlberg genannt wird?
- Was beinhaltet das Gastrecht konkret? Wann
ist dieses anwendbar? Seit wann?
- Auf welcher rechtlichen Grundlage basiert
die "Verwirkung des Gastrechts", die in Ihrer
Sicherheitsvereinbarung mit Vorarlberg als Maßnahme vorgesehen ist?
- Wie soll diese Maßnahme konkret durch
wen in welchen Fällen vollzogen werden? Bitte um Erläuterung
der dafür notwendigen Voraussetzungen und des gesamten vorgesehenen
Verfahrens.
- Gibt es eine Ausnahme der Geltung von
§§6 und 7 AsylG in Vorarlberg?
- Wenn ja, seit wann mit welcher
Begründung? Wo ist diese verankert?
- Wenn nein, wie ist die Anwendung von
§§6 und 7 AsylG mit der in Ihrer Sicherheitsvereinbarung
festgelegten Maßnahme der Verwirkung des Gastrechts für
straffällige Asylwerber_innen und Schutzberechtigte vereinbar?
- Welche Abteilung Ihres Ressorts hat diese in
Fragen 1 bis 3 hinterfragte rechtliche Interpretation erarbeitet?
- Wann in wessen Auftrag?
- Wann hatte
der auftragegebenden Person wiederum den Auftrag dazu erteilt?
- Welche Personen waren in die Erarbeitung
dieser rechtlichen Interpretation wann eingebunden?
- Wer war jeweils vonseiten Vorarlbergs und
des BMI in die Vorbereitung der Sicherheitsvereinbarung inwiefern wann
eingebunden?
- Von wem ging die Initiative zu dieser
Vereinbarung aus?
- Inwiefern waren wann Sie eingebunden?
- Inwiefern waren wann welche Mitglieder
Ihres Kabinetts eingebunden?
- Wer im BMI und den Bundesländern ist
grundsätzlich für die Vorbereitung solcher Vereinbarungen
verantwortlich?
- Gibt es Sicherheitsvereinbarungen des BMI
auch mit anderen Bundesländern?
- Wenn ja, mit welchen seit wann?
- Wenn ja, welche Maßnahmen beinhalten
diese jeweils?