8739/J XXVII. GP

Eingelangt am 24.11.2021
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Susanne Fürst

und weiterer Abgeordneter

an die Präsidentin des Rechnungshofes

betreffend Keine Rechnungshofprüfung nach türkisen Korruptionsskandalen?

 

Durch die ÖVP-Korruptionsaffäre[1] rund um den ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz wurde der Verdacht, dass Bedienstete in diversen ÖVP-Ministerien seit Jahren Parteiarbeit verrichten, breit in den Medien diskutiert. Weitere Kernvorwürfe sind die Delikte Untreue und Bestechung beziehungsweise Bestechlichkeit. Kurz und Personen aus seinem Umfeld sollen im Jahr 2017 gefälschte Umfragen der Tageszeitung Österreich zugespielt und die Kosten dafür durch Scheinrechnungen dem Finanzministerium verrechnet haben.

 

Am 14.10.2021 wurde auf dem Twitter-Account von Sebastian Kurz folgende Nachricht veröffentlicht:

 

 

Der Post legt eine Verwechslung der Social-Media-Accounts durch dessen Betreuer offen. Tatsächlich hätte diese Nachricht wohl auf dem Account des neuen Bundeskanzlers Alexander Schallenberg bzw. auf dem offiziellen Account des Bundeskanzleramtes veröffentlicht werden sollen, was wenig später auch geschah.

 

Darüber hinaus wird gemutmaßt, dass bis 2021geschönte Umfragen[2] veröffentlicht und über Ministeriumsaufträge querfinanziert wurden.[3] Auch der Vorwurf Scheinrechnungen für Wahlkampf-Infos anderer Parteien angeboten zu haben steht im Raum.[4]

 

Die Vorwürfe betreffen mehrere Personen aus dem engsten ÖVP-Umfeld in öffentlichen Funktionen in Einrichtungen, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen:

  1. Sebastian Kurz, damals Außenminister
  2. Thomas Schmid, damals Generalsekretär des Finanzministeriums
  3. Stefan Steiner, damals Generalsekretär der ÖVP
  4. Gerald Fleischmann, Medienbeauftragter von Sebastian Kurz
  5. Johannes Frischmann, damals Pressesprecher des Finanzministers, später des Bundeskanzlers
  6. Sophie Karmasin, Meinungsforscherin, damals parteilose Familienministerin, nominiert von der ÖVP
  7. Sabine Beinschab, Meinungsforscherin, Gründerin des Marktforschungsinstituts Research Affairs
  8. Johannes Pasquali, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit im Finanzressort

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Präsidentin des Rechnungshofes folgende

 

 

 

Anfrage

 

 

1.    Wieso fielen die jüngsten türkisen Korruptionsskandale – uA. mit mutmaßlich zweckwidriger Verwendung von öffentlichem Geld zum Wohle einer Partei und ihres Obmanns – nicht bei Prüfungen der betroffenen Bundeseinrichtungen durch den Rechnungshofes auf?

2.    Planen Sie diesbezüglich eine Prüfung?

a.    Wenn ja, wie beurteilen Sie in der Prüfungsplanung Risikopotenzial, Ausgabenhöhen, Veränderungen wichtiger Kenngrößen, aktuelle Ereignisse, das besondere öffentliche Interesse und die präventive Wirkung? (Bitte je Kriterium antworten)

b.    Wenn nein, inwiefern liegt kein Risikopotenzial vor?

c.    Wenn nein, inwiefern sind die Ausgabenhöhen vernachlässigbar?

d.    Wenn nein, inwiefern liegt keine Veränderungen wichtiger Kenngrößen vor?

e.    Wenn nein, handelt es sich nicht um ein aktuelles Ereignis?

f.     Wenn nein, inwiefern liegt kein besonderes öffentliches Interesse vor?

g.    Wenn nein, warum bedarf es keiner präventiven Wirkung?

3.    Liegen Ihnen vor dem Hintergrund der begründenden Einleitung Prüfanliegen vor?

a.    Wenn ja, von wem?

b.    Wenn ja, wann sind diese jeweils zugegangen?

c.    Wenn ja, welche Schritte wurden diesbezüglich gesetzt?

d.    Wenn ja, welche konkreten Prüfanregungen enthalten diese Anliegen jeweils?

4.    Bereiten sich Prüferinnen und Prüfer sich bereits auf eine diesbezügliche Prüfung vor?

a.    Wenn ja, seit wann?

b.    Wenn ja, wodurch veranlasst?

c.    Wenn ja, aufgrund welcher Rechtsgrundlage?

d.    Wenn ja, betreffend welchem Prüfgegenstand?

e.    Wenn ja, wie viele Personen?

f.     Wenn nein, warum nicht?

5.    Planen Sie Einschauen an Ort und Stelle?

a.    Wenn ja, an welchen Orten?

b.    Wenn ja, zu welchem der im Raum stehenden Vorwürfe?

c.    Wenn nein, warum nicht?

6.    Planen Sie Gespräche oder Interviews mit den in der Begründung genannten Beschuldigten?

a.    Wenn ja, mit wem?

b.    Wenn ja, zu welchem der im Raum stehenden Vorwürfe?

c.    Wenn ja, wann?

d.    Wenn nein, warum nicht?

