8738/J XXVII. GP

Eingelangt am 19.11.2021
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Eva Maria Holzleitner, BSc, Mag.a Selma Yildirim, Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Gesetzespaket Obsorge/elterliche Verantwortung

Im Regierungsübereinkommen von ÖVP und Grünen ist im Justizkapitel eine Weiterentwicklung des Familien- und Eherechts sowie eine Modernisierung des Kindschaftsrechts vereinbart. In diesem Zusammenhang wurde seitens der Justizministerin in den letzten Justizausschüssen eingeräumt, dass sich derzeit Gesetzesänderungen in Ausarbeitung befinden. Es gehe um das Thema der Obsorge NEU bzw. elterlichen Verantwortung. Reformbedarf bei der Abwicklung von Scheidungsverfahren ist seit langem bekannt, doch in den letzten Jahren mehrte sich die Kritik von Betroffenen und Expert*innen.

So wurde beispielsweise Opferschutzanwältin Sonja Aziz in einem Bericht der Wiener Zeitung wie folgt zitiert: „Opferschutzanwältin Sonja Aziz fordert einen automatischen Informationsaustausch zwischen Straf- und Familiengerichten. Oft werden im Moment in Scheidungsverfahren über die Obsorge der Kinder entschieden, ohne dass Informationen und Beweise aus einem Strafverfahren über Gewalttaten eine Rolle spielen. Außerdem forderte die Familienrechtsexpertin, dass eine gemeinsame Obsorge und eine Doppelresidenz bei Gewalt in der Familie ausgeschlossen werden solle. Denn das stünde zwar in den Erläuterungen zum Gesetz von 2013. Aber: "Die Realität schaut anders aus, die gemeinsame Obsorge ist trotzdem der Regelfall", sagt Aziz. "Und damit auch psychische Gewalt wie Drohungen und Kontrolle, womit gewalttätige Väter ja nicht bei der Trennung aufhören." Die Möglichkeit für Gerichte, Gewalttätern vor Kontakt mit ihren Kindern ein Antigewalttraining zu verordnen, solle zu einer Verpflichtung werden. Im Moment werde sie von Richterinnen und Richtern nur selten genutzt.“[1]

Der österreichische Frauenring sieht ebenso Handlungsbedarf: „Der Österreichische Frauenring weist in diesem Zusammenhang insbesondere darauf hin, dass es auch im bestehenden Kindschaftsrecht noch immer Mängel gibt, die dem Kindeswohl weitgehend entgegenstehen. Vor allem in Pflegschafts- und Obsorgeverfahren werden diese Mängel z.B. durch die „erzwungene“ gemeinsame Obsorge, die „verordnete“ Doppelresidenz oder einem ausgedehnten Kontaktrecht auch bei häuslicher Gewalt in der Praxis sichtbar.“[2]

Bislang wurde das Parlament in das geplante, äußerst umfangreiche Reformvorhaben des Justizministeriums in keiner Weise eingebunden, Details werden lediglich über diverse Medien kolportiert.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1.       Welche Vorschläge für Gesetzesänderungen sind derzeit in Ihrem Ministerium in Bezug auf Obsorge/elterliche Verantwortung in Ausarbeitung?

a.       Welche Gesetzesmaterien sind von etwaigen Änderungen betroffen?

2.       Sind bei etwaigen Gesetzesänderungen strittige Scheidungsfälle berücksichtigt?

a.       Wenn ja, inwiefern?

b.       Wenn nein, warum nicht?

 

3.       Gibt es Arbeitsgruppen mit Expert*innen, die mit Ihrem Ministerium in diesen Fragen zusammenarbeitet?

a.       Wenn ja, welche?

b.       Bitte um Aufzählung der Teilnehmer*innen und Organisationen.

c.       Wann sind die nächsten Sitzungen der Arbeitsgruppen geplant?

d.       Wurde neben Expert*innen und Organisationen auch das Gespräch mit Betroffenen gesucht?

                                                   i.      Wenn ja, mit wem?

                                                 ii.      Wenn nein, warum nicht?

                                               iii.      Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

e.       Welche Resultate konnten die Arbeitsgruppen bisher erzielen?

 

4.       Wann ist mit einer Begutachtung zu rechnen?

a.       Wie lange ist die Begutachtung geplant?

 

5.       Wie sieht der weitere Ausarbeitungsplan bis zur Begutachtung aus?

 

6.       Wird diesbezüglich auch mit anderen Ministerien zusammengearbeitet? (z.B. BM für Frauen, Familie, Jugend und Integration)

a.       Wenn ja, mit welchen Ministerien?

b.       Wenn nein, warum nicht?

 

7.       Wird in dem Gesetzesvorschlag bzw. ausgearbeiteten Paket auch die Ausarbeitung bzw. das Eheverbot unter 18 berücksichtigt?

 

8.       Wird in dem Gesetzesvorschlag bzw. ausgearbeiteten Paket auch die Obsorge ab dem 1. Tag für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge bzw. eine entsprechende Finanzierung berücksichtigt?

 

9.       Wird in dem Gesetzesvorschlag bzw. ausgearbeiteten Paket auch eine Unterhaltsgarantie beinhaltet sein?

 

10.   Mit welchen finanziellen Mitteln werden die geplanten gesetzlichen Vorhaben ausgestattet sein?

 

11.   Werden kostenlose Anti-Gewalttrainings bei Gewalt in der Familie verpflichtend gesetzlich verankert?

 

12.   Ist eine gemeinsame Obsorge als Regelfall bei Trennungen/Scheidungen geplant?

 

a.       Wenn ja, wie ist diese ausgestaltet?

 

13.   Ist ein Doppelresidenz-Modell geplant?

 

a.       Wenn ja, wie ist dieses ausgestaltet?

 

14.   Ist ein Betreuungsunterhalt geplant?

 

a.       Wenn ja, wie ist dieser ausgestaltet?



[1] https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2084770-Zadic-will-Opferschutz-ausbauen.html (dl: 8.11.21)

[2] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20210716_OTS0097/frauenring-kindeswohlkommission-auch-fuer-kindschaftsrecht-einberufen (dl: 8.11.21)