8593/J XXVII. GP

Eingelangt am 12.11.2021
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten

betreffend Perspektiven für Menschen am Westbalkan

 

Österreich hat bereits unter Außenminister Alexander Schallenberg wiederholt darauf hingewiesen, dass der Westbalkan ein integraler Teil Europas ist und auch aus prioritären geopolitischen Gründen schnellstmöglich an die Europäische Union herangeführt werden muss. Außenminister Michael Linhart hat diese Position unmittelbar nach Amtsantritt bekräftigt und von der Notwendigkeit gesprochen, am Westbalkan kein Vakuum entstehen zu lassen, in das andere Mächte eindringen.

Die Menschen am Westbalkan sind Europa-enthusiastisch. Eines der Hauptärgernisse für die Menschen der Region ist, wie Diplomaten bestätigen (z.B. Botschafter Pllana bei einem Treffen mit dem Anfragesteller im Jahr 2020), die scheinbaren Schikanen bei der Visavergabe, durch die junge pro-europäische Menschen unter anderem ganze Semester verlieren, weil sie nicht rechtzeitig zu ihren Universitäten anreisen können. 

Auch wenn österreichische Staatsbürger_innen für Kosovaren vollinhaltlich bürgen, werden Visa wiederholt nicht ausgestellt, mit sich ändernden Begründungen. Dazu kommt, dass Österreich trotz seines bekräftigten Fokus auf die Integration des Westbalkans in die EU nicht in allen Staaten Botschaften mit Vollservice betreibt, sodass etwa Kosovaren für ihre Visaanträge nach Skopje fahren müssen – und das aufgrund der häufigen Forderung nach Zusatzdokumenten sogar wiederholt. 

Nun erschüttert der Fall einer Mutter, die ihr schwerkrankes Kind nicht im Spital in Österreich besuchen darf, und das obwohl neben dem Kind auch der Kindesvater in Österreich verweilt und ein albanisch-stämmiger Arzt das Geld für die Behandlung bereitgestellt hat – Österreich an der Sache also Geld verdient. Der Vater ist serbischer Staatsbürger und braucht kein Visum. Albanien hingegen ist das einzige Land in der Region, für das weiterhin Schengen-Visa vonnöten sind. Und obgleich sich Österreich in Brüssel offiziell für eine Gleichstellung Albaniens einsetzt, sind die Botschaftsmitarbeiter_innen offensichtlich nicht auf eine kulante Auslegung der Kriterien aus. Die Leidensgeschichte der Familie, inklusive wiederholte Reisen nach Skopje, wird von der Presse geschildert (https://www.diepresse.com/6052943/emporung-uber-osterreichs-harte-visa-praxis). Die Geschichte ähnelt einer Bürgerbeschwerde aus dem Frühjahr 2020 zum Verwechseln. Anscheinend hat Österreich seine Praxis also trotz lautstarker verbaler Unterstützung für Verbesserungen nicht geändert.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Warum gibt es trotz Österreichs rhetorischer Vorreiterrolle beim Heranführen des Westbalkan an die EU noch nicht in allen Staaten Botschaften und/oder Konsulate, die alle Services einer Botschaft auch im Land anbieten?
  2. Wird an einer Verbesserung der konsularischen Infrastruktur am Westbalkan gearbeitet? 
    1. Wenn ja, wann erwartet das BMEIA konsularische Services in allen Westbalkanstaaten anbieten zu können?
  1. Wiederholt wurde beanstandet, dass nach jeder Ablehnung eines Visaantrags bereits eingereichte Dokumente nochmals und in neuer Version einzureichen waren. Mit welcher Begründung werden Menschen, die nach Europa reisen wollen, von Österreich, das sich zumindest rhetorisch für Visafreiheit einsetzt, derartige Schikanen aufgebürdet?
  2. Laut Presse Artikel meinte eine Sprecherin des Außenministeriums: „In dringenden humanitären Fällen werden Visumanträge vorrangig behandelt.“ Wann ist ein Fall ein dringend humanitärer wenn nicht im Fall eines mütterlichen Besuches bei einem schwerkranken fünfjährigen Mädchens? Bitte um Beschreibung von Beispielen dringender humanitärer Fälle (ohne Namensnennung aus Datenschutzgründen).
  3. Laut Presse Artikel wurde der behandelnde Arzt zur Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses aufgefordert. Welchen Zweck – oder gar Sinn – erfüllt diese Forderung?
  4. Die österreichische Botschaft in Skopje schaltete nach einem Sturm der Entrüstung die Kommentarfunktion der Facebook-Seite aus. Wie bewertet das BMEIA den Reputationsverlust Österreichs aus derartigen Vorfällen, und welche Vorteile stehen diesem Verlust entgegen?