7.    Entspricht die Verwendung von Bediensteten in Ministerien für parteipolitische Arbeit der ÖVP den Zielen und Grundsätzen der Haushaltsführung im Sinne des Bundeshaushaltsgesetzes?

a.    Wenn ja, inwiefern?

b.    Wenn nein, wie prüft der Rechnungshof solche Verwendungen?

8.    Wurde die Verwendung von Bediensteten in Ministerien für parteipolitische Arbeit der ÖVP in den Rechenschaftsberichten (§ 5 PartG) der ÖVP unter der Obmannschaft von Sebastian Kurz ausgewiesen?

a.    Wenn ja, inwiefern?

b.    Wenn ja, in welchem Ausmaß?

c.    Wenn ja, welche Schritte hat der Rechnungshof daraufhin unternommen?

9.    Liegen Ihnen vor dem Hintergrund der einleitenden Begründung konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass im Rechenschaftsbericht der ÖVP enthaltene Angaben unrichtig oder unvollständig sind – insbesondere hinsichtlich lebender Subventionen iSd § 2 Z5 PartG?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Wenn ja, seit wann?

c.    Wenn ja, welche Schritte wurden daraufhin gesetzt?

d.    Wenn ja, wann wurden diese Schritte jeweils gesetzt?

e.    Wenn nein, warum nicht?

10. Wie ist die vorangehende Frage bezüglich Zahlungen und Sachleistungen iSd § 2 Z5 PartG zu beantworten?

11. Wurde der betroffenen politischen Partei ÖVP vom Rechnungshof die Möglichkeit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist eingeräumt?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn ja, über welchen Zeitraum erstreckte sich die Frist?

c.    Wenn ja, wann wurde eine Stellungnahme abgegeben?

d.    Wenn ja, welche Schritte wurden in Folge der Stellungnahme gesetzt?

e.    Wenn ja, wann wurden diese Schritte gesetzt?

f.     Wenn nein, wann werden Sie diese Möglichkeit einräumen?

12. Haben Sie von der politischen Partei ÖVP die Bestätigung der Richtigkeit ihrer Stellungnahme durch ihren Wirtschaftsprüfer verlangt?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn ja, warum?

c.    Wenn ja, durch welchen Wirtschaftsprüfer wird die Richtigkeit bestätigt?

13. Konnte die Stellungnahme durch den Wirtschaftsprüfer die nach §10 Abs. 4 PartG verlangte Stellungnahme die dem Rechnungshof vorliegenden konkreten Anhaltspunkte für Unrichtigkeiten und Unvollständigkeiten im Rechenschaftsbericht ausräumen?

a.    Wenn ja, inwiefern?

b.    Wenn nein, warum nicht?

14. Wurde daraufhin aus einer von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder übermittelten Liste mit Wirtschaftsprüfern durch Los ein bislang nicht bestellter Wirtschaftsprüfer mit der Prüfung des Rechenschaftsberichts beauftragt?

a.    Wenn ja, warum?

b.    Wenn ja, wer wurde gelost?

c.    Wenn nein, warum nicht?

15. Inwiefern wurde gem. § 10 Abs. 5 PartG geprüft ob ein politisches Naheverhältnis des gelosten zur ÖVP ausgeschlossen werden kann?

16. Wurde von der ÖVP dem bestellten Wirtschaftsprüfer Zugang und Einsicht in die zur Prüfung erforderlichen Unterlagen und Belege gewährt?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn ja, über welchen Zeitraum?

c.    Wenn nein, warum nicht?

17. Wurden aufgrund unrichtiger oder unvollständiger Angaben im Rechenschaftsbericht Geldbusen verhängt?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn ja, gegen wen? (Bitte angeben ob gegen die Partei, eine nahestehende Organisation oder Gliederung)

c.    Wenn ja, in welcher Höhe?

d.    Wenn ja, sind weitere Geldbusen auszuschließen?

e.    Wenn nein, warum nicht?

18. Gibt es vor dem Hintergrund der einleitenden Begründung Anhaltspunkte, dass eine politische Partei, nahestehenden Organisation oder Gliederung Spenden unter Verstoß gegen § 6 Abs. 1a, 4, 5 oder 6 PartG angenommen, nicht ausgewiesen oder nicht gemeldet hat?

a.    Wenn ja, welche Anhaltspunkte liegen vor?

b.    Wenn ja, wann wurden diese bekannt?

c.    Wenn ja, in welcher Höhe?

d.    Wenn ja, welche Schritte wurden daraufhin gesetzt?



[1] https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96VP-Korruptionsaff%C3%A4re

[2] https://zackzack.at/2021/10/20/beinschab-oesterreich-tool-umfragen-manipulation-ging-offenbar-munter-weiter/

[3] https://www.tagesstimme.com/2021/10/06/dokumentiert-das-ist-der-hausdurchsuchungsbefehl-gegen-kurz-und-oevp

[4] https://zackzack.at/2021/10/21/anzeige-gegen-fleischmann-scheinrechnungen-fuer-infos-ueber-spoe-wahlkampf/