8650/J XXVII. GP
Eingelangt am 17.11.2021
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Anfrage
der Abgeordneten Mag.a Selma Yildirim, Genossinnen und Genossen
an den Bundesministerin für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Diskriminierung HIV-positiver Menschen im Strafrecht
Die AIDS-Hilfen Österreichs haben in den vergangenen Tagen ein Positionspapier gegen die Diskriminierung von HIV-positiven Menschen vor Gericht vorgelegt. Dabei geht es insbesondere um die Entstigmatisierung im Strafrecht (§ 178 und § 179 StGB).
Der ungeschützte Sex zwischen einer HIV-positiven Person und einer HIV-negativen Person kann nicht nur gesundheitliche, sondern auch rechtliche Folgen haben.
„Wer eine Handlung begeht, die geeignet ist, die Gefahr der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit unter Menschen herbeizuführen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen, wenn die Krankheit ihrer Art nach zu den wenn auch nur beschränkt anzeige- oder meldepflichtigen Krankheiten gehört.“[1]
Das sei nicht mehr zeitgemäß. Ausschlaggebend sei, so die AIDS-Hilfen, dass den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Medizin gefolgt werde. Denn Menschen mit HIV, die regelmäßig ihre Therapie in Anspruch nehmen und deren Virenlast unter der Nachweisbarkeitsgrenze liege, würden keine Gefährdung darstellen.[2]
Die HIV-Therapie gelte als Safer Sex Methode und wirke auch als Prävention, wie im EKAF-Statement aus dem Jahr 2008 festgehalten ist.
Dazu gibt es ein Urteil des OLG Graz aus dem Jahr 2020 (OLG Graz 30.3.2020, 8 Bs 37/20g), das auf eine Trendwende hindeutet: das Oberlandesgericht Graz hob ein Urteil der ersten Instanz auf, das einem HIV-Positiven – obwohl er sich einer erfolgreichen antiretroviralen Therapie unterzog – Gefährdungspotential für eine Ansteckung unterstellte. Das zweitinstanzliche Gericht hat die aktuell geltenden wissenschaftlichen Erkenntnisse in das Aufhebungsurteil wesentlich miteinbezogen.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten an die Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz nachstehende:
Anfrage
1. Nach Auffassung der AIDS-Hilfen Österreichs schützt eine antiretrovirale Therapie, durch die die Virenlast unter der Nachweisgrenze liegt, vor Ansteckung und kann somit keine gefährdende Handlung im Sinn des §178 StGB darstellen. Auch das zitierte Urteil des OLG Graz geht in diese Richtung. Haben Sie diesbezüglich Gespräche mit der Justizministerin geführt, damit HIV-Positive ohne Gefährdungspotential nicht weiter diskriminiert werden?
2. Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?
3. Wenn nein, warum nicht und planen Sie Gespräche zu führen?
4. Gibt es seitens des Gesundheitsressorts eine Einschätzung bezüglich des Ansteckungspotentials von HIV-positiven Personen, die eine konsequente Therapie verfolgen?
5. Gibt es in Ihrem Ressort Pläne, wie mit dem angesprochenen Sachverhalt in Zusammenarbeit mit anderen Ressorts umgegangen werden soll?
6. Wenn ja, welche?
7. Wenn nein, warum nicht?
8. Welche Maßnahmen sehen Sie für notwendig, um die Diskriminierung von HIV-positiven Personen in unserer Gesellschaft zu verhindern?